«Stadtharmonie» ganz ohne «Hemmige»

Ansteckende Musizierfreude der Harmonie Affoltern am Jahreskonzert vom 3. und 4. November im Kasinosaal

So viele Musiker, dass der Vorhang nicht mehr betätigt werden konnte und es auf dem Bild nicht für alle Platz hatte. (Bild Christine Häusermann)
So viele Musiker, dass der Vorhang nicht mehr betätigt werden konnte und es auf dem Bild nicht für alle Platz hatte. (Bild Christine Häusermann)

Nehmen wir es gleich vorweg: Der Feger des Abends war die Zugabe «Hemmige» – der Mani-Matter-Klassiker, arrangiert von Mario Bürki mit Soli für Saxofon, Euphonium und Trompete. Nach dem lyrischen Melodieauftakt, fängt das Stück an zu swingen. Die Harmonie Affoltern trumpfte nochmals gekonnt auf, zog alle Register, behielt den Drive bis zum Schluss und die Begeisterung schwappte aufs Publikum über. Neben den erwähnten Soli war es auch ein dankbares Stück für den versierten Schlagzeuger Urs Schneebeli, der sich meist eher zurückhalten muss. Hier durfte er zeigen, was er aus seinen «Kübeln» herausholen kann.

Die Harmonie bot viel und das Angebot fand Anklang. Um sieben Uhr war der Kasinosaal bereits gut gefüllt. Die Menüs spiegelten das Musikprogramm «ein Schweizer Bouquet für jeden Geschmack», wie sich Präsidentin Patricia Gmür später in ihrer Ansprache äusserte. Das ist denn auch einer der wenigen Punkte, die man bemängeln könnte. Für jeden Geschmack hiess: Älplermagrone, Ghackets und Hörnli, rote T-Shirts und Sennechutteli – das Klischee Schweiz wurde arg strapaziert und verlieh auch den zartesten Figuren ein behäbiges Bergpuurli-Image, das so gar nicht zur gespielten Musik passte. Man hätte den Look ruhig der Ländlerkappelle «Glück im Stall» überlassen können, die bereits zum Znacht aufspielte. Manchen kann es nicht genug Musik haben, die Tischgespräche wurden erschwert, dafür aber stimmten die urchigen Klänge lüpfig auf den musikalischen Abend ein.

Nostalgische Schlager und eingängige Popsongs

Mit dem Stück «A salute from Lucerne» von Christoph Walter, einem bekannten zeitgenössischen Schweizer Komponisten, der an diesem Abend noch einige Male zum Zuge kam, eröffnete die Harmonie ihr Konzert. Eine gute Wahl, die Musik klingt verheissungsvoll, es werden buchstäblich alle Register gezogen, man ist gespannt, wie es weitergeht. Mit der, die alle kannte und die alle im Sack hatte, auch an diesem Abend: «…elle connaît trois cent mille soldats et tous les officiers…» – mit Mademoiselle National «Gilberte de Courgenay», bei der das Publikum mitsingen durfte. Die Texte lagen auf den Tischen auf.

La petite wurde dann von Mr. Steve Lee und «em Polo» abgelöst. Man reibt sich immer wieder die Augen, wie diese modernen Popsongs oft abfallen und monoton, ja langweilig wirken, wenn sie von Orchestern gespielt werden. Offenbar ist einfach zu wenig dran oder eben «dä Dräck» fehlt, könnte man mit Songwriter Chris von Rohr, der das Stück «Heaven» geschrieben hat, festhalten. Allerdings kam dieser Eindruck bei den modernen Stücken im zweiten Teil nicht auf. «Up in the Sky» und «Campari Soda» mit gefühlvoll vorgetragenen Soli der S-Alt-Saxofonistin Patricia Oberle und dem Posaunisten Urs Gmür waren interessantere Darbietungen, die alle Musiker forderten.

Mit dem Orchestervirus infizieren

Bei den beiden Stücken «Heaven» und «Alperose» hatten auch sechs junge Neumusikerinnen und -musiker das erste Mal einen Orchesterauftritt. Sie wurden mit einem motivierenden Applaus bedacht, nachdem Conférencier und Tubist Felix Schertenleib, das Publikum an ihre Premiere erinnert hatte. Überhaupt führte dieser sehr angenehm, mit Witz, aber unangestrengt und ohne überspannt auf die Tube zu drücken, durch das Programm.

Auch Dirigent Martin Schiesser überzeugte. Er wirkte äusserst präsent, nah an den Musikern, die seine klare Körpersprache – notabene sein Instrument – gut umsetzen konnten. Und er zeigte viel Drive, genau den brauchte es auch beim «Klarinettenteufel», einem Stück von Carlo Brunner. Hier eilte Solist Marco Frick durch die Noten, als ob eben der Leibhaftige hinter ihm her wäre. Vielleicht musste er als «Überlebensstrategie» auch da und dort ein paar Noten überhüpfen.

Präzis, harmonisch und klangvoll

Neben den obligaten Märschen, von denen «Marignan» von Jean Daetwyler natürlich das Paradepferd war und auch sehr gekonnt und schmissig mit präzisen Trompeten intoniert wurde, zeigte die Harmonie Affoltern insbesondere mit den beiden Stücken «Schweizer Mosaik» von Markus Götz und «The Glacier Express» von Larry Neek, dass sie auch die anspruchsvolle Literatur beherrscht und dem Attribut «guter Zweitklassverein» gerecht wird. Das Flötenregister beeindruckte durch grosse Harmonie, die tiefen Instrumente durch den vollen Klang.

Dirigent Martin Schiesser war denn am Schluss des Konzertes auch zufrieden mit der Leistung der Harmonie: «Alles in allem war es eine runde Leistung. Bei ‹Campari Soda› haben wir uns etwas unter Wert verkauft, das Stück ist sehr schwierig arrangiert.» Auch Präsidentin Patricia Gmür meinte: «Es lief super.»

Bei diesem Jahreskonzert konnte man zum Fan der Harmonie werden. Sie zeigte, dass Affoltern bereits ein würdiges Stadtorchester hat, dabei aber volksnah und sympathisch rüberkommt, zum Beispiel als die Präsidentin das langjährige Mitglied Martin Schertenleib nach 46 Jahren Harmonie Affoltern berührend verabschiedete. Gerne merkt man sich deshalb das Datum vom 19. bis 21. Juni 2020, an dem der Verein seinen 100. Geburtstag feiern wird und den Musiktag Amt und Limmattal in Affoltern ausrichten wird.

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