Alle Beteiligten haben verloren

Stiefvater wegen sexuellen Handlungen mit einem Kind verurteilt

Während des Prozesses vor dem Bezirksgericht Affoltern – der unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfand – erzählte der Beschuldigte aus seinem Leben. Der aus einer zerrütteten Familie stammende Mann hatte zeitlebens harte Schicksalsschläge zu verkraften, nie eine Vaterfigur im Leben gehabt und durch eine Häufung widriger Umstände keine Ausbildung abgeschlossen: «In meiner bewegten Jugend hatte ich wechselnde Sexualpartnerinnen und auch nach der Hochzeit hatte ich immer wieder Lust auf andere Frauen. Ich habe viel gebetet und gehofft, doch die Gedanken an andere Frauen sind nie verschwunden. Ich habe deshalb jahrelang mit riesigen Schuldgefühlen gelebt.»

Religiöse Gemeinschaft setzt Denken und Handeln gleich

Er hatte sich deshalb der Religion zugewandt und ist einer Freikirche beigetreten, die er mittlerweile verlassen hat: «Mir wurde immer wieder gesagt, dass der Gedanke an eine andere Frau genauso schlimm ist, wie mit einer anderen Frau Sex zu haben.» Jetzt sei er in psychologischer Behandlung und dies bringe viel mehr als die strikten Regeln und Verbote der Religion. Er wisse jetzt besser mit seiner Fantasie umzugehen und habe effektive Barrieren eingerichtet, die ihm helfen, seine Gedanken zu kontrollieren und sie auch nicht in die Tat umzusetzen. Der Therapeut sei die Vaterfigur, die er so lange gesucht habe. Er wolle unbedingt weiterhin in Behandlung bleiben. «Ich habe gelernt, dass es sehr wohl einen grossen Unterschied gibt zwischen Denken und Handeln», erklärte der Angeklagte.

Aufgeschlossener Arbeitgeber beschäftigt Beschuldigten weiter

Nach der Untersuchungshaft habe er dem Arbeitgeber von der Untersuchung gegen ihn erzählt. Dieser habe aufgeschlossen reagiert und ihn weiter beschäftigt, unter der Bedingung, dass er eine Therapie besuche. Das Geschäft gebe ihm sogar frei, damit er die Psychotherapie besuchen könne. Er arbeite momentan an zwei Arbeitsplätzen, um seine Steuerschulden abzubezahlen und für Frau, Kinder und sich aufkommen zu können. «Ich gebe mein Bestes und helfe so gut ich kann», erklärte der Beschuldigte und schloss: «Ich bin mir sehr bewusst, was ich getan habe. Ich fühle mich schuldig und es tut mir extrem leid. Und vor allem werde ich nie wieder etwas Vergleichbares tun.»

Bei der Befragung konnte der Beschuldigte nicht erklären, weshalb es ihn zu seiner Stieftochter hinzog, und nicht zu einer anderen, erwachsenen Frau.

Sexuelle Handlungen mittlerer Schwere

Die Staatsanwaltschaft stellte für die begangenen Verbrechen den Antrag auf zweieinhalb Jahre Freiheitsstrafe, wobei ein halbes Jahr zu vollziehen sei und die weiteren zwei Jahre auf eine Bewährung von vier Jahren ausgesetzt werden sollten. Zudem sei die Psychotherapie fortzusetzen.

Die Staatsanwaltschaft würdigte die Offenheit des Beschuldigten, die eine zweite Vernehmung der minderjährigen Geschädigten verhindert habe. Da es sich eher um einen Teenager als um ein Kleinkind handle und er sich nicht an der Geschädigten befriedigt habe, handle es sich um eine sexuelle Handlung mit Kindern mittlerer Schwere. Er sei jedoch geplant vorgegangen, weshalb es sich um erhebliches kriminelles Potenzial handle.

Ein liebevoller, verantwortungsbewusster Vater

Die Rechtsvertretung der minderjährigen Geschädigten forderte eine Genugtuung in der Höhe von 7000 Franken. Zudem solle der Angeklagte für die bisherigen und zukünftigen Kosten der therapeutischen Behandlung der Geschädigten aufkommen, die durch die sexuellen Handlungen verursacht worden seien. Die psychischen Folgen seien noch nicht abzuschätzen. Das Mädchen mache sich grosse Vorwürfe, dass die Familie nicht zerstört worden wäre, wenn sie sich nur stärker gewehrt hätte. Das Mädchen habe eine gute, nahe Beziehung zum Stiefvater gehabt. Deshalb sei sie durch Verlustangst zu Unterwerfung motiviert worden. Der Beschuldigte sei abgesehen von den sexuellen Handlungen immer ein verantwortungs- und liebevoller Stiefvater gewesen, weshalb die Geschädigte ihn sehr vermisse. Die Rechtsvertretung der Geschädigten plädierte gegen den Vollzug einer Gefängnisstrafe, da sich die Geschädigte nur noch mehr Vorwürfe machen würde, wenn die Geschwister ihren Vater nicht mehr sehen könnten: «Sie leidet schon genug unter der Trennung der Eltern und daran, dass sie ihren Stiefvater nicht mehr sehen darf.»

In flagranti beim Oralsex mit der Tochter erwischt

Die Rechtsvertretung der Mutter der Geschädigten forderte für ihre Mandantin eine Genugtuung von 5000 Franken und auch hier sollte der Beschuldigte die durch diese Vorfälle anfallenden Kosten für psychische Behandlungen tragen: «Als meine Mandantin den Beklagten beim Oralsex mit ihrer Tochter erwischte, sei für sie eine Welt zusammengebrochen.» Er sei ein guter Vater gewesen, weshalb ihre Tochter ihn sehr vermisse. Ihre Tochter könne nicht verstehen, was der Stiefvater Schlimmes gemacht habe, dass sie ihn nicht mehr sehen dürfe. Da die Familie der Geschädigten finanziell völlig vom Beklagten abhängig sei, sei es zudem nicht in ihrem Interesse, dass eine Freiheitsstrafe vollzogen werde und bei einem Arbeitspensum weit über 100 Prozent komme ein halboffener Vollzug nicht infrage: «Natürlich wünscht sich meine Mandantin eine harte Bestrafung für ihren Ehemann, aber nicht auf Kosten ihrer Existenz.»

Keine krankhafte Pädophilie

Der Verteidiger des Beklagten meinte, er wolle das Verhalten seines Mandanten nicht rechtfertigen. Er wolle, dass das Beste für alle aus einer schlimmen Situation gemacht werde. Durch die Mitgliedschaft in einer Freikirche habe sein Mandant gelernt, dass allein schon der Gedanke so schlimm sei wie die Tat. Deshalb habe er Tat und Gedanken als dasselbe wahrgenommen. Durch einen Vollzug einer Haftstrafe sei die Versorgungslage der Familie stark gefährdet. Sein Mandant sei schuldig und stehe zu seinen Taten. Trotzdem mache eine vollzogene Gefängnisstrafe bei seinem Mandanten keinen Sinn – gerade, da die Therapie grosse Fortschritte mache und sein Mandant alles gebe, um seinen finanziellen Verpflichtungen gegenüber seiner Familie nachzukommen. Bei seinem Mandanten handle es sich laut Gutachten seines Psychologen um Kompensations-Pädosexualität: ein einmaliges sich Hinreissenlassen zu einer sexuellen Handlung mit einem Kind, aufgrund der Gelegenheit und da das Kind selber an der Schwelle zur Pubertät stehe und nicht aufgrund einer krankhaften Pädophilie.

Der Beschuldigte anerkannte die Genugtuungsforderungen und die zukünftigen Schadenersatzforderungen vollumfänglich und bedingungslos an.

Abends ins Zimmer der Stieftochter begeben

Angeklagt war der vollumfänglich geständige Beschuldigte der mehrfachen sexuellen Handlung mit einem Kind. Über einen Monat hatte er sich seiner Stieftochter immer mehr genähert. Zuerst habe er ihr den Hintern gestreichelt, über den Kleidern, bei einer späteren Gelegenheit auch darunter. Dasselbe habe er auch bei der Scheide gemacht. Am Abend seiner Verhaftung hatte sich der Beschuldigte ins Zimmer seiner Stieftochter begeben, sie gestreichelt und schliesslich die Scheide geleckt. Dabei war er von der Mutter der Geschädigten überrascht worden. Diese hat sofort die Polizei gerufen, die den Beschuldigten festnahm.

24 Monate Freiheitsstrafe

Das Bezirksgericht Affoltern sprach den Angeklagten der mehrfachen sexuellen Handlung mit einem Kind schuldig, als Gelegenheitstat. Der Beschuldigte wurde zu 24 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt, die auf eine Bewährungszeit von vier Jahren ausgesetzt wurde – mit Verpflichtung zum Besuchen einer Psychotherapie «Der durch den Beschuldigten begangene Vertrauensmissbrauch war massiv und die sexuelle Selbstbestimmung der Stieftochter wurde durch das Lecken der Vulva massiv verletzt. Das haben wir als massiveres Verbrechen angesehen. Ihre bewegte Vergangenheit haben wir angeschaut, strafmildernd kann das aber nicht wirken. Ihre wahrheitsgetreue Aussage – Sie haben in der ersten Stunde, direkt nach der Verhaftung alle Tatbestände auf den Tisch gelegt – wirkt jedoch in erheblichem Masse strafmildernd. Sie haben umfassend gestanden, und zwar von Anfang an. Auch Ihre Bemühungen der Unterhaltspflicht nachzukommen wirken sich strafmildernd aus», erklärte das Gericht das Urteil. Die amtliche Verteidigung sowie die Gerichtskosten wurden beide dem Beschuldigten auferlegt.

Beschuldigter bedankt sich für die Verurteilung

Das Urteil ist erstinstanzlich. Der Beschuldigte könnte in Berufung gehen. Er meinte nach der Urteilsverkündung, dass er davon absehe und ergänzte: «Vielen Dank für das Urteil. Ich habe ein Verbrechen begangen, habe die Strafe verdient und werde nie wieder etwas Vergleichbares tun. Jetzt werde ich alles tun, um für meine Familie zu sorgen und, dass wir vielleicht wieder einmal eine richtige Familie werden.

Weitere Artikel zu «Bezirk Affoltern», die sie interessieren könnten

Bezirk Affoltern22.04.2024

Fusionieren oder eigenständig bleiben?

Gut besuchte Veranstaltung «Zukunft Maschwanden» mit Auslegeordnung und Lösungsansätzen
Bezirk Affoltern22.04.2024

Ohne Mikroben gäbe es uns nicht

Florianne Koechlin erzählte aus ihrem Buch «verwoben & verflochten»
Bezirk Affoltern22.04.2024

«Irgendwann sagte ich mir: Okay, Eveline, du brauchst jetzt wirklich Freunde!»

Eveline Furters Start ins Auslandsjahr in den USA verlief durchmischt – wie lautet ihr Fazit kurz vor der Heimreise?