Eine lebhafte Leistungsschau

Oberstufe Ennetgraben Affoltern: Ein Semester lang haben die Schülerinnen und Schüler der dritten Sekundarstufe an ihren Abschlussarbeiten gefeilt. Am Donnerstagabend, 7. Juni, waren die Familien eingeladen, um die Kunstwerke zu bestaunen.

Ylenia hat die letzten 100 Mode-Jahre in einem Buch beschrieben. Die 80er-Jahre haben es ihr am meisten angetan, weil es damals kaum Tabus gab.
Ylenia hat die letzten 100 Mode-Jahre in einem Buch beschrieben. Die 80er-Jahre haben es ihr am meisten angetan, weil es damals kaum Tabus gab.

Wenn der Firmenboss die Belegschaft mit einem Besuch beehrt, führt das bei den Mitarbeitenden meist zu einem Zwiespalt: Man weiss das Interesse zu schätzen, und doch ist deren Anwesenheit irgendwie beklemmend, weil ganz und gar ungewohnt. Ähnlich ist das, wenn Eltern in der Schule ihrer Kinder auftauchen.

So geschehen, kürzlich in der Oberstufe Ennetgraben in Affoltern. Dort hatten die Schülerinnen und Schüler der dritten Sekundarstufe ihre Abschlussarbeiten ausgestellt, um sie ihren Familien zu präsentieren. Nun warteten sie im gewohnten Umfeld mit ihren Kollegen, lässig distanziert, bis die Familie eintraf. Inmitten der ganzen Coolness liess der eine oder die andere den Blick unauffällig über die Besuchermenge gleiten. Sind die Eltern schon da? Werden sie noch kommen?

Ja. Es sind viele Angehörige da, als es um 18.30 Uhr losgeht. Und es gibt einiges zu sehen: Über 100 Arbeiten sind ausgestellt. Schnell zeigt sich, dass manche Jugendliche nicht nur fleissige Projektarbeiter, sondern auch charmante Gastgeber sind. Gerne führen sie die Besucher durch die Ausstellung, damit diese zwischen all den Projekten den Blick für das Wesentliche – also für das eigene Projekt – nicht verlieren.

Alessio hat einen Trainingsanzug genäht. Genauso wie seine drei Kumpels, hinter denen an der Sprossenwand die fertigen Kapuzenpullover hängen. Einem der jungen Modeschöpfer ist ein Nähfehler passiert, den seine drei Kumpels nun unablässig kommentieren. Nur widerwillig zeigt er seinen Pulli. Die Modebranche ist halt eine eitle Zunft. Nähen die vier so gerne? «Nein, nicht so sehr. Aber wir ziehen uns gerne modisch an.»

Ähnlich pragmatisch hält es Elid. Weil er gern Fleisch isst und gern grilliert, hat er einen Holzkohlegrill gebaut. Wie viele Stunden er daran gearbeitet hat, weiss er nicht mehr. Nur so viel: «Ich habe langsam vorwärtsgemacht.» Warum? «Damit ich nicht zu früh fertig bin.» Als Freund des eher trockenen Humors entpuppt sich auch Elia. Er hatte eine Wohnzimmerlampe aus PET-Flaschen gebastelt. Auf die Frage, wie er vorgegangen sei, antwortet er: «Nach Plan.» Logisch, oder?

Jugendliche Frechheiten

Inzwischen erklärt Altin an einem anderen Stand, wie sein 3-D-Drucker funktioniert. Er hatte sich einen Bausatz gekauft und die Teile mithilfe seines zukünftigen Lehrmeisters zusammengebaut. Eine Weltkugel und ein Zifferblatt aus PLA Filament hat er bereits damit gedruckt, die Besucherinnen und Besucher sind beeindruckt. Genauso begeistert vom Werk seines Kumpels ist Ardi. «Siiie, wenn das nöd i dä Ziitig chunnt, dänn chumi go reklamiere», kündigt er vorlaut an, um seinen Frechheiten sogleich ein bisschen Charme folgen zu lassen: «Aber ich vertrau Ihne». Für die Jungs scheint diese Ausstellung eine Art Leistungsschau zu sein. Sie wollen bewertet werden. Und die Höchstnote ist offenbar ein Foto in der Zeitung.

Zeit, sich den Mädels zuzuwenden. Sie haben mindestens genauso beeindruckende Projekte zu zeigen, bewerben sie einfach viel zurückhaltender. Ylenia hat sich mit der Geschichte der Mode beschäftigt. Sie hat jede Epoche der letzten hundert Jahre sorgfältig beschrieben, mit Fotos illustriert, und das Ganze zu einem Buch binden lassen. Welche Epochen gefallen ihr am besten? «Die 50er- und die 80er-Jahre». Warum die 80er? «Weil jeder so sein konnte, wie er wollte.»

Etwas Handwerkliches wollte hingegen Bianca kreieren. Ursprünglich hatte sie einen Fernsehtisch aus Kirschbaumholz geplant. Zwar ist das Projekt gescheitert, aber Bianca wusste sich zu helfen: Aus dem selben Holz sind verschiedene Küchenbrettchen entstanden. In die Oberfläche hat sie Mandala-Muster eingebrannt.

Larissa wiederum hat eine Vorliebe für Parfüms. Als Abschlussarbeit kreierte sie ihren eigenen Duft. Das allerdings stellte sich als ziemlich anspruchsvoll heraus. Ein Lavendelduft ist ihr zwar gelungen, allerdings sei der Geruch «schon ein bisschen gewöhnungsbedürftig». Würde sie ihn im Alltag tragen? «Eher nicht», da setzt sie lieber auf «Lady Million» und die Duftpalette von Christina Aguilera.

Inzwischen ist Ardi, der 3-D-Drucker-Lobbyist, zurück. Und sein draufgängerischer Charme ebenfalls. «Siiie, ebe: Wenn min Kolleg nöd i dä Ziitig chunnt, dänn hät das Konsequenze», lässt er wissen, und richtet den Zeigfinger auf einen wie Uncle Sam auf dem Werbeplakat. Erfrischend unverschämt, der Junge.

Treibende Gedanken, ein Renntöffli und ein Hotel

Alle Schülerinnen und Schüler haben zu ihrem Abschlussprojekt eine schriftliche Arbeit verfasst. Manuels Projekt trägt den Namen «Floating Thoughts», treibende Gedanken also. Wie ist es dem leidenschaftlichen Denker während der Arbeit ergangen? Etwas harzig, wie in seiner Dokumentation zu lesen ist: «Ich wollte natürlich nichts Normales machen (...). Aber mir wurde schnell klar, dass ich mit einem Budget von 50 Franken wohl kaum mein Mofa restaurieren könnte (...). Und die meisten anderen meiner relativ ausgefallenen Ideen stellten sich entweder als ebenfalls nicht realisierbar oder als unklug dar.» Schlussendlich kreierte Manuel einen Pullover.

Draussen ist auch Serainas Endprodukt ausgestellt. Sie hat ein Insektenhotel gebaut. Das Gerüst ist aus Holz, gefüllt mit Brennholz-Scheiten, Tannzapfen oder Holzschnitzeln. Als Gäste soll es nicht nur Marienkäfer Schmetterlinge und Wildbienen anziehen, auch auf Florfliegen und Igel ist ihre Residenz ausgerichtet.

Zum Schluss zeigt Ardi sein Projekt. Im Internet hat er für 300 Franken ein Puch Maxi S gekauft und umgebaut. Auspuff, Federn, Luftfilter, Vergaser, Gabeln, Lenker: alles neu und ein bisschen lässiger. Aber auch ein bisschen illegal. Also nichts für Schweizer Strassen. «Ich weiss. Es ist für die Rennstrecke gedacht.» Und die ist wo? «Im Kosovo.» Im Sommer wird er es dorthin mitnehmen.

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