«Wir haben uns verrechnet»

Sie informierten über die geplante Mittelschule in Affoltern. Von links: Niklaus Schatzmann, Leiter Mittelschul- und Berufsbildungsamt, Eveline Fenner, Affoltemer Stadtpräsidentin, Sandra Mischke, Leiterin Bauten bei der Bildungsdirektion, sowie Christian Hardmeier, kantonales Immobilienamt (Baudirektion). (Bild Thomas Stöckli)
Auf dem Schwanden-Areal in Affoltern soll ab 2028 eine Filiale der Kantonsschule Limmattal entstehen (im «Anzeiger» vom Dienstag). An der Informationsveranstaltung vom Montagabend im Kasinosaal Affoltern gab der Standort zu reden.
Von: Thomas Stöckli
«Ich sage es ganz ehrlich: Der Kanton Zürich hat sich verrechnet», räumte Niklaus Schatzmann, Leiter des Mittelschul- und Berufsbildungsamts, am Montagabend im Kasinosaal Affoltern unumwunden ein. Vor sechs Jahren hatte der Kanton die Ämtler Forderung nach einer eigenen Kantonsschule noch mit dem Argument abgeschmettert, dass die kritische Grösse von 500 Schülerinnen und Schülern im Knonauer Amt nicht zu erreichen sei. Heute zweifelt niemand mehr daran, mittelfristig eine Schule für 650 Jugendliche füllen zu können – und später auch deutlich mehr, gemäss Sandra Mischke, Leiterin der Abteilung Bauten bei der Bildungsdirektion.
«Eine riesige Chance für den Bezirk»
Es zeuge von Grösse, hinzustehen und zu sagen: «Wir haben uns verrechnet», zollte der Affoltemer EVP-Kantonsrat Daniel Sommer dem Amtsleiter Respekt. Wie seine zurückgetretene FDP-Ratskollegin Arianne Moser und deren Nachfolgerin Tamara Fakhreddine (beide Bonstetten) sprach er sich für ein speditives Vorgehen aus. «Ich finde es cool, dass die Schule kommt», hielt Moser fest, «das ist eine riesige Chance für den Bezirk – und eine Attraktivitätssteigerung.» Auf ihr «Danke vielmal!» hin zu den Referierenden folgte im Kasinosaal Applaus. Unterstützt wurde die Aussage durch weitere Voten: «Ich bin superhappy, dass die Schule kommt», sagte etwa eine Mutter, und schob nach: «Ich sehe schon meine Kinder dort.»
Zu reden gab am Informationsanlass der Stadt Affoltern, der Bildungs- und der Baudirektion, primär der Standort. «6000 m2 braucht es», führte Christian Hardmeier vom kantonalen Immobilienamt aus. Ganz im Zentrum habe sich kein geeignetes Grundstück gefunden. In der Ausmarchung zwischen dem Areal «Giessen/Ennetgraben» (Eigentum der Stadt) sowie dem Gebiet «Schwanden» (Eigentum des Kantons) sei der Entscheid für letzteres deutlich ausgefallen, so Hardmeier. Auch wenn es dazu eine Anpassung der Bau- und Zonenordnung braucht, gilt auf dem ganzen Gebiet doch eine Gestaltungsplanpflicht. Von dieser soll das Provisorium befreit werden. Eine Urnenabstimmung ist für Ende 2023, Anfang 2024 vorgesehen.
Erfreut über den Fortschritt, aber enttäuscht über den Standortentscheid, zeigte sich Urs Bregenzer, Präsident der Sekundarschule Affoltern/Aeugst und Mitglied der Schulkommission der Kanti Limmattal. Es hätte auf dem Areal «Giessen/Ennetgraben» durchaus genug Platz für eine Mittelschule sowie Bauten von Primar- und Sekundarschule, fand er. Angesichts der rasanten Entwicklung der Stadt Affoltern wolle man sich nicht eine der letzten eigenen Entwicklungsmöglichkeiten verbauen, erklärte Stadtpräsidentin Eveline Fenner, weshalb der Stadtrat trotzdem den Standort «Schwanden» bevorzuge.
Betrieb langsam hochfahren
Und wieso vorerst nur ein Provisorium als Filiale? Das habe verschiedene Vorteile, führte Schatzmann aus. So werde der Betrieb voraussichtlich laufend aufgenommen. In einer ersten Phase wären es sechs Klassen, die Lehrpersonen könnten je nach Bedarf und Möglichkeit in Urdorf oder Affoltern unterrichten. Dann würden es mit jedem Jahr mehr Klassen und der Betrieb zunehmend eigenständiger.
Das Provisorium sei zwar auf 30 Jahre Betrieb ausgelegt, das müsse aber nicht heissen, dass es so lange steht. Bereits jetzt beginnt nämlich die Planung für eine definitive Mittelschule. Angestrebt wird weiterhin ein Platz im Stadtzentrum, wenngleich auf dem Areal «Giessen» auch neben dem künftigen Provisorium noch genügend Platz bliebe.
Mit dem Holzmodulbau sei kein Verlust an Qualität verbunden, hielt Christian Hardmeier fest: «Was das Raumklima anbelangt, ist der Standard hoch.» Angeboten würden in einer ersten Phase voraussichtlich die «Standards»: ein sprachliches Profil, dazu ein mathematisch-naturwissenschaftliches sowie ein wirtschaftlich-rechtliches, so Schatzmann. Und auch was die Verfügbarkeit von Lehrpersonen anbelangt ist er zuversichtlich: Auf der Sekundarstufe II sei die Rekrutierung noch nicht so schwierig. Eine Ausnahme bilde einzig der mathematisch-naturwissenschaftliche Bereich, wo die Konkurrenz mit der Privatwirtschaft spiele.
Proaktiv kommunizieren
Gegen 150 Interessierte folgten den Ausführungen im Kasinosaal Affoltern. Unter ihnen auch Andreas Messmer, Rektor der Kantonsschule Limmattal, und Moritz Spillmann, Rektor der Kantonsschule Enge. Beim anschliessenden Apéro bot sich dann Gelegenheit, auf die künftige Schule anzustossen und die eine oder andere Detailfrage zu diskutieren. Frühestens im Sommer 2028 werde die neue Schule bezugsbereit sein. Ob das klappt, hängt auch davon ab, ob dem Projekt Steine in den Weg gelegt werden. Grundsätzlich sei die Akzeptanz für Schulbauten gross, so Hardmeier, zumal der Kanton für die Bau- und Betriebskosten aufkomme. Trotzdem wolle man auf proaktive Kommunikation mit der Nachbarschaft setzen, um diffuse Ängste abfangen zu können, so Schatzmann: «Damit haben wir in Uetikon und am Zimmerberg gute Erfahrungen gemacht.»