Friedensrichterämter – eine erhebliche Entlastung für Gerichte

Sie schlichten im Zivilrecht oft, bevor ein Gericht richtet: ­Friedensrichter und Friedens­richterinnen entlasten die nachfolgende Instanz in erheblichem Mass. Anfang März steht ihre ­Neuwahl auch im Bezirk Affoltern für die nächsten sechs Jahre an.

Friedensrichterinnen und Friedensrichter schlichten und entlasten die Gerichte: Reto Aschwanden, Präsident des Zürcher Verbandes und Bezirkspräsident, in seiner Anwaltskanzlei in Mettmenstetten. (Bild Werner Schneiter)
Friedensrichterinnen und Friedensrichter schlichten und entlasten die Gerichte: Reto Aschwanden, Präsident des Zürcher Verbandes und Bezirkspräsident, in seiner Anwaltskanzlei in Mettmenstetten. (Bild Werner Schneiter)

Die Arbeit der Friedensrichterämter ist vielfältig, aufwändig und komplex. Sie registrieren Geschäfte, fertigen Vorladungen an und führen Verhandlungen mit den Parteien. Sie stellen Vorladungen zu, protokollieren und fertigen Verfügungen, Urteilsvorschläge, Urteile und Klagebewilligungen aus. Die administrative Tätigkeit erstreckt sich auch über Buchhaltung, Statistiken, Gebühren – und sie ist auch deshalb zeitaufwändig, weil die Terminsuche mit den Parteien oft dann schwierig ist, wenn diese mit einer anwaltschaftlichen Vertretung aufkreuzen. Oder dann, wenn postalisch zugestellte Vorladungen nicht abgeholt werden. Im Wieder­holungsfall wird die Polizei mit der ­Zustellung betraut.

Häufig Forderungsklagen

Mit Ausnahme von Scheidungen, die seit etwa zehn Jahren in die direkte Zuständigkeit der Gerichte fallen, sind Friedensrichterämter für alles zuständig, was in den Bereich des Zivilrechts fällt. «Den grössten Teil machen Forderungsklagen aus», sagt Reto Aschwanden, Präsident des Verbandes Friedensrichterinnen und Friedensrichter im Kanton Zürich. Der 39-Jährige, der in Mettmenstetten eine Anwaltskanzlei betreibt, ist auch Bezirkspräsident und Friedensrichter in Obfelden. Bei solchen Forderungsklagen geht es häufig um nicht bezahlte Rechnungen bei Betrieben, ob KMU oder GU, um Baumängel, Rückzahlung von Darlehen und anderes.

Auch bei arbeitsrechtlichen Aus­einandersetzungen ist der Friedensrichter zuständig. Im Vordergrund stehen hier Streitereien um Lohn zwischen Arbeitgebern und Angestellten. Es geht um Kündigungen und um Formulierungen in Arbeitszeugnissen. «Oftmals ist dieses Zeugnis der erste Punkt eines Zerwürfnisses. Wir versuchen dann, die Parteien an einen Tisch zu bringen und die Parteien erstmal in diesem Punkt zu einigen. Häufig geht es um die Anerkennung der geleisteten Arbeit», sagt Reto Aschwanden. Der Erfolg stellt sich dann ein, wenn der Gang zum Arbeitsgericht erspart werden kann. Ein Erfolg für Streithähne auch deshalb, weil die Auseinandersetzung bei der Friedensrichterin deutlich kostengünstiger ist als vor Gericht. «Im Verhältnis zur Bevölkerungszahl ist im Säuliamt die Zahl jener, die dann vor Gericht ziehen, deutlich tiefer als in anderen Regionen», fügt Reto Aschwanden bei. Bald sollen Friedensrichterämter auch die Vorstufe zum Handelsgericht werden; sie schlichten bei Streitereien zwischen Firmen.

Auch bei nachbarrechtlichen Streitigkeiten schlichtet der Friedensrichter als erste Instanz. Da geht es beispielsweise um Büsche und Bäume, die über die Grundstücksgrenze hinausreichen, um Auseinandersetzungen bei Dienstbarkeiten. Ein sehr komplexes Thema bilden Unterhaltsklagen von nicht verheirateten Eltern. In der Regel endet das vor den Schranken des Gerichts. Ein kleines Minenfeld offenbart sich auch bei erbrechtlichen Klagen, beim Streit um Testamente und Erbteilungen. Oder wenn Friedensrichter bei Persönlichkeitsverletzungen schlichten müssen.

Zuhören können und Streit zulassen

Generell gilt: Friedensrichterinnen und Friedensrichter müssen zuhören können und dem Streit Zeit einräumen, zumindest solange der sich nicht unter der Gürtellinie bewegt. Sie müssen die Fähigkeit haben, komplexe Sachverhalte zu versehen, erkennen, worum es wirklich geht. Sie müssen nicht über eine juristische Ausbildung verfügen, aber Zivilprozessordnung und Verfahrens­abläufe kennen – und sich regelmässig weiterbilden, auch vor dem Hintergrund der fortschreitenden Digitalisierung. ­Erschwerend sind Verhandlungen dann, wenn die Sprachbarriere eine Übersetzung erfordert.

Die Bilanz der Friedensrichterämter im Bezirk Affoltern darf sich sehen lassen. 2019 wurden von 186 anfallenden Fällen deren 167 erledigt; 68,3 Prozent ohne und 31,7 Prozent mit Klagebewilligung. Kommt hinzu, dass die meisten Fälle innert drei bis vier Monaten erledigt werden konnten. Das entlastet das Bezirks- oder Arbeitsgericht ganz erheblich. Und das dürfte sich nochmals akzentuieren, wenn die Teilrevision der 2011 eingeführten eidgenössischen ­Zivilprozessordnung in Kraft tritt: Dann wird die Streitwertgrenze für einen Urteilsvorschlag von heute 5000 auf 10000 Franken erhöht.

Zahlen für 2020 liegen noch keine vor. Coronabedingt sind es weniger Fälle. «Wir werden das mit einer erheblich grösseren Zahl in diesem Jahr spüren», sagt Reto Aschwanden.

Wahlkampf in vier Gemeinden

Am 7. März werden auch im Bezirk Affoltern Friedensrichter und Friedensrichterinnen für sechs Jahre gewählt. In Hausen, Knonau, Kappel und Stallikon wird das Amt von mehr als einer Person beansprucht.

In Hausen wird Amtsinhaberin Jasmin Corrodi, Juristin, von der Kauffrau Sonja Trachsel-Baumann herausgefordert. Letztere bewirbt sich ebenfalls in Kappel (wo Peter Loosli nicht mehr antritt) und hat dort mit der Juristin Ronja Tschümperlin eine Gegenkandidatin. Keine Konkurrenz findet Jasmin Corrodi hingegen in Mettmenstetten vor. In Knonau wird der Bisherige Rolf Huber durch Viviane Howald-Heitz herausgefordert, Juristin/Mediatorin. Und in Stallikon bekommt Amtsin­haber Jürg Schärer durch die Juristin Mirjam Rehsche (Grünliberale Partei) Konkurrenz. In Wettswil hingegen ist Amtsinhaber Jürg Schärer konkurrenzlos.

In den übrigen Gemeinden sind die Amtsinhaberinnen und Amtsinhaber (Stand heute) unbestritten. Aeugst: Thomas Emch. Affoltern: Hansueli Rickli. Bonstetten: Alexandra Meile. Hedingen: Robert Müller. Maschwanden: Koni Messikommer. Mettmenstetten: Jasmin Corrodi. Obfelden: Reto Aschwanden. Ottenbach: Roland ­Bandi. Rifferswil: Marianne Roth. Wettswil: Jürg Schärer. (-ter.)

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