«Am liebsten fahre ich Bultaco»

Mettmenstetter Edi Müller restauriert und sammelt Renntöffs mit wenig Hubraum

Edi Müller auf einer Minarelli 50 cm in St. Wendel, Deutschland. <em>(Archivbilder zvg.)</em>

Edi Müller auf einer Minarelli 50 cm in St. Wendel, Deutschland. <em>(Archivbilder zvg.)</em>

Auf seine Bridgestone ist Edi Müller besonders stolz. Sie flitzte einst über den berühmten Speedway von Daytona. Weltweit existieren nur noch zehn bis 15 Exemplare. <em>(Bild Thomas Stöckli)</em>

Auf seine Bridgestone ist Edi Müller besonders stolz. Sie flitzte einst über den berühmten Speedway von Daytona. Weltweit existieren nur noch zehn bis 15 Exemplare. <em>(Bild Thomas Stöckli)</em>

Die 1970er Bultaco fuhr Edi Müller letztes Jahr am Michaelskreuzrennen.

Die 1970er Bultaco fuhr Edi Müller letztes Jahr am Michaelskreuzrennen.

In seiner Werkstatt widmet sich Edi Müller grad einer 1971er Bultaco. nach jedem Rennen wird die eingesetzte Maschine durchgecheckt, jede einzelne Schraube nachgezogen. Für seine Sammlung hat er sich eine spannende Nische ausgesucht: Renntöffs mit wenig Hubraum aus den Jahren 1967 bis 1971. Just in dieser Phase wurden viele europäische Marken durch die zuverlässigeren und weniger wartungsintensiven Konkurrenzprodukte aus Fernost verdrängt. Besonders angetan haben es ihm die spanischen Motorräder. «Die Spanier haben mal Töffs gebaut?!», hört er oft, wenn das Thema zur Sprache kommt. Entsprechend rar sind seine Schätze. «Am liebsten fahre ich Bultaco», so Müller. Den damaligen Importeur, inzwischen 78 Jahre alt, kennt er persönlich. «Der hat mir immer geholfen, wenn ich Teile suchte.»

Lambretta-Roller des Vaters

Begonnen hat die Faszination für motorisierte Zweiräder mit der Lambretta seines Vaters. Dieser war Gemeindeweibel in Mettmenstetten und weil er kein Auto hatte, führte er seine Botengänge in der weitläufigen Gemeinde mit dem Roller aus. «Am freien Mittwochnachmittag durften wir mit», erinnert sich Edi Müller. Als Jugendlicher fuhr erst sein vier Jahre älterer Bruder, später er selber die Lambretta in die Aussenweiler Herferswil, Rossau und Dachlissen, der Vater verteilte die Couverts.

Die Freude am Herumschrauben hat Müller als 14-, 15-Jähriger entdeckt: Wie es damals gang und gäbe war, frisierte er mit den Kollegen sein Töffli. Mit 70 km/h wurde es aus dem Verkehr gezogen – und fortan im Polizeimuseum ausgestellt. Später haben ihn der Bruder und der Schwager auf Touren mit ihren grossen Töffs mitgenommen. Mit 18 Jahren machte er dann seine erste eigene Maschine «zwäg»: Eine Moto Morini. Den nächstgrösseren Töff übernahm er vom Bruder, zahlreiche weitere sollten folgen.

Gespann für Familien-Ausfahrten

Mit 21 Jahren begann Edi Müller mit dem Enduro-Sport. Diesseits der Landesgrenzen fanden damals noch kaum Rennen statt, so musste er nach Süddeutschland, ins Elsass oder nach Norditalien ausweichen. Gern gesehene Gäste waren er und seine Motorrad-Kollegen an Regentagen auf dem Wildspitz: Als Einzige sorgten sie bei unwirtlichen Bedingungen für etwas Umsatz in der Gastwirtschaft.

1977 beendete Müller seine Enduro-Karriere. Aufs Töfffahren verzichtete er allerdings auch in der folgenden Familien- und Karriere-Phase nicht ganz. Für die Ausfahrten mit den Kindern musste nun halt ein Moto-Guzzi-Gespann her. Die Leidenschaft fürs Töfffahren haben beide Söhne geerbt, mit Oldtimern können sie allerdings wenig anfangen – sehr zum Leidwesen ihres Vaters, des Sammlers. Seine Leidenschaft ist bis heute geblieben und macht ihm nach wie vor Spass. In den letzten 15 Jahren habe er sein Hobby sogar noch intensiviert, verrät er und lächelt. An den monatlichen Treffs des Vereins Freunde alter Motorräder (FAM) Schweiz knüpfte er Kontakte zu Kollegen aus der Szene.

Mit dem Kleinbus an die Rennstrecke

Seit zehn Jahren bestreitet Müller auch Rundstecken- und Bergrennen. Das hat sein Netzwerk auch aufs nahe Ausland ausgeweitet. Im Elsass trifft er die Franzosen und Deutschen, sowie einige Belgier und Luxenburger, nach Deutschland kommen auch die Tschechen und Ungaren. Die meisten bringen ihre Motorräder wie der Mettmenstetter im Kleinbus mit, den sie dann auch gleich als Schlafgelegenheit nutzen – wie die grossen Vorbilder vor 40, bald 50 Jahren. Am Abend sitzen sie zusammen, sprechen über Gott und die Welt – und natürlich über Motorräder. Der Austausch hilft, zu neuen Projekten zu kommen. In der Szene ist längst bekannt, für welche Maschinen sich der Mettmenstetter interessiert.

«Wenn man etwas ‹zwägmacht›, denkt man ans Fahren», stellt Müller klar. Auf öffentlichen Strassen sieht man ihn als Töfffahrer allerdings nicht mehr. Nicht nur, weil sich die meisten seiner Renntöffs gar nicht einlösen liessen: «Auf den Strassen hat es mir zu viel Verkehr», sagt er. Lieber ist ihm die Rennstrecke, auf der sich die Piloten gegenseitig respektieren und alle in dieselbe Richtung fahren. «Klar gibt es auch hier Dumme, die nicht wissen, dass man kein Geld verdienen kann», sagt er, «sondern höchstens verlieren, wenn man jemanden abschiesst.» So lässt er sich im Zweifelsfall lieber mal überholen, statt einen Positionskampf mit jemandem einzugehen, den er nicht kennt. Entsprechend halten sich auch die Stürze in Grenzen. Einmal habe ihn ein Töff kopfvoran abgeworfen, weil der Motor festgegangen sei, ein anderes Mal habe er sich in einer Kurve verschätzt.

Bijoux der Motorrad-Rennsportgeschichte

16 Motorräder hat Edi Müller bereits «zwäg» gemacht. Daraus ein Highlight herauszupicken gestaltet sich schwierig. Rar sind sie alle, seine Maschinen – und schön sowieso. «Ich fahre nur mit schönen Töffs», stellt der Mettmenstetter klar. Das sei er dem Publikum schuldig. Erwähnt sei ein 188-cm-Motorrad von Bridgestone mit Drehschieber-Motor, das im legendären Daytona im Renn-Einsatz stand. Oder ein Einzelstück aus Holland, hergestellt für Rennfahrer Jan Eggens, mit einem Sachs-Motor, der auf Wasserkühlung aufgerüstet wurde.

Fünf weitere Maschinen stehen für die kommenden Winter bereit. Darunter die Geländemaschine, die er selber in jungen Jahren wettkampfmässig gefahren hat. «Davon gibt es nur noch zwei in der Schweiz», weiss Müller. Den passenden Sachs-Motor hat er sich aus Portugal bringen lassen. Teilweise dauert es über fünf Jahre, bis aus einer Kiste mit Einzelteilen, in der erfahrungsgemäss jeweils einiges fehlt – ein Bijou der Motorrad-Rennsportgeschichte wieder aufersteht. Je nachdem stecken 150 bis 300 Stunden Arbeit drin. Die Zeit für sein teures Hobby nimmt er sich gerne. «Ich bin nicht so der Beizengänger», sagt er.

Weiter wachsen soll die Sammlung allerdings nicht mehr: Im Gegenteil: «Ich brauche Platz», sagt Müller. Von vier seiner Schätze musste er sich deshalb bereits trennen. Einige weitere sollen folgen. Sofort Platz schaffen würde er für eine holländische Van Veen mit 50 cm Kreidler-Motor. Bei einer Leistung von 21 PS sind damit Spitzengeschwindigkeiten bis 210 km/h möglich. «Auf dem Hockenheimring erleben, wie das bei 19’000 Touren tut, das würde mich schon reizen», sagt er – wohl wissend, dass diese besonderen Renntöffs für rund 22000 Franken gehandelt werden.

Weitere Artikel zu «Bezirk Affoltern», die sie interessieren könnten

Bezirk Affoltern25.04.2024

Fusionspläne bei Landi-Genossenschaften

Landi Albis, Obfelden und Freiamt künftig gemeinsam?
Bezirk Affoltern25.04.2024

Schneedruck macht den Kulturen zu schaffen

Raps, Gerste und Obst leiden unter dem anhaltenden Wintereinbruch
Bezirk Affoltern25.04.2024

Veloweg wird nun doch gebaut

Zwischen Uerzlikon und Rossau: Einigung zwischen der Besitzerfamilie und dem Kanton