Das Zauberwort lautet Entschleunigung

Im Rahmen des nationalen Spitextages lud die Spitex Knonaueramt zum Themenabend Demenz nach Affoltern. Das Angebot mit Informationen, Referat und Playbacktheater in der Aula des Oberstufenschulhauses Ennetgraben wurde rege genutzt.

Gabriele Kaes referierte über wertschätzende Begleitung von Menschen mit Demenz-Erkrankung. (Bilder Thomas Stöckli)

Gabriele Kaes referierte über wertschätzende Begleitung von Menschen mit Demenz-Erkrankung. (Bilder Thomas Stöckli)

Sie durften sich über reges Interesse am Themenabend der Spitex Knonaueramt freuen: Präsident Leonhard Grimmer und Geschäftsleiterin Verena Bieri in der gut gefüllten Aula Ennetgraben.

Sie durften sich über reges Interesse am Themenabend der Spitex Knonaueramt freuen: Präsident Leonhard Grimmer und Geschäftsleiterin Verena Bieri in der gut gefüllten Aula Ennetgraben.

Die schlechte Nachricht schickte Gabriele Kaes vorneweg: «Ich habe kein Rezept.» Aber darum geht es auch nicht im Umgang mit Menschen mit Demenz. In ihrem 75-minütigen Referat schaffte sie es dafür, ihrem Publikum näherzubringen, wie sich Demente in bestimmten Situationen fühlen und wie man ihnen den Alltag angenehmer gestalten kann.

«Demenz geht uns alle an», stellte die Referentin klar. 28 Jahre ist es nun her, seit sie selber erstmals damit in Berührung kam. Als Berufsschullehrerin musste sie sich damals ins Thema einarbeiten und wälzte nicht nur Bücher, sondern fragte auch in einem Pflegezentrum nach, ob sie einige Tage mithelfen dürfe. «Die Erlebnisse gingen so tief, dass es mich nie mehr losgelassen hat», erinnert sie sich.

Heute engagiert sich Kaes in der Stabstelle Demenz der Alterszentren Stadt Zürich. «Die Begleitung von Menschen mit Demenz ist eine riesige Chance», sagt sie. «Mit ihrer Ehrlichkeit und Direktheit halten sie uns einen Spiegel vor.» Im Umgang gelte es, auf Spurensuche zu gehen und den betroffenen Mensch immer wieder anzunehmen. Dass man sich dabei auch zuweilen überfordert fühle, sei legitim, beruhigt sie. Umso wichtiger sei es, Unterstützung annehmen zu können.

«Menschen mit Demenz sind Zeitreisende»

Den Sammelbegriff Demenz definiert Gabriele Kaes als eine «Abnahme der kognitiven Fähigkeiten». Grösster Risikofaktor ist dabei das Alter, aber auch andere Faktoren wie Parkinson, Diabetes, Mangelernährung sowie ein Hirninfarkt oder ein Tumor können eine Rolle spielen. Als erste Symptome treten typischerweise Gedächtnisstörungen auf. «Das führt zu Reibereien im Umfeld: «Du hörst mir ja gar nicht zu.» Zuerst ist das Kurzzeitgedächtnis betroffen, danach dehnen sich die Lücken aufs Langzeitgedächtnis aus: die Erinnerungen an persönliche Erlebnisse, dann das Allgemeinwissen. Als Letztes bleibt das prozedurale Gedächtnis, also die Erinnerung an Bewegungsabläufe wie stricken oder Gemüse rüsten, ein Instrument spielen oder singen. Damit lassen sie sich auch bei fortgeschrittener Erkrankung noch abholen.

Typisch für Demenzerkrankungen ist, dass das Gedächtnis von hinten nach vorne verschwindet. «Menschen mit Demenz sind Zeitreisende», bringt es Gabriele Kaes auf den Punkt, «nicht verrückt, sondern zeitlich ver-rückt». Entsprechend fühlen sie sich jünger, als sie sind und haben Mühe, sich mit dem eigenen Spiegelbild zu identifizieren. Für Betroffene gilt deshalb: über die erlebbare Gegenwart sprechen oder aber über längst Vergangenes. «Das Zauberwort im Umgang mit Demenz lautet Entschleunigung», betonte die Referentin. Weiter empfiehlt sie Blickkontakt und gemeinsame Spaziergänge.

«Demenzbetroffene wissen sehr wohl, was da passiert»

Mit der Orientierung bekunden Demenzkranke schon bald Mühe. Später leidet das logische Denken, die Entscheidungskompetenz, es treten Sprachstörungen auf, dann Wahrnehmungs- und Bewegungsstörungen. «Die meisten demenzbetroffenen Menschen wissen sehr wohl, was da passiert», weiss Gabriele Kaes. Mögliche Folgen sind Ängste, Trauer und Scham, aber auch Reizbarkeit und Aggressivität oder Apathie. Wichtig sei es, die Betroffenen als erwachsene Menschen zu behandeln. Gegen verbale Missverständnisse helfen nonverbale Botschaften. Will heissen: Statt zu fordern, «Sie müssen mehr trinken!», bringt es vielleicht mehr, der Person zuzuprosten. Mit dem Thema Demenz seien ihre Mitarbeiter täglich gefordert, hatte Verena Bieri, Geschäftsleiterin Spitex Knonaueramt, in ihrer Begrüssung die Themenwahl begründet. Zum Abschluss des Abends setzte das interaktive Playbacktheater Bumerang Impulse aus dem Publikum auf der Bühne spontan in Szenen um – eine berührende Verbindung zum Alltag.

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