Das Vertrauen der Knaben erschlichen und sie dann missbraucht

Verwerflich, perfid, egoistisch, mit grosser krimineller Energie begangen: So nannte Gerichtspräsident Stephan Aeschbacher die Taten des 51-jährigen Schweizers aus dem Bezirk Affoltern, der während 20 Jahren Knaben missbraucht hat. Dafür kassierte er vom Bezirksgericht Dietikon neun Jahre und vier Monate Gefängnis.

400 bis 500 Mal missbrauchte der Schweizer Knaben, die zur Tatzeit zwischen 5 und 15 Jahre alt waren. Er habe sich subtil an die Opfer herangemacht – an Kinder aus der Nachbarschaft, die oft aus problembeladenen Familie stammten. Er habe sich sozusagen als Ersatzvater angeboten, Unterstützung geleistet, sogar als Götti aufgetreten, den Kindern Geschenke verabreicht und sie mit Spielen, Video, TV und Essen geködert – auch als Cevileiter in einem Pfadiheim, hielt der Gerichtspräsident in seiner Urteilsbegründung fest. Damit habe er das Vertrauen der Eltern und der Kinder erschlichen, seine Opfer «umgarnt» und dann missbraucht. «Damit hat er ihnen und ihren Familien grosses seelisches Leid zugefügt, auch wenn er seinen Opfern keine Gewalt zugefügt und keine sadistischen Handlungen vorgenommen hat.», fügte Aeschbacher an. Zum Teil missbrauchte der Mann seine Opfer, während er mit ihnen Pornos schaute, mit ihnen kiffte und ihnen hochprozentigen Alkohol verabreichte.

Sedierung durch Gutachten erstellt

Vielen Opfern hat der Mann in einem Eistee das Schlafmittel Dormicum verabreicht, um zu verhindern, dass sie die sexuellen Handlungen mitbekommen. Nicht klar ist, in wie vielen Fällen das geschehen ist. Bewiesen ist das in 37 Fällen durch vom Täter angefertigte Ton- und Bildaufnahmen. Bei der Hausdurchsuchung wurden rund 5000 Video- und 30’000 Bilddateien beschlagnahmt – mit derben Inhalten, die dem Publikum erspart werden sollen, wie der Gerichtspräsident anfügte.

In der Hauptverhandlung vom 25. April (vgl. «Anzeiger» vom 28. April) zeigte sich der Täter weitgehend geständig – mit einer Ausnahme. Er bestritt, die Knaben mittels Schlafmittel sediert zu haben. In einem Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin wird das widerlegt. Gemäss Videoanalyse sei das Verhalten der Opfer «hochverdächtig auf eine tiefe Sedierung», weil sie regungslos und tief entspannt gewesen seien, hiess es vor Gericht. Dafür spricht auch der Umstand, dass der Mann seit Jahren im Besitz eines Dauerrezepts für Dormicum gewesen sei.

Der Gerichtspräsident sprach von einem perfiden, egoistischen und verwerflichen Vorgehen, von gravierendem Missbrauch des Vertrauens – und davon, dass er seinen Opfern und ihren Familien grosses seelisches Leid zugefügt habe. So wurde der im Bezirk Affoltern wohnhafte Mann wegen sexueller Nötigung, Schändung, sexuellen Handlungen mit Kindern, Pornografie, Verabreichung gesundheitsgefährdender Stoffe, Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz und wegen Verletzung der Geheim- und Privatsphäre durch Aufnahmegeräte verurteilt. «Neun Jahre und vier Monate Gefängnis und eine ambulante Massnahme während des Strafvollzugs sind angemessen», sagte der Gerichtspräsident. Damit blieb das Gericht unter dem Antrag der Staatsanwaltschaft, die 13 Jahre gefordert hatte. Die Differenz wird mit der teilweisen Verjährung von diversen sexuellen Handlungen und Nötigungen begründet. Auch beim Vorwurf der Pornografie trifft das zu – dort, wo es um das Herunterladen und Anschauen geht. Auch die Häufigkeit der Taten korrigierte das Gericht nach unten.

Kernpädophilie

Gemäss einem psychiatrischen Gutachten leidet der 51-jährige, stark rückfallgefährdete Mann an soge-nannter Kernpädophilie, die sich nicht durch eine Therapie korrigieren lässt.

Mit einer ambulanten Therapie während des Strafvollzugs soll nun erreicht werden, dass der Mann seine sexuellen Impulse kontrollieren kann – so, dass es künftig nicht mehr zu Übergriffen kommt. Scheitert diese Therapie, muss der Mann mit einer stationären Massnahme rechnen, die einer kleinen Verwahrung gleichkommt.

Seit rund 850 Tagen sitzt er im Gefängnis – derzeit in Sicherheitshaft. Diese dauert voraussichtlich bis im November 2017, bis zum effektiven Strafantritt. Weil das entsprechende Bundesgesetz erst seit 1. Januar 2015 in Kraft ist, konnte das Bezirksgericht Dietikon in diesem Fall kein Tätigkeitsverbot aussprechen. Die Genugtuungssumme, die den Opfern zugesprochen wurde, beläuft sich auf insgesamt rund 55’000 Franken.

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