Affolterns «Einkaufsmeile» ist belebt, aber nur tagsüber

Einst und jetzt (2): Die Obere Bahnhofstrasse im Bezirkshauptort

An Samstagen – hier vor Pfingsten – lebt die Obere Bahnhofstrasse in Affoltern auch dank des Wochenmarkts. Abends wirkt sie aber oft wie «ausgestorben», auch wochentags. <em>(Bild Werner Schneiter)</em>

An Samstagen – hier vor Pfingsten – lebt die Obere Bahnhofstrasse in Affoltern auch dank des Wochenmarkts. Abends wirkt sie aber oft wie «ausgestorben», auch wochentags. <em>(Bild Werner Schneiter)</em>

Er sorgte für Frequenz an der Oberen Bahnhofstrasse in Affoltern: Fritz Kobel, langjähriger Jelmoli-Chef. <em>(Bilder Archiv «Anzeiger»)</em>

Er sorgte für Frequenz an der Oberen Bahnhofstrasse in Affoltern: Fritz Kobel, langjähriger Jelmoli-Chef. <em>(Bilder Archiv «Anzeiger»)</em>

Einst Papeterie, dann Hort für Flüchtlinge und längst abgebrochen: Das Bosch-Gebäude.

Einst Papeterie, dann Hort für Flüchtlinge und längst abgebrochen: Das Bosch-Gebäude.

Vom ehemaligen Kasino neben dem Weiss-Medien-Haus steht heute nur noch der Kopfbau.

Vom ehemaligen Kasino neben dem Weiss-Medien-Haus steht heute nur noch der Kopfbau.

Symbolisch für eine gewisse Zeitspanne: Heruntergelassene Rollläden des Cafés Schmutz, heute Café Casino.

Symbolisch für eine gewisse Zeitspanne: Heruntergelassene Rollläden des Cafés Schmutz, heute Café Casino.

Die Obere Bahnhofstrasse galt in den 70er- und 80er-Jahren als «die Einkaufsmeile» des Bezirkshauptortes. Auf weniger als einem Kilometer reihte sich Geschäft an Geschäft. Der Detailhandel florierte. Da existierten etwa das Eisenwarengeschäft Niederer, die Papeterie Bosch, die Gärtnerei Strebel, die Drogerie Sidler, das Wullelädeli Gröbli, das Fotostudio Baumann (später Steiner), die Molkerei Aeberhard, Jelmoli, die Metzgerei Furrer (heute Weinhandlung Maurer), das Modegeschäft von Lucie Baer, Tabak Suess und die Apotheke Mosca. Nicht nur in Affoltern sind Detailhändler in den vergangenen Jahren von Grossverteilern verdrängt worden – eine Entwicklung, die sich mit dem Einzug von Hornbach fortsetzen dürfte.

Die Voba sorgt für Betrieb

Die Obere Bahnhofstrasse in Affoltern ist 2010 zur Begegnungszone geworden. Es gilt Tempo 20. Fussgänger und Velofahrende geniessen Vortritt. Im Vormarsch bewegen sich auch die Dienstleistungsgeschäfte. Nach einer Phase von Geschäftsschliessungen herrscht seit einigen Jahren wieder mehr Leben auf der «Einkaufsmeile» – und dazu trägt auch die Vereinigung Obere Bahnhofstrasse (Voba) bei. Von den rund 40 angeschlossenen Firmen sind allerdings nur wenige Personen aktiv. Aber diese investieren viel, um der Strasse mit Veranstaltungen Leben einzuhauchen: 21 Weihnachtsmärkte und 22 Chlausläufe gab es bisher. Dazu Events wie «Kunst auf der Strasse», «s’Gwärb uf de Strass», «Musig uf de Strass», «Heimat uf de Strass», «Fäscht uf de Strass» – so lauteten die Titel der bisherigen Veranstaltungen, die sich stets als Publikumsmagnete erwiesen haben.

Die Voba will solche Feste künftig nur noch alle zwei Jahre ausrichten – nicht nur, weil die viel Arbeit beinhaltende Organisation von wenigen gestemmt werden muss, sondern weil auch behördliche Vorschriften nicht gerade stimulierend wirken. Die Gemeinde hat wenig Gehör für neue Ideen; so bleibt zum Beispiel gerade der Märtplatz zwischen Kasino-Kopfbaute und Verwaltung unbenutzt und leer. «Von der Gemeinde erhalten wir einen jährlichen Sockelbeitrag von 3000 Franken für den «Chlausmärt». Seit drei Jahren muss die Voba jedoch bei diesem die gesamte Infrastruktur finanzieren, rund 2000 Franken», halten Voba-Präsidentin Barbara Roth und Mitorganisatorin Susanne Crimi fest.

Ein Warenhaus wie Jemoli fehlt

Leben gibt es entlang der Oberen Bahnhofstrasse aber auch dann, wenn keine Feste stattfinden. Allerdings nur tagsüber. «Es ist eine schöne Begegnungszone, aber wenn abends oder an Samstagen die Läden schliessen, wirkt die Strasse tot. Restaurants führen hier einen ständigen Kampf gegen die Intoleranz, Lärmklagen sind allgegenwärtig», sagen die beiden Voba-Exponentinnen. Eine Einschätzung, die von den befragten Geschäftsinhabern geteilt wird. «Für mich ist es sehr angenehm, in dieser Umgebung zu arbeiten, das ist man am Puls – auch Einkaufsmöglichkeiten gibt es genügend, und auch die Galerie am Märtplatz ist ein Gewinn. Aber tatsächlich: Nach 18.30 Uhr herrscht an der Oberen Bahnhofstrasse Funkstille», sagt Peter Leemann, Inhaber einer Marketing-Kommunikationsfirma an der Oberen Bahnhofstrasse.

Geöffnet ist abends neben der «Oldie-Bar» nur noch das «Roots». Für Leemann fehlt es an einem Magneten wie Jelmoli, wo es buchstäblich alles zu kaufen gab. Enttäuschend findet er auch die Piazza, die im Rahmen der Landi-Überbauung in unmittelbarer Nachbarschaft entstanden ist. Sie wirkt oft leer und ist von der Oberen Bahnhofstrasse her mit einem allgemeinen Fahrverbot bestückt – also auch für Veloverkehr gesperrt. Für die Begegnungszone hat der Marketingfachmann indessen nur Lob übrig: «Sie ist auch für ältere Menschen gut, weil flach und geteert – also auch mit einem Rollator zugänglich», hält er fest.

Für Werner Senn, Inhaber von Expert Senn an der Oberen Bahnhofstrasse 13 und seit über 20 Jahren vor Ort, ist die Parkplatzsituation nach der Realisierung der Begegnungszone besser geworden. Er findet die Lage nach wie vor gut, aber nach seiner Auffassung ist die Verlagerung ins Zentrum Oberdorf, zu Coop/Manor/ Jumbo unübersehbar. Werner Senn teilt die Meinung des im gleichen Haus arbeitenden Peter Leemann: «Das Warenhaus Jelmoli fehlt, und am Abend ist es still.»

Für Roman Peter, der seit 25 Jahren Tabakpfeifen herstellt und an der Oberen Bahnhofstrasse auch Zigarren und Whisky verkauft, hat die Strasse mit der Begegnungszone viel gewonnen – auch wegen der besseren Parkplatzsituation, die für ihn in früheren Jahren chaotisch war. Die Frequenz in seinem Geschäft ist allerdings nicht mehr so hoch, seit er keinen Kiosk mit Zeitschriften usw. mehr unterhält. Sein Kundenkreis ist – geografisch gesehen – ziemlich gross. Dieser besteht insbesondere aus Geniessern, die an Samstagen mit ihren Oldtimern oder alten Töffs aufkreuzen. Roman Peter hat als Pfeifenbauer Reputation erlangt – und ist deswegen schon im Schweizer Fernsehen aufgetreten.

Zu den Geschäften mit Reputation gehört auch die Bijouterie Huber GmbH an der Oberen Bahnhofstrasse 1, betrieben von Jörg Huber und dessen Sohn Philipp. Ein Geschäft mit über 50-jähriger Tradition und vielen Stammkunden, aber mit einer Lage eingangs Obere Bahnhofstrasse, die manchmal problematisch ist – hinsichtlich Parkierung. Bei Festen ist dort Wendeplatz, und der Parkplatz wird oft fremdbenutzt. Der Anstand der Fremdparkierer lasse manchmal zu wünschen übrig. Philipp Huber findet es gut, wenn die Strasse mit Veranstaltungen belebt wird. Er fragt sich aber, ob sich damit jener Effekt erzielen lässt, den sich die Organisatoren erhoffen.

Bisher erschienen: Vom Mehrgenerationenhaus zur modernsten Alterssiedlung – Wandel der Wohnformen in Obfelden («Anzeiger» vom 6. April).

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