Studie gegen Kantonsschule Knonauer Amt ein abgekartetes Spiel?

Der Regierungsrat hat sich gegen eine Kanti Knonauer Amt entschieden – aufgrund einer fragwürdigen Studie

Soll im Knonauer Amt eine Kantonsschule gebaut werden? Diese Frage beschäftigt seit gut zwei Jahren zahlreiche Politiker und Verwaltungsangestellte im Säuliamt und in Zürich.

Bei dieser Frage gilt es, die regionalpolitische, die verkehrspolitische und die bildungspolitische Seite separat zu betrachten und die einzelnen Seiten abzuwägen. «Regionalpolitisch wäre eine Kantonsschule Knonauer Amt sicher wünschenswert», hält Kantonsrat Moritz Spillmann fest und erhält Schützenhilfe von Ratskollege Hans Läubli: «Die Mittelschule würde Arbeitsplätze ins Knonauer Amt bringen, Affoltern als regionales Zentrum weiter definieren und beim Standort Ennetgraben-Friedhof könnten Synergien mit der Sekundarschule genutzt werden. Eine gemeinsame Nutzung von Mensa, Aula und Turnhallen wäre denkbar.»

Überfüllte Züge während der Stosszeiten

Verkehrspolitisch würde eine Kantonsschule Knonauer Amt, mit Standort in Affoltern, die Verkehrsströme umkehren. Im Jahr 2010 besuchten 730 Schülerinnen und Schüler aus den 14 Säuliämtler Gemeinden eine Zürcher Kantonsschule. Heute sind es wahrscheinlich sogar noch mehr. Fast alle benutzen die öffentlichen Verkehrsmittel während der Stosszeiten. Wenn nur gut zwei Drittel die Kantonsschule Knonauer Amt besuchen würden, könnte die S-Bahn, während der Stosszeiten, auf einen Schlag um 500 Personen entlastet werden.

Zudem würden Schüler von Hedingen, Bonstetten und Wettswil wahrscheinlich die S-Bahn in die weniger stark frequentierte Richtung Zug nutzen oder gar das Fahrrad. Mit zwei Dritteln der Schülerzahlen von 2010 gerechnet, wären das nur aus diesen drei Gemeinden 185 Schüler, die mit Zug oder Fahrrad nach Affoltern anstatt nach Zürich fahren würden. Auch die SBB begrüsst grundsätzlich die Entlastungen während der Stosszeiten. Reto Schärli, Mediensprecher der SBB, zum Thema Umkehrung der Verkehrsströme: «Fakt ist, alle Massnahmen, die zur Entlastung der Hauptverkehrszeit führen, sind im Interesse der Reisenden, die zu diesen Zeiten unterwegs sind.»

Schülerzahlschätzungen liegen weit auseinander

Bildungspolitisch macht eine Kantonsschule Knonauer Amt nur Sinn, wenn sie von mindestens 500 Schülern besucht würde, allein schon wegen der Klassengrössen und den unterschiedlichen Profilen. Die Frage, wie viele Säuliämtler Schülerinnen und Schüler tatsächlich die Kantonsschule Knonauer Amt besuchen würden, wird von den unterschiedlichen Interessengruppen sehr unterschiedlich beantwortet. Die Studie von Wüest & Partner geht davon aus, dass heute 231 Schülerinnen und Schülerinnen und Schüler die Kantonsschule Knonauer Amt besuchen würden und 330 im Jahr 2040. Kantonsrat Jakob Schneebeli dazu: «Wenn die hinterlegten Zahlen glaubwürdig sind, dann wäre eine Kantonsschule nicht wirtschaftlich und somit auch nicht sinnvoll. Die Idee für eine Kantonsschule Knonauer Amt entstand aber gerade weil wir davon ausgingen, dass eine KantonsschuleKnonauer Amt für die Schüler mindestens genauso attraktiv wäre wie die Kanti Limmattal.»

Kantonsrat Olivier Hofmann bezweifelt die Zahlen von Wüest & Partner: «Die Prüfung ging ungewöhnlich schnell vonstatten. Wir haben deshalb beim Regierungsrat um Einsicht in die Studie von Wüest & Partner ersucht. Schlussendlich wollen wir erreichen, dass die Kennzahlen angepasst werden und dem Regierungsrat ein realistisches Modell für die Schülerzahlevaluation zur Verfügung steht.»

Grossschulen führen zu sozialen Schwierigkeiten

Relevant sind die Schülerzahlen zudem, wenn eine Schule zur Grossschule wird. Die Kantonsschule Limmattal wird heute von rund 730 Schülerinnen besucht. 2040 sollen es 1120 Schüler sein. Seit den 1960er-Jahren haben zahlreiche Studien gezeigt, dass Schüler aus kleinen und mittleren Schulen nachhaltig verantwortungsbewusster und solidarischer handeln, häufiger freiwillig partizipieren, häufiger in verantwortlichen Funktionen tätig sind, ihre Tätigkeiten als bedeutsamer und attraktiver erachten und sich für breitere Tätigkeitsfelder interessieren.

Moritz Spillmann schlägt in die selbe Bresche: «Bei mittleren Schulen, zwischen 500 und 800 Schülern, ist sowohl die Wirtschaftlichkeit als auch die soziale Kontrolle gegeben – da sie weniger anonym sind. Wenn Lehrkräfte die Schüler mindestens vom Gesicht her kennen, können bei Fehlverhalten direkt Erziehungsmassnahmen umgesetzt werden.»

Gerade in den Bereichen Sucht, Gewalt und Littering kann sich die Anonymität einer Grossschule sehr stark negativ auswirken. Dass Kinder und vor allem pubertierende Jugendliche Grenzen austesten und Konsequenzen kennenlernen müssen, ist unbestritten – wie auch, dass die Schulgrösse in diesem Bereich ein entscheidender Faktor ist.

Fragwürdige Berechnungsmethoden für Schülerzahlen

2010 besuchten 730 Schülerinnen und Schüler aus dem Knonauer Amt eine Mittelschule im Kanton Zürich – inklusive Untergymnasium, ausgenommen Diplommittelschulen. Diese Kennzahlen sind einer Erhebung der Zürcher Bildungsdirektion entnommen. Auffallend dabei ist, dass die Mittelschüler-Quote seit 1973 stetig gestiegen ist. Obwohl Jahrgangsstärken extremen Schwankungen unterliegen, wurden im vergangenen Sommer bezirksübergreifend 543 Schülerinnen und Schüler eingeschult – von denen mindestens 30 Prozent eine Kantonsschule besuchen werden. Für den Nachwuchs wäre also gesorgt.

Die Berechnungen von Wüest & Partner gehen davon aus, dass einzig aus Maschwanden 100 Prozent der Kantonsschüler die Kantonsschule Knonauer Amt besuchen würden. Bei der Affoltemer Nachbargemeinde Aeugst gehen sie von 20 Prozent aus – obwohl die Aeugster bereits die Sekundarschule in Affoltern besuchen. Bei Kappel, Bonstetten und Wettswil gehen sie von jeweils 30 Prozent und bei Hausen von 50 Prozent der Schüler aus, welche die regionale Kanti besuchen würden. Für Affoltern, Hedingen und Mettmenstetten rechnen sie damit, dass nur gerade 70 Prozent der Kantonsschüler die lokale Kantonsschule besuchen würden. Bei Birmensdorf rechnen sie mit null Prozent – obwohl die Birmensdorfer einen halb leeren anstatt einen vollen Zug nützen könnten.

Keine Einsicht in die Studie erhalten

Gleicht man die pessimistisch errechneten Zahlen von Wüest & Partner mit den tatsächlichen Schülerzahlen von 2010 ab, ergibt es 311 Mittelschüler, welche die Kantonsschule Knonauer Amt besuchen würden – anstelle der 220 von Wüest & Partner aufgeführten. Wie die Studie auf 220 Schülerinnen kommt, ist nicht ersichtlich.

Es wird damit gerechnet, dass gerade einmal 42 Prozent der Säuliämtler Jugendlichen eine Kantonsschule in der Region besuchen würden. Zudem wurde davon ausgegangen, dass in Affoltern kein Areal zur Verfügung stehen würde, das den Anforderungen entspricht. Wolfgang Annighöfer, Leiter Bauten und Finanzen, von der Bildungsdirektion verweist auf die Modellrechnung von Wüest und Partner, die seiner Ansicht nach plausible Resultate geliefert hat. Auf Anfrage des «Anzeigers» wurde die Einsicht in die Studie verweigert.

War die Standortfrage schon vor der Studie entschieden?

Am 17. September 2014 erschien der kantonale Entwicklungs- und Finanzplan 2015 bis 2018. Darin sind auch die möglichen Investitionen in Kantonsschulen aufgeführt. Der damals noch in Abklärung befindliche Standort Affoltern wurde zu diesem Zeitpunkt jedoch bereits aus der Entwicklungsplanung gestrichen. Für die Kantonsschule Limmattal wurden jedoch 50 Millionen für die jetzt geplante Erweiterung mit Ersatzneubau und Turnhalle eingeplant. Es stellt sich deshalb die Frage, ob der StandortAffoltern glaubwürdig evaluiert worden ist oder ob eine Studie in Auftrag gegeben wurde, die eine Ablehnung des Standorts Affoltern begründen konnte.

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