Altersdurchmischtes Lernen kommt

Am vergangenen Donnerstag informierten Schulleitung und Schulpflege der Primarschule Obfelden über die Einführung von altersdurchmischtem Lernen (ADL) für alle Klassen. An der Informationsveranstaltung im Singsaal Chilefeld meldeten sich auch kritische Stimmen.

Die Schüler der ADL-Klasse von Ursula Bosshard schreiben auf, was ihnen in dieser Woche gefallen hat und wo sie Schwierigkeiten hatten. (Bilder Salomon Schneider)

Die Schüler der ADL-Klasse von Ursula Bosshard schreiben auf, was ihnen in dieser Woche gefallen hat und wo sie Schwierigkeiten hatten. (Bilder Salomon Schneider)

Auch beim altersdurchmischten Turnunterricht können die Kleineren von den Grösseren etwas lernen.

Auch beim altersdurchmischten Turnunterricht können die Kleineren von den Grösseren etwas lernen.

Werner Kurt, der Obfelder Primarschulpflegepräsident, begrüsste die Eltern und strich hervor, dass er sicher sei, dass den Eltern nichts mehr am Herzen liege als ihre Kinder. Es gelte aber, zu berücksichtigen, dass die Schulpflege möglicherweise eine andere Meinung vertrete als die Eltern: «Die Schule ist auch Sachzwängen ausgesetzt. Über Budget, Lehrplan und Klassengrössen können wir nicht entscheiden – da entscheidet das Volksschulamt.» Aufgrund dieser Sachzwänge und der Eignung von ADL für die Entwicklung der Kinder, habe die Obfelder Primarschulpflege einstimmig entschieden, in der gesamten Primarschule ab Sommer 2016 ausschliesslich altersdurchmischte Klassen einzuführen.

Im Anschluss erörterte Schulleiter Kaspar Oettli die Geschichte der ADL an der Primarschule Obfelden. Im Jahr 2000 hat die Primarschule Obfelden aufgrund extrem unterschiedlicher Klassengrössen ADL in zwei Klassen eingeführt. Seit 2006 führt die Primarschule Obfelden sieben ADL Klassen: «In beiden Unterrichtsformen kann hervorragend unterrichtet werden. Primär hängt der Erfolg von den Lehrpersonen ab. Wie geschildert, ist ADL in Obfelden organisch gewachsen.» Deshalb sei die breite Einführung von ADL nicht ein Experiment, sondern eine konsequente Weiterführung des eingeschlagenen Kurses. Die Primarschule Obfelden wolle die Kinder möglichst gut auf das spätere Leben vorbereiten: «Selbstständiges Lernen ist in Jahrgangsklassen gut möglich. Die Struktur von ADL-Klassen unterstützt Selbstständigkeit und das Eingehen auf andere aber entschieden besser.»

Schwankende Jahrgangsgrössen

Der zweite Schulleiter, Hans-Ruedi Holzer, ergänzte: «Wir haben seit 2008 Klassencockpit-Tests durchgeführt und ADL- und Jahrgangsklassen haben leistungsmässig vergleichbar abgeschnitten.» ADL werde vieles vereinfachen, da die Schülerzahlen pro Jahrgang immer stärker schwankten. Mit ADL sei es möglich, ausgeglichene Klassen zusammenzustellen, und es sei möglich, zu verhindern, dass Kinder zwischen den Schulhäusern hin- und hergeschoben werden müssten.

Auf diese Ausführung kam ein Einwurf aus dem Publikum: «Was wäre, wenn alles Jahrgangsklassen wären?» Kaspar Oettli erklärte: «Dann würden wir neun Klassen brauchen, um alle Schüler unterzubringen. Das Volksschulamt des Kantons Zürich bewilligt uns bei dieser Schülerzahl aber nur acht Klassen.»

Hans-Ruedi Holzer erörterte weiter, wie die ADL-Klassen zusammengesetzt werden: «Wir wollen nicht nur nach Schülerzahlen ausgeglichene Klassen. Wir teilen auch nach Leistungsfähigkeit, sprachlicher Herkunft, Geschlecht und sekundär nach Wohnort ein.» Zudem sei geplant, die Lehrkräfte mit Weiterbildungstagen zur Vorbereitung auf ADL gezielt weiterzubilden. Es sei extrem wichtig, dass die Lehrkräfte ADL mehrheitlich mittragen, auch wenn nicht alle damit einverstanden seien; entsprechend werde es unter Umständen auch Wechsel geben.

Bedenken aus der Bevölkerung

Während Hans-Ruedi Holzer erwähnte, dass die Eltern sich am kommenden Freitag, am Besuchstag, mit ADL-Unterricht vertraut machen können, nahm die Unruhe im Publikum spürbar zu. Dies machte sich auch in der Diskussion bemerkbar, die Werner Kurt leitete.

Die Frage, ob die Lehrkräfte in den Entscheid, ADL einzuführen, miteinbezogen worden seien, verneinte der Schulpräsident, worauf der Besucher nachhakte: «Weshalb nicht, wenn sie so betonen, dass die Lehrer extrem wichtig seien?» Die Antwort vonWerner Kurt: «Es waren zu einem grossen Teil organisatorischeSachzwänge, die uns zu diesem Entscheid bewogen haben. Manche Lehrkräfte präferieren ADL, manche Jahrgangsklassen. Wir steigen um auf ein gleichwertiges System, das zeigt unsere Erfahrung und wird von wissenschaftlichen Erkenntnissen unter-mauert.»

Mehrere Besucher äusserten Bedenken, dass organisatorische Sachzwänge stärker gewertet würden als das Kindeswohl. Werner Kurt wiederholte, dass beide Systeme gleichwertig seien: «Bei uns steht immer das Wohl des Kindes im Vordergrund. Bei gleichwertigen Systemen dürfen auch organisatorische Fragen berücksichtigt werden.»

«Ist es nicht möglich, dass wir uns als Eltern stärker dazu einbringen können, wie ADL umgesetzt wird?», fragte ein Besucher. Der Schulpräsident antwortete: «Altersdurchmischte Lernformen werden kommen. Bezüglich der Umsetzung haben wir aber jederzeit ein offenes Ohr.»

Kinder gewöhnen sich schnell an ADL

«Ich bin froh, dass es diese Informationsveranstaltung gibt. Mein Kind wird im Sommer 2016 eingeschult. Zudem bin ich nicht unglücklich, dass nicht mehr alles so ist, wie es war, als ich noch zur Schule ging», hielt eine Besucherin fest. Eine andere Mutter hielt dagegen: «Ich habe Bedenken, dass ADL wirklich für alle Kinder die beste Lösung ist. Wir sind unter anderem nach Obfelden gezogen, weil es hier beide Systeme gibt.»

Kaspar Oettli kommentierte: «Beim Lernerfolg können ADL-Klassen mithalten, bei der schwieriger quantifizierbaren Sozialkompetenz hat ADL die Nase klar vorne.» Eine andere Mutter unterstützte das Konzept: «Ich habe mir bei meiner Tochter nicht vorstellen können, dass sie mit ADL umgehen könnte – meine Tochter ist in ihrer ADL-Klasse aber völlig aufgeblüht. Ich als Mutter hatte viel mehr Mühe mit ADL als mein Kind. Ich glaube, das geht noch einigen so.»

Im Anschluss versuchten einige Veranstaltungsbesuchende, die Schulpflege mit teilweise heftigen Angriffen dazu zu bringen, ihren Entscheid zu revidieren. «Wir würden den Entscheid sicher noch einmal überdenken, wenn wir von dessen Richtigkeit nicht tief und fest überzeugt wären – aus den genannten Gründen», schloss Werner Kurt die Veranstaltung.

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