Mit 202 km/h im Üetlibergtunnel Massenkarambolage verursacht

Sie raste mit über 200 km/h durch den Üetlibergtunnel und verursachte eine Massenkarambolage mit mehreren Verletzten. Die 46-jährige Schweizerin, die nicht aus dem Säuliamt stammt, litt an einer psychischen Störung und ist schuldunfähig. Daran gibt es von Opferseite Zweifel.

Sieben Verletzte, schrottreife Autos: Verheerender Unfall einer Raserin im Üetlibergtunnel am 10. Mai 2015. Ist sie vollkommen schuldunfähig? Das soll nun vertieft abgeklärt werden. (Bild Tages-Anzeiger)
Sieben Verletzte, schrottreife Autos: Verheerender Unfall einer Raserin im Üetlibergtunnel am 10. Mai 2015. Ist sie vollkommen schuldunfähig? Das soll nun vertieft abgeklärt werden. (Bild Tages-Anzeiger)

Es war ein sonniger Muttertag im Mai 2015. Trotz hohen Verkehrsaufkommens donnerte die Frau mit ihrem Sportwagen mit bis zu 220 km/h über die Westumfahrung Richtung Zürich. Gemäss Staatsanwaltschaft hielt sie zu den vor ihr fahrenden Fahrzeugen Abstände von wenigen Metern ein, überholte mit übersetzter Geschwindigkeit mehrere Fahrzeuge rechts über die Normalspur sowie ein Fahrzeug links über die Tunnel-Ausbuchtung. Im Üetlibergtunnel, auf Stalliker Gemeindegebiet, kollidierte sie – in der Mitte der beiden Spuren fahrend – mit einer Geschwindigkeit von zirka 202 km/h mit einem rechts korrekt fahrenden Audi. Seitlich kam es zur Kollision mit einem Skoda, dann mit einem korrekt auf der Überholspur fahrenden Land Rover und schliesslich mit einem korrekt auf der Normalspur fahrenden Lancia.

Aus dieser Massenkarambolage resultierten sieben Verletzte im Alter von 5 bis 53 Jahren, die ins Spital überführt werden mussten. Zwei Personen zogen sich schwere Verletzungen zu. Das fünfjährige Mädchen erlitt ein schweres Schädel-Hirn-Trauma, dazu eine Hirnblutung und mehrere Schädelbrüche.

Bipolare affektive Störung

Gemäss Staatsanwaltschaft litt die Frau während ihrer verhängnisvollen Tempobolzerei an psychischen Problemen, laut Gutachten an einer bipolaren affektiven Störung – so sehr, dass ihre Einsichtsfähigkeit bei null lag. Für die Staatsanwaltschaft, welche die Einstellung des Verfahrens beantragt, ist die Frau in strafrechtlicher Hinsicht schuldunfähig. Statt einer Gefängnisstrafe sei eine ambulante Behandlung angezeigt; sie befindet sich derzeit in medikamentös-psychotherapeutischer Behandlung und ist ihren Führerausweis seit dem Unfall los. Immerhin soll die Frau laut Anklage für die Verfahrenskosten aufkommen, die sich bisher auf knapp 34 000 Franken belaufen.

In den psychischen Problemen der Frau liegt auch der Ausschluss der Öffentlichkeit von der Verhandlung begründet. Die Medien waren zugelassen. Sie müssen aber laut einer gerichtlichen Verfügung bei der Berichterstattung die Möglichkeit einer Identifizierung der Frau vollständig verhindern. Nur zwei Medienvertreter verfolgten den Fall, jene von «Tages-Anzeiger» und «Anzeiger».

Gutachten wird ergänzt

Das Bezirksgericht Affoltern fällte am Freitagnachmittag kein Urteil. Im Rahmen sogenannter Vorfragen äusserte der Rechtsvertreter einer vierköpfigen Opferfamilie Zweifel an einer vollständigen Schuldunfähigkeit der Raserin. Gab es schon vor Antritt der verhängnisvollen Fahrt Anzeichen einer manischen Episode? Hätte sie das beim Einsteigen erkennen müssen? Wie war also der Zustand, als sie in den Sportwagen stieg? Wie stand es mit der Schuldunfähigkeit beim Einsteigen? Wäre diese vermindert, so müsste man laut Anwalt von Fahrlässigkeit sprechen. Gemäss Gutachten hat sich die Frau auf dem Weg zu einer manischen Depression befunden, die dann während der Fahrt akut aufgetreten ist. War die Schuldunfähigkeit zu jedem Zeitpunkt aufgehoben und die Frau eventuell nur leicht schuldunfähig? Kann sich ein solcher Zustand während der Fahrt wandeln? Auch fehlte der Hinweis nicht, dass die Frau schon in früheren Jahren solcherlei Schübe beklagte. Diese endeten jedoch im Jahr 2002. Der Verteidiger beantragte die Sistierung der Verhandlung und ein zweites, ergänztes Gutachten, das detailliert Antwort liefern soll.

Auch für den die Verhandlung leitenden vollamtlichen Ersatzrichter Tobias Walthert gibt das Gutachten zu wenig Auskunft über die Frage, ob die Frau ihren Zustand hätte erkennen können oder müssen. Deshalb will das Bezirksgericht noch kein Urteil fällen, den komplexen Fall aber nicht an die Staatsanwaltschaft zurückweisen, sondern mit einem detaillierteren Gutachten das Beweisverfahren ergänzen. Erst danach wird die Gerichtsverhandlung fortgesetzt.

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