Häufigere Fahrradnutzung auch nach der Coronazeit?

Während der Coronazeit hat die Nutzung von Fahrrad und E-Bike im Pendler-, Alltags- und Freizeitverkehr deutlich zugenommen. Nachhaltig ist die Entwicklung allerdings nur, wenn die ­Veloverkehrsinfrastruktur und -gesetzgebung schritthält, wie es im Ausland zu beobachten ist.

Der wachsenden Beliebtheit des E-Bike-Fahrens mit einer passenden Veloverkehrsinfrastruktur Rechnung tragen. (Bild Martin Platter)
Der wachsenden Beliebtheit des E-Bike-Fahrens mit einer passenden Veloverkehrsinfrastruktur Rechnung tragen. (Bild Martin Platter)

Das anhaltend schöne Wetter während des Corona-Shutdowns wirkte wie ein Booster auf die Fahrradnutzung in die Schweiz. Pendler stiegen vom öffentlichen Verkehr auf Velo und E-Bike um, weil sie sich vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus schützen wollten. Als die Leute aufgefordert waren, zu Hause zu bleiben und wenn immer möglich die Arbeit und Schule im Homeoffice wahrzunehmen, schwangen sie sich weiter jede freie Minute auf den Sattel, um Besorgungen zu machen und um sich an der frischen Luft zu bewegen. Kunststück: Wandern, Joggen und Velofahren waren so ziemlich die einzigen Sportarten, die während des Shutdowns im Freien ausgeübt werden konnten.

Das hat auch die Mobilitätsstudie von ETH Zürich und Uni Basel gezeigt, die nicht nur bei der Fahrradnutzungs­häufigkeit nahezu eine Verdoppelung ­registrierte. Auch die gefahrenen Weg­strecken waren deutlich länger. Derweil bei allen anderen Verkehrsträgern markante Rückgänge bei der Nutzung verzeichnet wurden.

Höheres Durchschnittstempo bei Autos

Die 3700 Nutzerinnen und Nutzer in der ganzen Schweiz, die sich der Studie anschliessen durften, stammten aus der letztjährigen Studie des Forschungsprojekts Mobilitätsverhalten in der Schweiz (Mobis). Bedingung für die Teilnahme war, dass an mindestens drei Tagen in der Woche ein Auto genutzt wird. Auch da hat man interessante Resultate erhalten. Die durchschnittliche Geschwindigkeit des Autoverkehrs ist zwischen dem 16. März bis zur Lockerung des Shutdowns am 11. Mai vor allem in der Stosszeit deutlich höher gewesen, was auf die Entlastung des Strassennetzes hindeutet.

Diese Freude ist inzwischen verflogen. Der Autoverkehr hat wieder sein Vor-Corona-Niveau erreicht. Die Nachfrage nach Fahrrädern und vor allem E-Bikes ist nach der Freigabe des physischen Verkaufs in den Fahrradgeschäften am 11. Mai jedoch buchstäblich explodiert. Viele haben offenbar die Effizienz und das befreiende Gefühl des Fahrradfahrens neu entdeckt. Der Platz in den Städten wird auch in Zukunft und mit Elektroautos eng bleiben. Da bleibt das Fahrrad als schnellstes Verkehrsmittel von Haustür zu Haustür erste Wahl. Wichtig wäre es nun, dass die Infrastruktur entsprechend angepasst wird. Studien haben nämlich ­gezeigt, dass eine gefährliche Velo­verkehrsinfrastruktur vom Radfahren abhält.

Gefährliche Velowege halten vom Radfahren ab

Was eine klimafreundliche und nachhaltige Verkehrspolitik bewirken kann, hat die dynamische Entwicklung der Veloverkehrs-Infrastruktur im Ausland gezeigt, wo vielerorts Pop-up-Fahrradspuren (Strassen, die provisorisch zu Fahrradwegen umgewandelt werden) entstanden sind. In zahlreichen Hauptstädten hat man neue Fahrradwege sogar in Innenstädten auf Kosten von Autofahrspuren auf Hauptstrassen und Boulevards geschaffen. In der Schweiz hat das nur Genf gewagt.

Ausgerechnet das Autoland Deutschland zeigt sich gegenüber dem Veloverkehr besonders aufgeschlossen und hat am 28. April eine neue Strassenverkehrsordnung in Kraft gesetzt, die auch für die Schweiz wegweisend sein könnte. Nicht mit einer abschreckenden Velohelmpflicht, sondern mit sinnvollem Schutz für die schwächsten Verkehrsteilnehmenden auf Gesetzesebene: Ein Mindestabstand für Motorfahrzeuge beim Überholen von Fussgängern und Velofahrern, ein generelles Halteverbot für mehrspurige Motorfahrzeuge auf Radstreifen, ein langsameres Rechtsabbiegetempo für Lastwagen innerorts, Radschnellwege, zusätzliche Fahrradzonen, eine Liberalisierung des Personentransports auf Fahrrädern, Vereinfachungen für Lastenvelos schaffen neue Anreize für die Fahrrad-Nutzung. Und nicht mit dem alljährlichen Herunterbeten von E-Bike-Unfallzahlen, wie es das Bundesamt für Unfallverhütung (BfU) praktiziert hat, kaum hatte sich der Corona-Schock etwas gelegt.

* Der Autor ist Geschäftsführer und Medien­verantwortlicher von Velosuisse.

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