Glückwunsch, Herr Bitzer!

Ein ganzes Jahrhundert hat der gebürtige Zwilliker Ernst Bitzer im Säuliamt verbracht. Der «Anzeiger» hat den Jubilar besucht. Und war erstaunt.

Er lebt, und lebt – und lebt: Ernst Bitzer wurde am 11. Januar 1919 geboren. Am vergangenen Freitag wurde er 100 Jahre alt.<em> (Bild lhä)</em>
Er lebt, und lebt – und lebt: Ernst Bitzer wurde am 11. Januar 1919 geboren. Am vergangenen Freitag wurde er 100 Jahre alt.<em> (Bild lhä)</em>

Alle sind an diesem späten Samstagnachmittag bereit fürs Interview – nur der Star fehlt. Herr Bitzer ist im Nebenzimmer, und als Tochter Brigitte Martinet ihn ruft, fragt er ganz bescheiden: «Jä, bruuchts mich au?» So ganz geheuer scheint ihm die Aufregung nicht zu sein. Am Tag zuvor durfte er seinen 100. Geburtstag feiern. Seine vier erwachsenen Kinder hatten ihn zum Essen ausgeführt, und Hedingens Gemeindepräsident Ruedi Fornaro überbrachte dem ältesten Dorfbewohner einen Blumenstrauss. Warum ausgerechnet er so alt geworden sei? Das wisse er selber nicht so recht, meint Herr Bitzer etwas ratlos.

«Interessiert Sie das überhaupt?»

Es sind die Anekdoten, die daran erinnern, dass das Vis-à-vis aus einer anderen Zeit stammt. Wenn Herr Bitzer erzählt, dass zu seiner Jugendzeit in Zwillikon nur der Fabrikdirektor und der Metzgermeister Autos besassen. Dass er sein Haus in Hedingen vor 65 Jahren gebaut hat. Und dass er seit 35 Jahren pensioniert ist. Blendet man die Jahreszahlen aus, würde man nicht denken, dass dieser Mann schon ein ganzes Jahrhundert durchlebt hat.

Eigentlich gehe es ihm wunderbar. Im Rücken, da sei seit ein paar Jahren nicht mehr alles so tiptop. «Aber», fragt er, «interessiert Sie das überhaupt?» Herr Bitzer möchte nicht langweilen. Also gut: Im Rücken zwicke es ihn. Aber das sei nicht verwunderlich. Schliesslich werde der Mensch im Alter kleiner, knapp acht Zentimeter seien es bei ihm. Der Flüssigkeitsgehalt im Körper nehme ab, die Bandscheiben verlören an Elastizität. Im fünften Lendenwirbel habe ihm eine kleine Geschwulst auf den Ischias-Nerv gedrückt. Grauenhaft, diese Schmerzen! Ohne Morphium kaum auszuhalten. Alles klar. Erster Gedanke: nach dem Beruf fragen! Bald stellt sich heraus: Herr Bitzer war nicht etwa im medizinischen Bereich tätig. Er weiss einfach gut Bescheid.

Herr Bitzer war von Beruf Möbelschreiner. Ein leidenschaftlicher, wie sich bald zeigt: Innerhalb der Holzverarbeitung, die eine kleine Wissenschaft sei, müsse man unterscheiden: zwischen Wagner und Zimmermann, Bauschreiner – und eben, dem Möbelschreiner. «Jä aber… interessiert Sie das würkli?» Also gut: Nach seiner Lehre als Möbelschreiner, so erzählt Herr Bitzer, habe er die Ausbildung zum Polierer angehängt und später in Hedingen in der Schreinerei Girardi gearbeitet. Nach einigen Berufsjahren und wiederholten Beschwerden diagnostizierte ihm ein Arzt eine Staubunverträglichkeit der Magenschleimhaut. Herr Bitzer musste sich neu orientieren. «So wurde aus mir ein Verkäufer. Also, ein Möbelverkäufer.» Jetzt lächelt er. 31 und ein halbes Jahr verkaufte er «wunderbare Möbel» für Zingg & Lamprecht. Dann kam ihm die Pensionierung dazwischen.

Biohaferflocken und Tiefenatmung

Der neue Job als Verkäufer hat es ihm und seiner Frau ermöglicht, im Jahr 1954 am Dorfeingang von Hedingen ein eigenes Haus zu bauen. Dort wohnt Herr Bitzer noch heute. Alleine, seit seine Frau 2002 verstorben ist. Jede dritte Woche erhält Herr Bitzer Besuch von der Spitex, fürs Staubsaugen und die Böden. Ansonsten unterstützt ihn seine Familie. So wird er regelmässig zum Mittagessen eingeladen. Darüber ist er froh, denn, räumt Herr Bitzer ein, er habe einen Fehler gemacht. «Ich hätte meiner Frau mehr beim Kochen zuschauen sollen. Dann könnte ich es vielleicht heute auch.» Bis vor einem Jahr fuhr er übrigens noch Auto. Dann, mit 99 Jahren, gab er den Führerschein freiwillig ab.

Wie wird man 100 Jahre alt, Herr Bitzer? Hmm. Gesunde Ernährung schadet sicher nicht: Jeden Morgen macht er sich ein Birchermüesli mit Bioweizen, Biohaferflocken und Früchten und macht seine Turnübungen. Und: Tiefenatmung! «An der frischen Luft», ganz wichtig. «Wenn es Sie interessiert...», seine Lunge sei auch wegen seiner Leidenschaft zur Blasmusik so gut zwäg. 60 Jahre habe er in der «Brass Band Hope and Glory» gespielt. Auch der Musikverein Hedingen hätte dem Jubilar auf Wunsch ein Ständchen gespielt. Doch dazu kam es nicht. Die Gemeinde hat ihn per Brief angefragt, und Herr Bitzer hat «nein» angekreuzt – nicht aus mangelndem Interesse. Aber... ist ja nicht so wichtig, so ein 100. Geburtstag.

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