Zu viel Lärm, zu wenig Begegnung

Seit dem 6. Juli liegt der Entwurf des Gestaltungsplans für das Postareal in Obfelden öffentlich auf. Das Resultat begeistert nicht alle. Sechs Obfelderinnen und Obfelder haben nun eine Arbeitsgruppe gegründet und rufen zu Einwendungen an den Gemeinderat auf.

Die Mitglieder der Arbeitsgruppe «Platz frei für Begegnungen auf dem Postareal» (v.l.): Heidi Hollenweger, Heiner Stolz, Helena Heuberger, Hansjörg Schneebeli und Uschi Schneebeli. Nicht im Bild: Martin Heusser.<em> (Bild Livia Häberling) </em>

Die Mitglieder der Arbeitsgruppe «Platz frei für Begegnungen auf dem Postareal» (v.l.): Heidi Hollenweger, Heiner Stolz, Helena Heuberger, Hansjörg Schneebeli und Uschi Schneebeli. Nicht im Bild: Martin Heusser.<em> (Bild Livia Häberling) </em>

In der Mitte des Platzes sollen 40 Parkplätze entstehen. Rechts davon (symbolisiert mit fünf Bäumen) bleibt Platz für die Begegnungszone mit Gartenrestaurant. Daran grenzt die Bushaltestelle Toussen an. <em>(Grafik zvg.)</em>

In der Mitte des Platzes sollen 40 Parkplätze entstehen. Rechts davon (symbolisiert mit fünf Bäumen) bleibt Platz für die Begegnungszone mit Gartenrestaurant. Daran grenzt die Bushaltestelle Toussen an. <em>(Grafik zvg.)</em>

«Die Verwirklichung einer Begegnungszone im weitläufigen Obfelden wird wohl immer ein Traum bleiben.» Diese Worte zitierte der damalige Bauvorsteher Ernst Portmann an der Gemeindeversammlung vom 4. Juni 2012. An jenem Abend stimmte die Obfelder Bevölkerung über die zukünftige Nutzung des Postareals ab. Ein Initiativkomitee wollte die Ladenfläche auf 400 m beschränken und in der Zentrumszone Wohnraum für Jung und Alt schaffen. «Wir wollen nicht noch mehr Land sinnlos zupflastern», so Komiteemitglied Hansjörg Schneebeli damals. Schlussendlich stimmte die Gemeindeversammlung dem Gegenvorschlag des Gemeinderats zu und setzte eine Gestaltungsplanpflicht für das Postareal fest. Diese sah mitunter die Schaffung einer Zentrumszone vor.

Seither wurde viel diskutiert, beraten und verhandelt. Trotz Workshops und unzähliger Sitzungen schienen die vier Grundeigentümer auf keinen gemeinsamen Nenner zu kommen. Sechs Jahre sind vergangen – und Obfelden wartet noch immer auf ein Dorfzentrum.

40 oberirdische Parkplätze – mitten auf dem Areal

Ein Entwurf des Gestaltungsplans liegt inzwischen vor und wurde am 3. Juli der Bevölkerung präsentiert. Ende 2017 hatten die Grundeigentümer einen Zusammenarbeitsvertrag unterzeichnet, seither war in erneuten Workshops und unter Einbezug von Fachleuten eine Lösung entstanden. An der Informationsveranstaltung zeigte sich Bauvorstand Stephan Hinners erfreut darüber, dass die blockierte Situation nun gelöst sei und bekräftigte, er könne den vorliegenden Entwurf zu 100 Prozent stützen.

Auf wenig Gegenliebe stossen die Pläne bei Hansjörg Schneebeli. Aus seiner Sicht wird das Areal nun trotz anderweitiger Versprechen sinnlos zugepflastert: «Von einer attraktiven Begegnungszone sind wir weit entfernt», so der Obfelder Landwirt. Ebenfalls wenig begeistert waren Helena Heuberger und Martin Heusser. Auf ihre Initiative ist die Arbeitsgruppe «Platz frei für Begegnungen auf dem Postareal» entstanden, der auch Schneebeli angehört.

Ein besonderer Dorn im Auge sind dem sechsköpfigen Trüppchen die 40 oberirdischen Parkplätze, welche in der Mitte des Areals entstehen sollen. «Die Begegnungszone sollte ursprünglich das Herzstück des Areals werden. Jetzt ist sie direkt zwischen den Migros-Parkplätzen, der Bushaltestelle und der Zu- und Wegfahrt auf die Dorfstrasse angesiedelt», ärgert sich Helena Heuberger. Die Quartierbewohnerinnen und -bewohner würden sich wohl kaum in dieser «Lärm-Oase» treffen wollen, so ihre Befürchtungen. Stephan Hinners teilt diese Ansicht nicht: «Die heutigen Dorfrestaurants liegen allesamt direkt an der Strasse», erklärt er. Die Begegnungszone grenze bewusst an die Dorfstrasse an, das mache sie – und auch ein allfälliges Restaurant – besser sichtbar, als wenn sie im Innern des Areals versteckt sei.

«Die Interessen der Bevölkerung ungenügend vertreten»

Für die Arbeitsgruppe steht fest, dass mit den Parkplätzen auch das ersehnte Dorflokal in weite Ferne rückt: «Welcher Restaurantbetreiber ist bereit, zwischen «Parkplatz, regem Ein- und Ausfahrtsverkehr und der lauten Dorfstrasse ein Lokal mit Aussensitzplätzen zu betreiben?», so Helena Heuberger. Die Arbeitsgruppe ist der Meinung, der Gemeinderat habe sich bei den anderen Grundeigentümern zu wenig für die Interessen der Bevölkerung eingesetzt. Stephan Hinners entgegnet: «Die geplante Begegnungszone hat die Grösse der Doppelturnhalle Zendenfrei. Wenn man bedenkt, dass sie komplett auf fremdem Grundeigentum liegt, darf man diese Lösung als guten Kompromiss bezeichnen.»

Gemeinde und Migros: Verfahren vor Bundesgericht

Bekanntlich drängt die Migros seit Längerem auf den Baustart in Obfelden. Im «Anzeiger» vom 22. Februar 2017 erklärte Heinz Fankhauser, Leiter Expansion bei der Migros Genossenschaft Zürich, man analysiere die Situation und lote aus, was in rechtlicher Sicht möglich sei. Mittlerweile hat die Migros bei der Gemeinde Obfelden die Absicht geäussert, ein Baugesuch für einen Regelbau einzureichen. Dabei vertrat sie die Ansicht, die dreijährige Frist, für welche die Gestaltungsplanpflicht gilt, sei längst verstrichen. Nach Ablauf der Frist dürfte die Migros auf ihrer Parzelle bauen, ohne sich mit den anderen Grundeigentümern einigen zu müssen. Dem Stimmvolk entginge dadurch das Recht, die Gestaltung des Postareals abzusegnen, obwohl es sich an der Gemeindeversammlung vom 4. Juni hierfür ausgesprochen hatte. Das Verwaltungsgericht gab der Migros im Frühling 2018 Recht, aktuell ist das Geschäft am Bundesgericht pendent.

Die Gemeinde Obfelden hat mit der Migros Genossenschaft inzwischen ein Stillhalteabkommen vereinbart. Will heissen: Die Migros stellt ihre Pläne für den Regelbau vorerst zugunsten einer Gesamtlösung zurück. Kommt diese nicht zustande, baut sie auf eigene Faust. Für die Mitglieder der Arbeitsgruppe ist klar, dass die Gemeinde unter Druck steht. Sollte der gemeinsame Gestaltungsplan scheitern, seien sechs Jahre verstrichen und abertausende Franken im Nichts verpufft. Stephan Hinners dementiert, dass man sich gegenüber der Migros aufgrund des laufenden Verfahrens nachgiebig gezeigt habe: «Die Parkplätze wurden nicht ausschliesslich der Migros zugesprochen.» Sollte die Poststelle im Dorf bleiben, bräuchten auch diese Kunden Parkplätze. Gleiches treffe bei einem allfälligen Restaurant zu, so Hinners weiter. Auch Heinz Fankhauser bezeichnet die jetzige Lösung als vernünftigen Kompromiss. «Die Migros hat erhebliche Abstriche zugunsten einer Gesamtlösung gemacht», erklärt er. So habe das ursprüngliche Konzept eine Ladenfläche von 900 Quadratmetern vorgesehen. Inzwischen sei man bei noch 500 Quadratmetern angelangt. Bei den Parkmöglichkeiten habe man jedoch keine Kompromisse eingehen können, weil das geplante «Voi»-Konzept nur mit oberirdischen Parkplätzen funktioniere.

Für Stephan Hinners ist der Entwurf ein Erfolg: «Mit dem jetzigen Gestaltungsplan ist uns endlich ein Durchbruch gelungen, der die äusserst unterschiedlichen Interessen der Eigentümer unter einen Hut bringt. Dass dabei gewisse Abstriche von der einstigen Idealvorstellung nötig sind, liegt in der Natur der Sache.»

«Ohne den Hauch einer baulichen Vision»

Für Heiner Stolz, ebenfalls Mitglied der Arbeitsgruppe, ist klar: Die Parkplätze mitten im Zentrum sind nicht die einzige Schwäche dieses Gestaltungsplans. «Aufgrund der Parkplatzdiskussion geht beinahe vergessen, dass das Projekt insgesamt miserabel ist.» Es habe nicht den Hauch einer baulichen Vision, vielmehr handle es sich um fantasielose «Klötzliarchitektur» ohne jeden Charme. Alleine schon durch die geplanten Flachdächer, die von den Giebeldächern rundherum abweichen.

Damals, an der Gemeindeversammlung vom 4. Juni 2012, habe vieles noch anders getönt: «Die Rede war von einem verkehrsfreien, attraktiven Zentrumsplatz, von einer zentralen Einstellhalle im UG und einer begrenzten Anzahl Parkplätzen für Kurzparker. Ausserdem sprach man davon, das Dorfrestaurant Kreuzstrasse erhalten zu können.» Mit dem aktuellen Entwurf erwiesen sich all diese Punkte als leere Versprechen, so Heiner Stolz weiter.

Die Auflagefrist läuft noch bis 3. September

Der Entwurf des Gestaltungsplans liegt noch bis 3. September öffentlich auf. Geplant ist, dass die Obfelder Stimmberechtigten an der Gemeindeversammlung vom 5. Dezember 2018 darüber abstimmen können. Für die Arbeitsgruppe ist die Vorlage in der aktuellen Fassung keine tragbare Option, deshalb hat sie vor ein paar Tagen ein Rundmail an Freunde und Bekannte geschickt. Darin wird dazu aufgefordert, der Gemeinde schriftliche Einwendungen zum geplanten Gestaltungsplan zuzusenden.

«Ein Ohr voll nehmen von diesem idyllischen Ort»

Am 15. August, von 16 bis 19.30 Uhr, lädt die Arbeitsgruppe zu einer «Vorpremiere des Gartenrestaurants Dorfstrasse» ein. Diese findet genau dort statt, wo gemäss Entwurf des Gestaltungsplans ein späteres Gartenrestaurant angedacht wäre. Auf dem Parkplatz neben dem Restaurant Kreuzstrasse seien alle Interessierten eingeladen, «eine Nase und ein Ohr voll von diesem idyllischen Platz zu nehmen», so die Arbeitsgruppe mit bitterer Ironie.

Bei Grilladen und Getränken wolle man mit der Bevölkerung ins Gespräch kommen und über den Entwurf diskutieren. Ziel der Veranstaltung sei, mit den Mitbürgerinnen und Mitbürgern zum Gestaltungsplan ins Gespräch zu kommen, solange der Entwurf noch nicht genehmigt sei.

Gemäss Stephan Hinners sind Anpassungen am Gestaltungsplan nach Ablauf der Frist zur öffentlichen Auflage grundsätzlich noch möglich. Das Ziel sei, den Gestaltungsplan im Dezember dem Stimmvolk vorzulegen. Sollte der Umfang oder die Art der Anpassungswünsche die Termineinhaltung nicht zulassen, sei eine ausserordentliche Gemeindeversammlung denkbar, so Hinners. Er hat seine Teilnahme am Anlass der Arbeitsgruppe bereits bestätigt und wird am 15. August für Fragen und Diskussionen vor Ort zur Verfügung stehen.

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