Seewadel-Entscheid vertagt

1,75 Mio. Franken für die Projektierung des Seewadel-Neubaus. Das war die einzige Vorlage an der Gemeindeversammlung vom vergangenen Montagabend in Affoltern. Nach fast zwei Stunden fiel kein Entscheid.

So soll das Haus zum Seewadel künftig aussehen. (Visualisierung zvg.)
So soll das Haus zum Seewadel künftig aussehen. (Visualisierung zvg.)

Zwei Stimmen – bei 190 anwesenden Stimmberechtigten – waren es, die am Schluss den Ausschlag gaben, dass der Projektierungskredit über 1,75 Mio. Franken (noch) nicht genehmigt wurde. Stattdessen nimmt das Geschäft nun den Umweg über die Urne. Überhaupt gestaltete sich die Gemeindeversammlung vom vergangenen Montag in Affoltern wie ein Lehrstück in Sachen direkte Demokratie. «Abgesehen von der geheimen Abstimmung hatten wir alles», so Gemeindeschreiber Stefan Trottmann. Von der kontrovers geführten Diskussion über Rückweisungs- und Ordnungsantrag bis hin zum Antrag auf Urnenabstimmung handelte der fast zweistündige Versammlungsthriller im Kasinosaal.

Mit einem gemeinsamen Rückweisungsantrag von SP, EVP und Grünen hatte Stefan Gribi, Ortspräsident der Grünen, die Diskussion spektakulär lanciert. Man wolle erst die Abstimmung zur Bezirks-Langzeitpflege (LZP) im Sonnenberg abwarten, so der Grundtenor. Denn: Sollten dort die 40 Pflegeplätze wegfallen, würden die 60 bis 80 Plätze im Seewadel bei Weitem nicht mehr reichen. «Wir stimmen im falschen Moment ab», so die Schlussfolgerung von Gribi. Support erhielt er unter anderen von SVP-alt-Nationalrat Toni Bortoluzzi: «Wenn man jetzt 1,75 Mio. ausgibt und A sagt, ist man fast verpflichtet, auch B zu sagen.»

«Bei einem Auto würde man von einem Totalschaden sprechen»

Weiter abwarten sei ein «Spiel mit dem Feuer», widersprach Immobilienvorstand Hermann Brütsch. Die Ämtler Gemeinden könnten es sich gar nicht leisten, die LZP sterben zu lassen. Allerdings könne es zwei, drei, vier Jahre dauern, bis klar ist, wie es am Sonnenberg weitergeht. Er hatte zuvor auf den maroden Zustand des Heims hingewiesen: «Wenn das Seewadel dürfte, wie es wollte, es ginge selber in ein Intensivpflegeheim». Als Altersheim konzipiert, wurde das «Seewadel» 1974 eingeweiht. Später entwickelte es sich sukzessive zum Pflegeheim. Der grosse Sanierungsbedarf wurde bereits vor 16 Jahren erkannt, eine Sanierung 2010 verworfen. «Bei einem Auto würde man von einem Totalschaden sprechen», so Brütsch.

2011 trat die Gemeinde in Verhandlungen mit der Senevita. Die daraus entstandene Leistungsvereinbarung hatte beim Stimmvolk allerdings keine Chance. Bis zum Entschluss des Gemeinderats, selber zu bauen, sollten weitere drei Jahre vergehen. 2017 setzte sich im Architekturwettbewerb dann das Projekt «Papillon» der blgp Architekten AG durch. Es überzeugt mit einem kompakten Baukörper, ist gut strukturiert und vor allem die Anlieferung wurde optimal gelöst, so Brütsch.

Den «Seewadel-Geist» erhalten

Während die Planung mit kleinen Schritten voranging, entwickelte sich der Altbau allerdings mit deutlich grösseren Schritten zum Problem, zur «tickenden Zeitbombe», wie der Immobilienvorstand ausführte. So fielen seit 2011 eine Mio. Franken an Reparaturkosten an, die Stromkapazität ist am Limit und ein Wasserrohrbruch an der falschen Stelle könnte den ganzen Betrieb lahmlegen. Deshalb wollte der Gemeinderat keine Zeit verlieren. Im November 2019 sollte der Baukredit vors Volk – rund 22,5 Mio. Franken, ohne Möblierung und Kosten für die Übergangslösung während der Bauzeit. Baustart hätte dann im Sommer 2020 sein sollen, Bezug im Dezember 2022. Nach Möglichkeit soll verhindert werden, dass das bestehende Team auseinanderfällt. Es gelte, den einzigartigen «Seewadel-Geist» zu erhalten, so Brütsch.

In der Diskussion störte sich hier einer an der Höhe des Projektierungskredits, dort befürchtete ein anderer die Auswirkungen auf den Steuerfuss, eine Dritte schlug vor, das «Seewadel» sofort zu schliessen und für die Bewohner Übergangsplätze zu finden. Die SP anerkannte zwar den Handlungsbedarf, vermisste aber ein Gesamtkonzept. «Das Schiff ist am Sinken. Es ist fünf nach zwölf, nicht fünf vor zwölf», betonte Urs Eiholzer, Teamleiter Technischer Dienst im Seewadel, die Dringlichkeit. «Wir müssen vorwärtsmachen», stimmten verschiedene Votanten zu, enttäuscht von der breiten Opposition der Parteien. «Rückweisung heisst nicht Ablehnung», betonte Hans Läubli von den Grünen. Man wolle schlicht ein Konzept für den Fall, wenn die LZP nicht bestehen bleibt.

Antrag auf Urnenabstimmung

Mittels Ordnungsantrag sprach sich ein Votant nach rund anderthalb Stunden dafür aus, die Diskussion abzubrechen. Mit 103:67 Stimmen machten die Affoltemer klar, dass sie noch weitere Wortmeldungen zulassen wollten. Viele nutzten die Gelegenheit allerdings nicht mehr. Der Rückweisungsantrag wurde mit 80:90 Stimmen knapp abgelehnt, der Projektierungskredit dann mit 99:70 Stimmen angenommen. Ein Antrag auf Urnenabstimmung sollte das Resultat allerdings, wie eingangs erwähnt, noch nichtig machen. Dazu brauchte es ein Drittel der Versammlungsteilnehmenden, also 64 Stimmen. Mit 65 Ja-Stimmen wurde diese Schwelle hauchdünn übertroffen, der Projektierungskredit muss somit an die Urne.

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