«Der Kauf ist ein Nullsummenspiel»

Am 23. April wird die Bonstetter Bevölkerung über den Kauf einer zentralen Liegenschaft abstimmen, um die vom Kanton vorgeschriebene Anzahl Geflüchteter aufnehmen zu können. Am Montag informierte der Gemeinderat über den Kauf.

Kaum freie Plätze an der Info-Veranstaltung vom Montagabend im Singsaal der Primarschule Bonstetten. (Bild Salomon Schneider)
Kaum freie Plätze an der Info-Veranstaltung vom Montagabend im Singsaal der Primarschule Bonstetten. (Bild Salomon Schneider)

Zu Beginn der Veranstaltung im Mehrzweckraum der Primarschule informierte Gemeindepräsidentin Arianne Moser über den Ist-Zustand in Bonstetten: «Wir sind eine von sieben Gemeinden im Kanton, welche die Asylquote von 0,9 Prozent der Gesamtbevölkerung noch nicht erfüllen. Über Jahre lag die Quote bei 0,5 Prozent. Neu liegt sie bei 1,3 Prozent. Wir hätten den Kauf ohne die ­Bevölkerung tätigen können, da es sich gemäss Information des Regierungsrates um eine gebundene Ausgabe handelt. Wir wollten den Kauf jedoch demo­kratisch legitimieren.»

Günstiger Wohnraum ist Mangelware

Sozialvorsteherin Christina Kappeler informierte über das Raumproblem der Gemeinde: «Wir wollen das Gebäude kaufen, um zukünftig Notunterkünfte oder Wohnraum für Sozialhilfebeziehende zu haben, wenn die Flüchtlingsströme einmal versiegen.» Die Gemeinde habe verschiedenste Möglichkeiten, um Flüchtlinge unterzubringen, Gastfamilien, Kauf oder Bau von Liegenschaften, Anmietung von Wohnraum, Containerbauten oder unterirdische Räumlichkeiten, sprich eine Zivilschutzanlage und die Militärunterkunft. Neu dürfen Containerbauten auch ausserhalb der Bauzone aufgestellt werden, dies kommt der Gemeinde Bonstetten entgegen, da sie keine Baulandreserven besitzt. Das Problem sei jedoch, dass solche Container momentan vielerorts benötigt werden, der Markt für Occasionen ausgetrocknet und neue Container sehr teuer seien.

Christina Kappeler: «Wir machen alles, um Wohnraum zu generieren. Wir wenden uns wieder mit einem Brief an die Bevölkerung, um Gastfamilien zu finden, oder die Möglichkeit, Wohnraum zu vertretbaren Preisen anzumieten. Diese Liegenschaft ist ein Glücksfall. Denn die Zivilschutzanlage oder die Militärunterkunft sind nur eine kurzfristige Lösung, auch wenn wir davon ausgehen, dass wir bald unterirdische Räumlichkeiten eröffnen müssen. Die Liegenschaft an der Dorfstrasse 21 hat eine gute Bausubstanz, ist zentral und eine gute Anlage für die Gemeinde, die auch wieder verkauft werden könnte, wenn sie nicht mehr benötigt wird. Ein zusätzlicher Vorteil ist, dass niemand die Wohnung verlieren würde und die Mieterin ihre Praxis in den heutigen Räumlichkeiten der Sauna weiterbetreiben könnte.»

Eine sinnvolle Investition

Das Gebäude an der Dorfstrasse 21 ist 160 Jahre alt und gepflegt. Der Innenausbau ist jedoch in die Jahre gekommen. In den Bereichen Heizung, Dach und Fenster werden in den kommenden 10 Jahren Investitionen anstehen. Das Grundstück ist 580 Quadratmeter gross und inventarisiert. Die Rechnungsprüfungskommission empfiehlt den Kauf der Liegenschaft zum Preis 1,195 Millionen Franken zur Annahme. Das Gebäude bietet Platz für 16 Flüchtlinge. Bei einem Umbau müsste die Schutzwürdigkeit mit dem Heimatschutz geklärt werden. Momentan befindet sich im Gebäude eine Sauna. Arianne Moser: «Da die Fassade schützenswert erscheint, jedoch sicher nicht der Innenraum, können wir davon ausgehen, dass die Inventarisierung für uns kein Problem darstellt. Wir rechnen mit langfristigen Renovierungskosten von knapp 300000 Franken. Der Wert des Baugrunds alleine wird auf rund 640000 Franken beziffert. Der Gebäudewert, also zirka 560000 Franken, muss abgeschrieben werden. In 33 Jahren haben wir ein abgeschriebenes Gebäude, das immer noch dasteht und eine zentrale Baulandreserve. Wir erhalten für die Unterbringung Geld vom Kanton. Mit dieser Lösung haben wir ein Nullsummenspiel und behalten am Schluss einen relevanten Gegenwert», erläuterte Arianne Moser.

Die beste Alternative zum Gebäude seien Containerbauten, die jedoch viel teurer wären. Der Kauf dieser Liegenschaft sei jedoch vielleicht nur eine Teillösung, denn wenn sich keine neuen Gastfamilien finden, muss für mindestens einen Teil der 20 bisher in Gastfamilien untergebrachten Ukrainerinnen und Ukrainer eine neue Lösung gefunden werden. Der Kauf von Containerbauten ist mit dem Kauf der Liegenschaft an der Dorfstrasse also noch nicht vom Tisch.

Vision für das Dorfzentrum

Ein Einwohner fragte, was die Vision der Gemeinde für das Dorfzentrum sei. ­Arianne Moser antwortete, dass das Dorfzentrum zukünftig stärker zum Begegnungsort werden solle und bald ein Studienauftrag ausgeschrieben werde. Er äusserte zudem Sicherheitsbedenken, welchen Christina Kappeler entgegnete: «Die Flüchtlinge sind in der Gemeinde gut verteilt und gliedern sich ein. Probleme mit Nachbarn kann es immer ­geben. Wenn es mit den Flüchtlingen Schwierigkeiten geben sollte, sind der Sozialdienst des Bezirks Affoltern und die Gemeinde kompetente Ansprechpartner, die ein offenes Ohr haben und Lösungen durchsetzen werden und auch ein Sicherheitsdienst wird vor Ort sein.» Eine Einwohnerin setzte sich dafür ein, dass primär Familien mit Kindern in diesem Haus untergebracht werden, um diesen Bedenken zu begegnen. Da die Gemeinde nicht wählen kann, welche Flüchtlinge kommen, konnte dies nicht versprochen werden. Das Problem sei, dass die Gemeinde Flüchtlinge unterbringen müsse. Wenn sie die Quote nicht erfülle, könne der Kanton Unterkünfte anmieten und der Gemeinde die Rechnung schicken.

Alt Gemeinderat Claude Wuillemin riet der Behörde: «Wir sollten das Haus und Containeranlagen kaufen. Denn wir müssen die Flüchtlinge unterbringen und wir sollten dieser Verpflichtung nachkommen. Bereits vor acht Jahren musste die Gemeinde zahlreiche Flüchtlinge aufnehmen und es gab keine ­Probleme.» Eine Frau pflichtete bei und erzählte die Geschichte eines Flüchtlings, der damals gekommen war, beim Gartencenter Guggenbühl die Lehre angefangen und mit Bravour bestanden habe und heute ein wichtiger Mitarbeiter des Unternehmens sei.

Seewadel-Provisorium als Option?

Ein weiterer Einwohner schlug vor, das Provisorium des «Seewadel» zu nutzen. Christina Kappeler ­bedankte sich für die Idee: «Wir müssen abklären, ob auch nur ein Teil der ­Container genutzt ­werden könnte. Denn für das gesamte Seewadel-Provisorium bräuchte es eine Zusammenarbeit ­mehrerer Gemeinden. Dann müsste neben der Unterbringung jedoch auch die Schulsituation geklärt werden, was zusätzliche Container­bauten zur Folge hätte. Zudem will die Gemeinde nicht Männer aus dem ­Mittleren Osten und Frauen aus der ­Ukraine in derselben Unterkunft ­unterbringen.»

«Die beste Lösung wäre es, wenn ein Teil von Ihnen sich bereit erklären würde, temporär eine Ukrainische Familie bei sich aufzunehmen. Denn viele der jetzigen Gastfamilien sind langsam müde, auch wenn das Zusammenleben positiv ist. Wir haben persönlich auch eine Ukrainische Familie aufgenommen und es ist eine unglaublich bereichernde Erfahrung. Zudem erhalten die Gastfamilien ab dem vierten Monat einen Mietkostenbeitrag von 350 Franken pro Person», erläuterte Arianne Moser und Christina Kappeler ergänzte: «Wir würden uns sehr über Lösungsvorschläge aus der Bevölkerung freuen.»

Ein Einwohner erinnerte daran, dass während des Kalten Krieges 200 Männer aus Osteuropa in Bonstetten gewohnt hätten und auch die Burbaki-Armee – bestehend aus 87 000 Soldaten – sei 1871 dezentral verteilt worden und es habe gut funktioniert, in einer damals viel ärmeren Schweiz.

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