Mehr Nachtruhe für Bonstettens Kirchenglocken

In Bonstetten wird das Frühgeläut der reformierten Kirche ab Mitte September von 6 auf 7 Uhr verschoben und zwischen 22 und 7 Uhr auf den Viertelstundenschlag verzichtet. Mit diesem Kompromiss ist Kläger Benedikt Pöschel einverstanden.

In Bonstetten ertönt das Frühgeläut der reformierten Kirche ab Mitte September erst um 7 Uhr. Zwischen 22 und 7 Uhr wird auf den Viertelstundenschlag verzichtet. (Bild Werner Schneiter)
In Bonstetten ertönt das Frühgeläut der reformierten Kirche ab Mitte September erst um 7 Uhr. Zwischen 22 und 7 Uhr wird auf den Viertelstundenschlag verzichtet. (Bild Werner Schneiter)

Nächtlicher Glockenschlag ist in verschiedenen Gemeinden des Kantons Zürich ein Thema und beschäftigt Gerichte, zuletzt auch in Wädenswil. In Bonstetten kam es im Oktober 2014 auf die Agenda, als der reformierten Kirchenpflege ein «Antrag zur Nachtruhe der Kirchenglocken von 22 bis 7 Uhr» zuging – ein Begehren, das damals von 270 Einwohnern unterzeichnet wurde.

Unter dem Titel «Podium unter dem Glockenturm» organisierte die Kirchenpflege ein überkonfessionelles Podium. Die Veranstaltung stiess auf grosses Interesse, zeigte aber, dass eine grosse Mehrheit nichts ändern wollte an der bestehenden Regelung, die in der sogenannten Läutordnung verankert ist. Und auch kurze Zeit später, im Rahmen einer Konsultativabstimmung an der Kirchgemeindeversammlung, sprach sich eine grosse Mehrheit der rund 80 Anwesenden für die Beibehaltung des aktuellen Zustandes aus. Der damalige Tenor: Das Ertönen von Kirchenglocken ist eine uralte Tradition, auf die man nicht verzichten will – und Glocken verursachen keinen Lärm.

Für den ehemaligen Gemeinderat Benedikt Pöschel wären der vielen Unterschriften wegen gleichwohl Massnahmen gegen diese «nächtliche Ruhestörung» angezeigt gewesen. «Andere haben über Betroffene entschieden», sagte er damals gegenüber dem «Anzeiger» und stellte dabei den Nutzen eines nächtlichen Glockenschlages infrage – auch mit dem Argument, dass Glocken als Zeitangabe keine kirchliche Notwendigkeit darstellten.

«Erhebliche Störung»

Weil es sich nicht um ein kultisches, sondern politisches Geläut handelt, verlangte Kläger Pöschel via Gemeinderat die Durchführung von Lärmmessungen. Diese wurden im Winter 2015/16 veranlasst. Sie ergaben, dass nachts teilweise eine erhebliche Störung durch die Zeitschläge und durch das Frühgeläut vorliegen. Eine erhebliche Störung lasse sich verhindern, wenn nachts eine Reduktion um zirka 22 Dezibel vorgenommen werde, bei gekippten Fenstern eine solche um zirka 12 Dezibel. Auch durch den Verzicht auf den Viertelstundenschlag könne eine erhebliche Störung verhindert werden, heisst es im Gutachten.

Die vorgeschlagenen technischen Lärmschutzmassnahmen – leisere Glocken oder Glockenklöppel, Isolation des Glockenturms – kommen weder für Gemeinderat noch für die Kirchenpflege infrage. Auch aus Kostengründen. Stattdessen haben sich die beiden Behörden nun kürzlich geeinigt, das Frühgeläut von 6 auf 7 Uhr zu verschieben und zwischen 22 und 7 Uhr auf den Viertelstundenschlag zu verzichten. Laut Kirchenpflegepräsident Rolf Werner wird die Läutordnung auf Mitte September 2016 entsprechend geändert. Seine Ausführungen lassen allerdings darauf schliessen, dass dies «schweren Herzens» geschieht.

«Geläute ist Kulturgut»

Werner macht keinen Hehl daraus, dass er diese Einschränkung nicht gut findet. «Geläute ist für mich Kulturgut, das nichts mit Religion, aber sehr viel mit Tradition zu tun hat. Es ist ein bürgerliches Läuten», sagt der Kirchenpflegepräsident. Schade finde er ausserdem, dass das Gutachten vom Gemeinderat direkt dem Kläger zugestellt wurde, nicht aber der Kirchenpflege. Die Kirchgemeinde sei immerhin die Besitzerin des Turms … «Deshalb haben wir eine Sitzung mit dem Gemeinderat verlangt und sind uns schliesslich einig geworden – auch, weil wir keine gerichtliche Auseinandersetzung wollen», hält Rolf Werner fest. Das will auch die Gemeinde nicht. «Wir haben uns beim Entscheid auf einschlägige Bundesgerichtsurteile gestützt, bei denen Viertelstundenschläge nicht mehr toleriert werden», sagt Gemeinderat Claude Wuillemin.

Mit diesem Kompromiss kann Kläger Benedikt Pöschel leben. Er hat seine Lärmklage zurückgezogen und bezeichnet die angekündigten Änderungen als «Schritt in die richtige Richtung» und als «weiteren Schritt zu einem modernen Bonstetten, der eventuell richtungsweisend ist für andere Ämtler Gemeinden.» Überrascht zeigt sich Pöschel vom Umstand, dass nun die Änderung plötzlich möglich ist und zuvor nicht.

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