«Gemeindepräsident muss alle Interessen im Auge behalten»

Seit dem 7. März amtet Frank Rutishauser als Bonstetter Gemeindepräsident. Die 100 Tage, die sich als Anlass zu einem ersten Zwischenfazit etabliert haben, hat er damit überschritten. Zeit für ein Interview mit ihm über seinen Rollenwechsel im Gemeinderat und seine Pläne für die Zukunft.

Frank Rutishauser vor dem Bonstetter Dorfbrunnen. (Bild Bernhard Schneider)
Frank Rutishauser vor dem Bonstetter Dorfbrunnen. (Bild Bernhard Schneider)

«Anzeiger»: Was haben Sie vom Amt des Gemeindepräsidenten erwartet, als Sie sich zur Kandidatur entschlossen haben?

Frank Rutishauser: Ich habe zwei Dinge erwartet. Erstens, dass ich die Ziele, die ich bereits als Finanzvorstand verfolgt habe, effektvoller weiterverfolgen kann. Zweitens, dass ich mehr beobachtet werde als ein anderes Gemeinderatsmitglied.

Und wie ist nun die Realität?

Ich kann noch nicht beurteilen, ob ich meine Politik wirklich effektvoller umsetzen kann. Dies wird sich wohl erst in der nächsten Legislaturperiode nach den Wahlen 2018 zeigen, denn die wichtigen Weichen wurden für dieses Jahr bereits vor meinem Amtsantritt gestellt. Ich arbeite bereits intensiv an der Aufgleisung von Projekten für die kommenden vier Jahre.

 

«Die Polemik überstieg im Wahlkampf zweifellos das übliche Mass.»

Und wie verhält es sich mit der höheren Beachtung?

Das ist tatsächlich so. Ich habe gleich nach meiner Wahl die ersten Briefe erhalten von Bürgerinnen und Bürgern, die ihre Erwartungen an mich formuliert haben. Auf der Strasse werde ich viel eher in ein Gespräch involviert, zu den verschiedensten Themen. Kürzlich hat mich beispielsweise eine Bonstetterin gebeten, dafür zu sorgen, dass im Friedhof öfters gejätet werde. Ich wurde aber beispielsweise auch schon auf Lärmemissionen in einer Gemeindeliegenschaft angesprochen. Als Finanzvorstand haben sich nie Leute mit ihren persönlichen Anliegen an mich gewandt.

Sie wurden nach einem heftigen Wahlkampf gewählt. War das vor allem Rhetorik – oder hat die Auseinandersetzung Wunden hinterlassen?

Zweifellos sind auf beiden Seiten Verletzungen entstanden. Die Polemik überstieg in diesem Wahlkampf zweifellos das übliche Mass, ich habe aber infolge meines Unfalls zu Beginn des Wahlkampfs vieles erst im Nachhinein mitgekriegt. Insofern ist bei mir persönlich nichts geblieben, das mich jetzt noch belasten würde.

Als Sieger lassen sich die Verletzungen leichter wegstecken. Wie gehen Sie mit den Verletzungen auf der Verliererseite um?

Ich habe von Beginn weg das Gespräch mit meinem Gegenkandidaten, Claude Wuillemin, gesucht. Was mich aber am Wahlkampf gestört hat, war, dass die Debatte nicht politisch war, sondern sich um Alter und Gesundheitszustand der Kandidaten oder um ihre Parteizugehörigkeit drehte. Aber was wir in dieser Gemeinde bewirken wollen, wurde nie thematisiert, zumal kein Podiumsgespräch stattgefunden hat. Natürlich sind im Wahlkampf alle teamfähig und befürworten ein sauberes Dorf und eine professionelle Verwaltung. Aber klare politische Aussagen haben gefehlt.

Bevor wir auf die politischen Ziele zurückkommen: Als Gemeinderat habe ich Sie – beispielsweise in der Funktion als Spitaldelegierten – als Flügelkämpfer wahrgenommen. An ihrer ersten Gemeindeversammlung, die sie als Präsident geleitet haben, empfand ich Sie dagegen als Moderator. Steht dahinter ein bewusster Rollenwechsel?

Dies ist ganz bewusst erfolgt. Ich bin zwar immer noch dieselbe Person mit demselben Charakter, aber ich habe jetzt eine andere Funktion. Als Gemeindepräsident muss ich alle Interessen im Auge behalten. Dazu darf ich nicht polarisieren, sondern muss alle Kräfte im Dorf ernst nehmen.

Die Legislatur dauert, wie Sie erwähnt haben, nur noch neun Monate. Welche Ziele verfolgen Sie noch in dieser Zeit?

Wir haben bereits einen Monat nach meinem Amtsantritt eine Gemeinderats-Klausur durchgeführt. Unser Ziel, zu einem Führungsgremium zusammenzuwachsen, wird leider ein wenig erschwert durch den Rücktritt von Patrick Vogel, denn jede personelle Änderung beeinflusst die Gruppendynamik. Wer auch immer im September zu seinem Nachfolger gewählt wird, muss bis zu den Neuwahlen dessen Ressort übernehmen. Das andere Hauptthema ist das neue Gemeindegesetz. Wir wollen noch in dieser Legislatur das Projekt der Anpassung der Gemeindeordnung an das neue Gesetz initialisieren, damit der 2018 gewählte Gemeinderat speditiv vorankommt.

«Ich behalte in der Strategie künftige Generationen im Auge.»

Zurück zu den politischen Unterschieden: Welche politischen Prioritäten setzen Sie anders als Claude Wuillemin?

Ich glaube, dass die Differenzen vor allem in meiner langfristigen Strategie liegen. Als Finanzvorstand fahre ich einen sehr sparsamen Kurs. Er geht gerne auf Wünsche der Bürger ein, während für mich langfristig gesunde Gemeindefinanzen Priorität haben gegenüber Ausgaben, die einzeln immer diskutabel sind, in der Summe aber die Gemeinde über Gebühr belasten. Ich behalte in der Strategie die künftigen Generationen im Auge und mache mich dabei kurzfristig manchmal unbeliebt. Dafür habe ich klarere Vorstellungen, wie Bonstetten 2025 aussieht.

Ist Bonstetten 2025 noch eine eigenständige Gemeinde?

Ich glaube, dass Bonstetten als die bezüglich Bevölkerungszahl zweitgrösste Gemeinde des Bezirks in zehn Jahren noch immer selbstständig sein wird, aber mit vielen Kooperationen. Wir sind nahe bei der Realisierung der Interkommunalen Anstalt Sozialdienst Unteramt. Zusammenarbeit ist auch im Bereich Steuern oder im Hoch- und Tiefbau unter Nachbargemeinden denkbar und sinnvoll. Tatsächlich ist eine Fusion der Gemeinden zwischen den Behörden noch kein Thema. Man müsste diesbezüglich wohl zuerst die Bevölkerung fragen, was sie davon hält.

Interview: Bernhard Schneider

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