«Meisterleistung der Gemeinden»
Die drei Sozialdienste im Bezirk Affoltern luden am Donnerstag, 11. Mai, Fachleute und Gemeindevertreter zur Informationsveranstaltung über die Situation im Asylwesen ein. Die Chefin des Sozialamtes Kanton Zürich, Andrea Lübberstedt, referierte über die Aufgaben und die Zusammenarbeit von Bund, Kanton und Gemeinden.
Von: Christine Häusermann
Im Bezirk Affoltern gibt es drei Sozialdienste, die die sozialen Aufgaben der Gemeinden wahrnehmen. Der grösste ist der Sozialdienst Bezirk Affoltern (Soba) mit acht Trägergemeinden (siehe unten). Die Gemeinden Bonstetten, Wettswil und Stallikon betreiben gemeinsam den Sozialdienst Unteramt (Sodu). Kappel und Rifferswil sind beim Sozialdienst der Stadt Affoltern (Sdsa)angeschlossen. Die drei Sozialdienste haben nun erstmals gemeinsam eine Informationsveranstaltung über das aktuelle Asylwesen organisiert.
Asylquote von 0,9 auf 1,3 Prozent
Ivo Lötscher, Geschäftsführer beim Sozialdienst Bezirk Affoltern, erklärt den Anwesenden den «Meccano» der Asylquote. Die aktuelle Quote von 0,9 Prozent wurde vom Kanton per Juni 2023 auf 1.3 Prozent angehoben. Die Quote gibt an, wie viele Asylsuchende eine Gemeinde, bezogen auf ihre Einwohnerzahl, aufnehmen muss. Die Quote beinhaltet aber nicht alle Asylsuchenden, jene die bereits über sieben Jahre in der Schweiz sind, sind nicht mitgerechnet. Das betrifft insbesondere die Asylsuchenden, die 2015 während der Syrienkrise in die Schweiz kamen. Michelle Högger, die Leiterin des Asyl- und Migrationswesens beim Sozialdienst Bezirk Affoltern, gibt einen Einblick in die konkreten Zahlen im ganzen Bezirk, die zeigen, dass alle Gemeinden zusätzliche Asylsuchende aufnehmen müssen. Einzige Ausnahme ist Knonau, welche mit fünf Personen im Plus ist. Per 1. Juni 2023 sollten insgesamt 543 Menschen in den Ämtler Gemeinden aufgenommen sein, das sind 113 mehr als es bis jetzt sind. Affoltern ist wegen dem Zentrum Lilienberg, das unbegleitete Minderjährige beherbergt, von der Kontingentpflicht befreit, zurzeit seien aber fast 50 aus der Ukraine Geflüchtete in der Stadt, berichtet Timo Sykora, Leiter Sozialdienst Stadt Affoltern.
Solidarische Bevölkerung, pragmatische Gemeinden
Die Chefin des Sozialamts Kanton Zürich, Andrea Lübberstedt, zieht für ihr Referat Immanuel Kants «Kritik der reinen Vernunft» mit seinen vier Fragen heran:
Was wissen wir? Kanton und Gemeinden würden gut zusammenarbeiten. «Die Unterbringung der ukrainischen Geflüchteten ist eine Meisterleistung der Gemeinden», sagt Andrea Lübberstedt. Sie rühmt die vorbildliche Zusammenarbeit mit den Sozialdiensten im Bezirk Affoltern. Sie nennt die Solidarität der Bevölkerung und den Pragmatismus der Gemeinden, den Arbeitskräftemangel, um die Menschen in den Notunterkünften zu betreuen – sie redet explizit nicht vom Fachkräftemangel. Von 80 Schulklassen, die zusätzlich gebildet werden mussten in einer Zeit des Mangels an Lehrpersonen. Wie Zivilschutzorganisationen gefordert seien. Über 120 Gemeinden der 160 im Kanton, erfüllten mehr als ihre Pflicht. Sie nennt 13000 Verfahrens-Pendenzen und sie sagt aber auch, dass die Schweiz neuerdings auch ein Transitland für Geflüchtete sei, da das Gelobte Land der Geflüchteten zum Beispiel Grossbritannien sei, das sei aber für die Planung sehr schwierig.
Was sollen wir tun? Vorsorglich sei mit grösseren Fluchtbewegungen zu rechnen, wobei die Herkunftsregionen unverändert blieben: Ukraine, naher und mittlerer Osten, Afrika. Auch die Neustrukturierung des Asylwesens gelte es konsequent umzusetzen, unter anderem seien die Abläufe zu vereinfachen. Die berufliche und soziale Integration durch Sprachkenntnisse und Bildung sei unabdingbar, eine Rückkehrhilfe für abgelehnte Asylbewerber besonders effektiv.
Was dürfen wir hoffen? Europaweit müsse eine Entlastung der Erstaufnahmeländer erreicht werden, um chaotische Zustände an den Grenzen zu vermeiden. Der Bund seinerseits soll Gemeinden mit Containerlösungen auf Armeegelände entlasten. Lübberstedt zählt auch eine ordentliche Verweildauer in Bundesasylzentren, den Abbau von Verfahrens-Pendenzen und die raschere Bearbeitung von aussichtslosen Gesuchen von Migranten, zu den hoffnungsvollen Perspektiven.
Was ist der Mensch? Diese Frage sei nur beim Apéro zu beantworten, meint Andrea Lübberstedt und schliesst ihren frei und pointiert gehaltenen Vortrag unter grossem Applaus. Empathisch und engagiert hat es die Amtschefin geschafft, die im Asylwesen involvierten Mitarbeitenden und Gemeindevertreter abzuholen und ihnen das Gefühl zu geben, dass der Kanton ihre Anliegen kennt und versucht, sie zu entlasten. Die Fragen der Anwesenden zeigen den immensen Druck, der auf den Mitarbeitenden lastet. Zum Beispiel wenn Asylsuchende ohne Papiere und vorherige Abklärung der Auffangstationen, in die Gemeinden überwiesen werden. Auf Gemeindeebene sind es die mangelnde Infrastruktur und die finanzielle Belastung, die viel Arbeitsaufwand und grosse Sorgen bereiten. Auch hier zeigt Lübberstedt Verständnis und weist auch auf ihre klaren Forderungen in den Verhandlungen mit dem Bund hin.