«Ein Kampf im Garten gibt nur einen Krampf im Garten»

Viele Pflanzen haben diesen Sommer unter den anhaltend heissen Temperaturen gelitten. Was können wir tun, um ihnen ein optimales Umfeld zu bieten, damit sie künftig auch mit weniger Wasser auskommen können? Ein Augenschein in einem Säuliämter Garten über den Garten mit Zukunft mit drei jungen Fachpersonen

Dürrer Rasen im Vordergrund, üppige Vegetation verschiedener Pflanzen im Kräuterbord. <em>(Bild ch)</em>
Dürrer Rasen im Vordergrund, üppige Vegetation verschiedener Pflanzen im Kräuterbord. <em>(Bild ch)</em>

Strohige Rasenflecken, die Hortensien sehen aus, als ob sie seit Jahren als Trockenblumen verstaubten, das Bangen, ob die Früchte ausreifen würden und dürre Blätter und Äste an gestressten Bäumen – statt Oase der Erholung wurde der trockene Garten diesen Sommer oft auch zum Stressfaktor für den Menschen. Sparte man das knappe Wasser, wie die Behörden rieten, versetzte man den Pflanzen vielleicht den Todesstoss, goss man sie trotzdem, fühlte man sich als Verschwender. Auch irritierte es, dass Gemüsebauern das kostbare Nass hingegen, dank Sonderbewilligungen der Gemeinden, direkt aus der Reuss abzweigen konnten, obschon sie laut Medienberichten diesen Sommer, bis zu 60% ihrer Ernte wieder unterackern, weil sie nicht normgemäss gewachsen ist oder weil gerade eine Überproduktion herrschte, wie das Beispiel der Tomatenschwemme zeigte. Wie aber soll denn der Garten künftig aussehen, wenn die trockenen Sommer die Regel werden? Ist es gescheiter, gar kein Gemüse anzubauen und alles beim Grossverteiler zu kaufen? Ist es sinnvoll, statt Äpfel und Birnen auf Zitronen und Feigen zu setzen?

Gartengrenzen existieren bei Pflanzen nicht

Isabelle Blum, dipl. Umwelt-Naturwissenschaftlerin ETH, lächelt, als ich bei der Ottenbacher Gartenbegehung erkläre: «Bis hierher geht unser Garten und da fängt die Landschaftsschutzzone an.» Sie sagt: «Es ist eine typische Irrmeinung, dass der Garten und die Zone ausserhalb abgegrenzt sind. Alles ist miteinander verbunden, Pflanzen halten sich nicht an Gartengrenzen, sie kommunizieren insbesondere über ihr Wurzelsystem mit ihrer Umwelt.» Wir stehen auf dem Rasen mit seinen gelben verdorrten Flecken und den vielen (Un)-kräutern, die sich ungehemmt ausbreiten. «Apropos Unkräuter – die Natur hält den jeweiligen Standort offenbar für den richtigen, das sollte uns zu denken geben», meint Sebastian Wagener, Baumschulist EFZ. Mein mit Braunellen, Günsel, Klee, Thymian und anderem durchsetzter Rasen gefällt ihm offensichtlich gar nicht so schlecht. «Es hilft halt nicht viel, die aufkommenden Wildpflanzen zu jäten und jetzt Rasensamen nachzusäen, die Natur schliesst die Lücken schon selber.» Ich schlucke und sage nicht, dass ich das bereits getan habe und mit mir offenbar zig andere Rasenbesitzer auch. Die drei Paletten in der Landi in Obfelden waren fast leer. «Ein englischer Rasen ist halt nichts Natürliches», betont Isabelle Blum, denn diese mit Kunstdünger überdüngte Erfindung der Briten, lässt kein reiches Bodenleben zu und benötigt sehr viel Wasser und Pflege. «Ein Rasen kann auch mit darin wachsenden Kräutern und Blumen genutzt und naturnah gepflegt werden. Somit ist er widerstandsfähiger und die Pflanzen können mit Trockenheit besser umgehen als ein monotoner englischer Rasen», sagt Dominique Schmuki, der Landschaftsgärtner des Trios «wivena», das sich zur Aufgabe gemacht hat, die natürlichen Kreisläufe im Garten zu fördern.

Das vielfältige Bodenleben ist entscheidend

«Der Boden ist die Grundlage überhaupt», führt Isabelle Blum aus. Ein nahrhafter Gartenboden habe ein ausgewogenes Verhältnis von Luft, Wasser, Nährstoffen und Bodenorganismen. Sei dieses Zusammenspiel aus dem Gleichgewicht, könne das Pflanzen stressen, das Immunsystem würde geschwächt und sie seien anfällig für Krankheiten und übermässigen Frass durch Insekten! «Eine sinnvolle Mischkultur und ein bedeckter Boden sind das A und O gesunder Erde, so kommt der Boden auch mit weniger Wasser aus.», ergänzt Dominique Schmuki. «Vergessen Sie auch ganze Rosenbeete, lieber eine Rose als Solitärpflanze mit Günsel oder Purpurklee statt Lavendel als Bodenbegrünung, sie kommt erst noch besser zur Geltung», führt Isabelle Blum aus. «Wichtig ist auch, dass Pflanzen standortgerecht gepflanzt werden, so können sie mit allfälligem Stress besser umgehen.»

Zitronen statt Äpfel?

«Sicher nicht!» Die drei Fachleute sind sich einig. Zitronenplantagen auf Sizilien benötigen sehr viel Wasser, das zeigt sich ja auch an den Früchten, die prall mit Saft sind, das geht nur mit intensiver Bewässerung. Der Apfel hat also nicht ausgedient, noch besser eine alte Apfelsorte, damit die Sortenvielfalt belebt wird. Die Stiftung ProSpecieRara bietet hier hervorragende Unterstützung. Ein widerstandsfähiges Ökosystem benötigt Vielfalt, in der Fachsprache Biodiversität, die Vielfalt von Lebensräumen, Arten und Genen.

Handlungsbedarf im öffentlichen Raum

Die drei Naturfachleute finden, dass es auch in den Säuliämter Gemeinden noch viel Handlungsbedarf gibt, um die Biodiversität zu fördern. «Der Kreisel in Affoltern, der mit Nistkästen für Wildbienen bestückt ist, ist zwar gut gemeint, aber eine Todesfalle wegen der Autos», meint Dominique Schmuki. Auch dass die Honigbienen (Nutztiere!) immer öfter in oder nahe an die Naturschutzzonen gebracht würden, sei ein Unsinn. Damit würden sie den wichtigen Wildbienen und anderen Bestäubern die ohnehin knappe Nahrung streitig machen. Und Isabelle Blum, die zurzeit einen CAS Natur im Siedlungsraum besucht, ergänzt: «Das Bewusstsein für Biodiversität ist in den Städten oft geschärfter als auf dem Land, weil unter anderem der Freiraum für die Natur begrenzter ist. Gut wäre, wenn die Regiebetriebe in den Dörfern noch besser auf einheimische Pflanzen und naturnahe Pflege geschult würden.» Die Schulungsangebote für Werkhofmitarbeiter und Entscheidungsträger, wie sie ‹Pusch›, Praktischer Umweltschutz Schweiz, in Zusammenarbeit mit Pro Amt Anfang November in Affoltern anbieten («Anzeiger» vom 2.10.18) begrüssen die drei deshalb sehr und hoffen, dass das Angebot genutzt wird.

Gartendesign hat auch Platzim naturnahen Garten

Welche Gärtnerin will nicht auch ihren Garten gestalten? Ihr eigenes Sissinghurst oder Villandry. Aber bringt man denn Grandezza mit unscheinbaren einheimischen Pflanzen in den eigenen Garten? «Selbstverständlich», entgegnet Isabelle Blum und zählt gleich eine Liste von «herrlichen Blumen» auf, die sich wunderbar inszenieren liessen: Blutweiderich, Malven, Mädesüss, Engelwurz, Alant, Nelken. Und Sebastian Wagener ergänzt mit den ersten Frühlingsboten, die man jetzt noch pflanzen kann, wie Wildtulpen, Traubenhyazinthen, Schneeglöckchen, heimische weisse Gartennarzissen.

«Unbedingt selber gärtnern und das mit Lust und Freude, natürlich auch Gemüse, aber in Mischkulturen», davon sind Isabelle Blum, Dominique Schmuki und Sebastian Wagener überzeugt. «Aber bitte mehr schauen, beobachten, verstehen!» Sich joggend die Natur reinzuziehen sei ja gut und recht, aber wenn man die Natur verstehen wolle, müsse man sich Zeit nehmen, sagen die jungen Gartenexperten. «Weniger tun, insbesondere ‹aufräumen›, mehr mit den natürlichen Kreisläufen handeln. «Ein Kampf im Garten gibt nur einen Krampf im Garten.» Eigentlich ganz einfach, oder nicht?

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