Das Säuliamt als idealer Wirtschaftsraum

Am Mittwochabend interviewte Werner Schneiter im Kulturkeller LaMarotte die drei Unternehmer Martin Haab (di fair Milch), Marcel Strebel (Abfallhai) und Oliver Weisbrod (Seidenweberei Weisbrod Zürrer) über den Werdegang ihres Unternehmens und den Reiz des Wirtschaftsstandorts Säuliamt.

Moderator Werner Schneiter (2. v. li.) führte im LaMarotte gehaltvolle Interviews mit den Säuliämtler Unternehmern Oliver Weisbrod (links), Marcel Strebel und Martin Haab. (Bild Martin Platter)
Moderator Werner Schneiter (2. v. li.) führte im LaMarotte gehaltvolle Interviews mit den Säuliämtler Unternehmern Oliver Weisbrod (links), Marcel Strebel und Martin Haab. (Bild Martin Platter)

Nachdem die Besucher gediegen gespeist hatten – es gab hausgemachte Lasagne und Vanillepudding aus fairer Milch – begann der Abend im «LaMarotte» mit einem 90-sekündigen Imagefilm über «di fair Milch Säuliamt». 40 Milchbauern hatten sich letzten Herbst zur Genossenschaft verbündet, um gegen den schwindenden Ertrag aus der Milchwirtschaft anzukämpfen. 25 Rappen mehr pro Liter erhalten die teilnehmenden Bauern aus dem lokalen Verkauf ihrer Vollmilch, die im Laden Fr. 1.90 kostet. Das ergibt für die Produzenten einen Literpreis um 80 Rappen, was knapp die Unkosten zu decken vermag.

«Mir ist aufgefallen, dass der Bauernstand im Säuliamt sehr aktiv ist. Wer waren die Initianten von ‹di fair Milch›?», begann Werner Schneiter den Fragereigen. «Die aufmüpfigen Milchbauern haben sich schon vor 15 Jahren über die Milchpolitik geärgert, die den Produzenten immer weniger Ertrag pro Liter brachte», rekapitulierte Martin Haab. Das sei der Grund gewesen, weshalb man seinerzeit den European Milkboard gegründet habe. Die erste faire Milch sei schon vor Jahren in Österreich verkauft worden. Daraus habe sich ein Run entwickelt. Die beiden hiesigen Gesellschaftsgründer Werner Locher und Martin Haab waren überzeugt, dass dies auch in der Schweiz funktioniert. Haab: «Fast zehn Jahre haben wir mit unserer Idee bei den Grossverteilern erfolglos die Türklinken geputzt. Irgendwann war unsere Geduld am Ende.» Da man keine Investoren suchen, sondern bestehende Strukturen nutzen wollte, hat man sich auf die starke Landi im Bezirk besonnen. «Wie waren die Verhandlungen?» Haab: «Sehr kollegial. Ich denke, dass die Landi selber überrascht wurde vom grossen Erfolg.»

Zu Beginn von der Nachfrage überrascht

Landi-Albis-Geschäftsführer Armin Heller, der im Publikum sass, nickte beipflichtend und ergänzte: «Wir wurden in den ersten Tagen buchstäblich überrannt und hatten in der Anfangsphase Mühe, die richtigen Mengen abzuschätzen. Inzwischen hat sich das aber eingepegelt.» Die Leute seien gerne bereit, die 30 Rappen mehr pro Liter zu bezahlen. «Wir verkaufen inzwischen mehr als die doppelte Vollmilchmenge. Das hat uns auch neue Kunden gebracht», schloss Heller. Wie lange die Landi das Exklusivrecht noch behält, ob «di fair Milch» bald auch überregional erhältlich ist und ob neue Produkte wie Joghurt und Käse unter dem Fair-Label erhältlich sind, konnte Haab noch nicht sagen. Nur so viel: «Wir werden rund doppelt so viel Milch absetzen wie im Businessplan vorgesehen. Auf den Anteil je Betrieb heruntergerechnet, ist das jedoch ein kleiner Anteil. Pro Bauer sind das vielleicht 5000 Liter pro Jahr, was je nach Betriebsgrösse zwei bis fünf Prozent der gesamten Produktionsmenge ist.» Es gehe bei der Aktion weniger um den Profit als um den Symbolcharakter. «Wir konnten beweisen, dass die Leute nicht nur für faire Bananen und fairen Kaffee, sondern auf für faire Milch mehr zu zahlen bereit sind.» Es ist übrigens der höhere Fettgehalt, der die Milch so cremig und geschmackvoll macht. Die EU-Norm fordert bei der Vollmilch einen Fettgehalt von 3,5 Prozent. Da «di fair Milch» nicht standardisiert – also zuerst in ihre Einzelteile dividiert und dann wieder zusammengemischt wird – besitzt sie je nach Kuh und Fütterung den vollen Fettgehalt von 4 bis 4,5 Prozent.

Erfolg mit Abfall und Ideen

Nicht weniger spannend ist die Geschichte von Marcel Strebel, dem Chef der Anta Swiss AG. Im Sommer 2016 hat Strebel den Geschäftssitz von Rümlang ins Knonauer Hasental verlegt. «Weshalb?», wollte Werner Schneiter wissen. Strebel: «Ich wollte endlich auf der Sonnenseite der Üetliberg-Albiskette arbeiten.» Er kenne das Säuliamt seit 1992, seit er mit der Familie in Uttenberg einzog. Rümlang liege zwar in der Abflugschneise des Flughafens. «Im Säuliamt sind wir jedoch zentraler. Zudem habe ich jetzt zehn Stunden pro Woche mehr Zeit, weil ich nicht pendeln muss», freute sich Strebel. Die Begrüssung in Knonau sei überaus herzlich gewesen: «Wenn man Fussballtrainer ist und als Unternehmer 50 Arbeitsplätze in eine Gemeinde bringt, wird man immer mit offenen Armen empfangen.» Nach dem Werdegang des Unternehmens gefragt, sagte er: «Die Anta Swiss gibts schon seit 50 Jahren.» Strebel hat Maschinenmechaniker gelernt und ist 1981 in die Firma gekommen. 1997 ermöglichte ein Management-Buyout die Übernahme. «Dank der ZKB, die an die Firma und mich geglaubt hat», wie Strebel betonte. Interessant, wie es zur Entwicklung des «Abfallhai» gekommen ist; das Produkt, mit der die Firma weltweit Bekanntheit erlangte. Ein formschöner, robuster, runder, vandalensicherer Abfalleimer aus drei Millimeter dickem Chromstahl, den auch Apple designt haben könnte. Aber es war Werner Zemp, der die ersten Skizzen lieferte, nachdem die Stadt Zürich den Auftrag ausgeschrieben hatte. Für Strebel zunächst ein Aha-Erlebnis, denn die Anta Swiss hatte bisher nur viereckige Abfallkübel produziert. «Das Design ist im goldenen Schnitt gemacht. Es sieht immer gut aus, egal wo der Kübel steht», erklärte Strebel. Aber das Design habe nur ein Drittel ausgemacht. Die Nutzung in der Praxis – also Vandalensicherheit und leichte Handhabung beim Leeren – den Rest. Bei der Entwicklung ging Strebel pragmatisch vor: Er ging auf den Werkhof nach Rümlang und befragte die Angestellten. Anta Swiss erhielt den Zuschlag der Gatt-Ausschreibung – und wurde damit über Nacht berühmt. Strebel: «Zürich hat eine unglaubliche Ausstrahlung. Als wir gewonnen hatten, erhielten wir Anfragen aus der ganzen Welt.» Strebel begab sich auf Roadshows, zuerst alleine, dann mit einer Frau, die natürlich besser ankam bei den Werkhofangestellten. «Wir konnten unseren Umsatz anfangs jedes Jahr verdoppeln und sind inzwischen auf allen Kontinenten vertreten; am meisten jedoch in der «Dach»-Region» (Deutschland, Österreich, Schweiz). Wie erklärt er sich den Erfolg? Strebel: «In der Gesellschaft muss sich das Bewusstsein durchgesetzt haben, dass Abfall ein Werkstoff ist, den es zu sammeln gilt.» In China ist der Abfallhai übrigens als Kunstwerk geschützt.

Schweizer Seidenproduktion

Oliver Weisbrod ist 2001 zusammen mit seiner Frau Sabine bei Weisbrod Zürrer in Hausen eingetreten, als das Familienunternehmen gerade sein 175-Jahr-Jubiläum feierte. Die beiden studierten Biologen investierten Millionen in neue Fabrikationsanlagen und Produkte – bis zur Schliessung der Seidenweberei infolge des Frankenschocks 2012. Der Stoffhandel und die Weisbrod-Accessoires (u.a. edle Seidenschals und -krawatten) wurden beibehalten und der Rest des Fabrikgeländes für weitere Gewerbetreibende geöffnet. Oliver Weisbrod, seit Beginn Vorstandsmitglied von Swiss Silk, verfolgt aber noch eine andere Passion: die einheimische Seidenproduktion. «Wie ist es dazu gekommen?», fragte Werner Schneiter. Weisbrod: «Swiss Silk wurde von Landwirten und Unternehmern vor zehn Jahren gegründet. Wir waren von Anfang an dabei, da wir einst das grosse Ziel hatten, weiter in Hausen zu weben. Wir strebten Seidenprodukte an, die von A bis Z in der Schweiz hergestellt und verarbeitet sind.» Ueli Ramseier, ein Bauer im Seeland, war der Initiator der hiesigen Seidenproduktion. Weisbrod erinnert sich an die zu Beginn eher ernüchternde Erkenntnis: «Man hatte keine Ahnung mehr, wie Seide in der Schweiz hergestellt wird.» Auch die Branche war zunächst sehr skeptisch, ob das klappt. Im Emmental und im Luzernischen haben sich dann bisher 18 Bauern zusammengeschlossen und sichern sich so einen Nebenverdienst. «Im Säuliamt gibts leider noch niemand, der Raupen aufzüchtet», merkte Weisbrod an. «Was brauchts?» Man müsse in erster Linie die Begeisterung haben, denn nicht mal die speziellen Maulbeerbäume, deren Blätter die Seidenraupen fressen, sind subventioniert. «20000 Raupen sind eine Grossvieheinheit.» Weisbrods Vergleich löste Gelächter im «LaMarotte» aus. Es sei extrem schwierig, eine gleichbleibende Qualität bei den Cocoons zu erreichen. «Nur schon das brauchte rund sechs Jahre.» Dazu kommen Probleme mit Insektiziden wie Insegar von Syngenta. «Ein Nachbar von Ramseier spritzte wahrscheinlich ein Insektizid, worauf alle Raupen starben – aber niemand wusste zunächst weshalb.» 2010 habe man erste Produkte aus der in der Schweiz gezüchteten Seide hergestellt. Inzwischen gebe es drei Hauptabnehmer. Neben Weisbrod und Carpasus auch das Inneneinrichtungshaus Pfister, das Seidenvorhänge produziert. Wobei die Mengen an produzierter Schweizer Rohseide noch überschaubar seien; im Moment etwa 30 kg. Die Produktionskosten für den Rohstoff sind rund sechs bis achtmal höher als auf dem Welthandel, wo bereits für 40 Franken ein Kilo Rohseide erhältlich ist. Weisbrod: «Deshalb suchen wir Kunden, die nicht einfach eine Aufschlagkalkulation machen. Man muss bei der Kalkulation eine Differenzierung nach Kostenträgern vornehmen.» Realistisch gibt sich der Unternehmer auch bezüglich Absatz: «Der Schweizer Bonus für den höheren Preis verblasst mit zunehmender Verkaufsmenge.» Es wird deshalb nie mehr tonnenweise Schweizer Seide produziert, wie das früher noch der Fall war. Weisbrod verarbeitet drei bis fünf Kilo jährlich. Dass Swiss Silk den mit 40000 Franken dotierten Agropreis 2017 gewonnen hat, sei deshalb sehr wertvoll gewesen. Damit wurde eine automatische Abhaspel-Maschine gekauft. Sie erlaubt es, die Seide rationeller aus den Cocoons zu gewinnen.

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