Früher normal, heute ein ernst zu nehmendes Vergehen

Immer wieder werden im Knonauer Amt Kehricht und Grüngut unsachgemäss deponiert, früher war das legal

Illegal deponierter Hausmüll in einem Waldstück zwischen Zwillikon und Ottenbach. (Bild zvg.)

Illegal deponierter Hausmüll in einem Waldstück zwischen Zwillikon und Ottenbach. (Bild zvg.)

Zwischen 1986 und 1994 wurden 300000 Tonnen Säuliämtler Hauskehricht sowie Bauschutt in der Deponie Tambrig in Obfelden entsorgt, wo er bis heute vor sich hingärt. Der Abfall wird nun sortiert und, wenn im Winter Bedarf besteht, in Kehrichtverbrennungsanlagen verbrannt. (Bild sals)

Zwischen 1986 und 1994 wurden 300000 Tonnen Säuliämtler Hauskehricht sowie Bauschutt in der Deponie Tambrig in Obfelden entsorgt, wo er bis heute vor sich hingärt. Der Abfall wird nun sortiert und, wenn im Winter Bedarf besteht, in Kehrichtverbrennungsanlagen verbrannt. (Bild sals)

In den letzten drei Monaten wurde in Ottenbach dreimal und in Wettswil einmal die illegale Entsorgung von Kehricht bei der Kantonspolizei angezeigt. Der Abfall wurde dabei sichergestellt und die Polizei untersucht in solchen Fällen die Abfälle routinemässig nach Hinweisen auf die Fehlbaren. Denn der heutige Zeitgeist in der Schweiz zeigt wenig Verständnis für nicht fachgerechte Entsorgung und illegales Deponieren wird gesetzlich als Vergehen taxiert. Das war nicht immer so.

Alles wurde repariert

Vor 1950 gab es fast keine Abfälle. Der Grossteil der Geräte bestand bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts aus Holz, zusammengehalten von Holzdübeln. Nur vereinzelte Werkzeuge bestanden aus Metall, wie beispielsweise Hämmer und Messer. Im Zuge der Industrialisierung konnten metallische Gegenstände immer günstiger und in grösseren Mengen produziert werden und lösten langsam handgefertigte Schmiedewaren ab. So setzen sich maschinell gefertigte Stahlnägel und Beschläge gegen ihre handgefertigten Pendants durch und wurden massentauglich.

Weggeworfen wurde aber trotzdem fast nichts. Wenn ein Holzteil kaputt ging, wurde es ersetzt und das Holz zum Heizen verwendet. Kaputte Metallteile wurden gesammelt und zum erneuten Einschmelzen aufbewahrt. Mit Gummi aus Kautschuk kam zwar bereits im 19. Jahrhundert ein erster Kunststoff in die Schweiz, als Massenware setzte er sich aber erst in den 1950er-Jahren durch.

Auf der Müllhalde gespielt

Während des Wirtschaftswunders der 1950er-Jahre wurde Papier als Verpackungsmaterial langsam von Plastik abgelöst, wie auch Glas- durch Kunststoffflaschen. Und Plastik wurde weggeworfen. Werner Utz erinnert sich, wie die Abfallentsorgung damals in Bonstetten funktioniert hat: «Es ist jeweils einer mit Ochse und Wagen durchs Dorf gefahren und wir konnten alles aufgeladen, was wir nicht mehr benötigten. Dann wurde alles ins Moos gekarrt, wo es zwischen Masstrasse und Zürcherstrasse eine offene Müllgrube gab. Wir waren oft dort und haben Metall herausgeholt und Glaslaschen. Wenn wir ganz viel Glück hatten, fanden wir sogar einmal ein Fahrrad. Das Metall haben wir nach Affoltern zu einem Wiederverwertungsunternehmen gebracht und für die Flaschen haben wir das Depot kassiert. So haben wir unser Sackgeld verdient.» Für Werner Utz sind die Besuche auf der Müllhalde schöne Kindheitserinnerungen. Wenn heute Kinder auf Müllhalden in Medien gezeigt werden, geht es jedoch meistens um menschenunwürdige Zustände. Auch diesbezüglich hat sich die Mentalität in der Schweiz stark verändert.

Plastik und Papier wurden, als Werner Utz ein Kind war, noch nicht zurückgenommen. Sie blieben deshalb in der Deponie, mit Bauabfällen und Aushub. Deponien wie jene in Bonstetten gab es in fast jeder Bezirksgemeinde. Geschlossen wurden sie erst, nachdem 1968 die Kehrichtverbrennungsanlage Zwillikon ihren Betrieb aufnahm – sie war bis 1985 in Betrieb und wurde 2004 zurückgebaut. Nach der Schliessung wurde der Kehricht wieder offen in der Deponie Tambrig in Obfelden deponiert.

Gesetzgeber greift bei Abfall durch

Bis 1983 war der Umgang mit der Umwelt im Schweizer Gesetz nur rudimentär geregelt. Es gab zwar eine Regelung im Giftgesetz, wonach giftige Abfälle fachgerecht zu entsorgen seien, doch es bestand nicht immer eine gute Lösung und viele giftige Abfälle landeten weiterhin auf ungeordneten Deponien und beeinträchtigen teilweise auch das Grundwasser. Am 7. September 1983 trat das Bundesgesetz über den Umweltschutz in Kraft, das seither immer wieder ergänzt wurde. «Mit der Technischen Verordnung über Abfälle (TVA), welche 1990 in Kraft trat, wurde den unkontrollierten Deponien schweizweit konsequent ein Riegel geschoben. Zudem regelte sie, an welchen Standorten Deponien gebaut und unter welchen Bedingungen sie betrieben werden dürfen sowie wie sie zu überwachen sind», erläutert Elmar Kuhn vom Amt für Abfall, Wasser, Energie und Luft (Awel) des Kantons Zürich. Mit dem Umweltschutzgesetz wurde auch geregelt, dass Siedlungsabfälle kostendeckend entsorgt werden sollen. 1993 wurde deshalb im gesamten Bezirk Affoltern eine Kehrichtsackgebühr eingeführt. Elmar Kuhn erklärt: Gesamthaft wurde die Kehrichtsackgebühr in der deutschen Schweiz sehr gut aufgenommen. Das Awel hatte hierbei proaktiv informiert und der Einführungsprozess wurde intensiv begleitet. Vereinzelt kam es vor allem während der Einführungsphase der Sackgebühr allerdings zu Widerstand, da die Leute weiterhin unentgeltlich und dort deponieren wollten, wo sie es jahrzehntelang getan hatten.»

Im Wald deponierte Tropenpflanzen

Während in den 1990er-Jahren vereinzelte Bauern noch darauf bestanden, in ihrem Waldstück auch ihre Abfälle deponieren zu können, ist die korrekte Abfallentsorgung heute in weiten Teilen der Bevölkerung akzeptiert. Trotzdem kommt es immer wieder zu unerlaubtem Deponieren von Abfall im Wald. «Wer jemanden beim Deponieren von Abfällen in der Natur beobachtet, sollte sich das Kennzeichen notieren und die Polizei informieren», meint Elmar Kuhn. Er ergänzt: «Ein noch nicht im Bewusstsein der Bevölkerung angekommenes Problem ist das Deponieren von Grüngut in der Natur. Invasive gebietsfremde Pflanzen, sogenannte Neophyten, aus den Siedlungsgebieten können sich so unkontrolliert in unseren Breitengraden vermehren.» Bambus beispielsweise ist sehr resistent und verbreitet sich in Windeseile. Auch in Gärten ist wuchernder Bambus oft ein Problem. In Wäldern verdrängt er aber einheimische Arten, welche die Lebensgrundlage für zahlreiche Tiere darstellen. Vergleichbar verhält es sich auch mit weiteren Grünabfällen, welche im Wald deponiert werden.

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