«Wie ein Dolchstoss in den Rücken»

Vor einer Woche gab der Stadtrat Affoltern bekannt, dass er die Gesundheitsversorgung seiner Bevölkerung ohne das Spital organisieren will. Der «Anzeiger» war vor Ort und hat mit einigen Mitarbeitenden gesprochen.

Rund 30 Mitarbeitende fanden sich am Freitag kurzfristig im Mehrzweckraum ein. Sie vertraten mit ihrer Stimme auch ihre Teams. <em>(Bild Livia Häberling)</em>
Rund 30 Mitarbeitende fanden sich am Freitag kurzfristig im Mehrzweckraum ein. Sie vertraten mit ihrer Stimme auch ihre Teams. <em>(Bild Livia Häberling)</em>

Es ist Freitag, es ist Nachmittag. Es ist der dritte Tag nach der Hiobsbotschaft. Im Mehrzweckraum des Hauses Rigi sitzen rund 30 Frauen und Männer. Sie sind Ärztinnen oder Pflegefachpersonen, Köche oder Rettungssanitäterinnen, Psychotherapeutinnen oder Stationsleitende. Heute aber sind sie vor allen Dingen eines: betroffene Mitarbeitende. Betroffen davon, dass der Stadtrat für das Spital Affoltern keine Zukunft sieht, betroffen vom drohenden Wegfall ihres Arbeitsplatzes. Betroffen aber auch von der Art und Weise, wie das Ganze geschieht. «Wir sassen einfach da, wie in einem Schockzustand», beschreibt eine Mitarbeiterin den Moment, als sie die Neuigkeiten erfuhr. Spitaldirektor Michael Buik hatte die Information als Medienmitteilung erhalten, zeitgleich mit der Presse. Keine Info vorab.

«Herr Grötsch hat am Spitalfest mit uns gegessen, mit uns getanzt und mehrfach beteuert, dass er hinter dem Spital steht, dass wir uns keine Sorgen machen müssen», erinnert sich eine Mitarbeitende. Stattdessen hat der Stadtrat am Dienstagmorgen bekanntgegeben, dass er die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung anderweitig plant. Dem Stimmvolk hat er empfohlen, den Zweckverband an der Abstimmung am 19. Mai aufzulösen und die beiden Nachfolgeorganisationen abzulehnen.

«Am Volkswillen vorbeipolitisiert»

Der abrupte Richtungswechsel des Stadtpräsidenten stösst im Saal auf Unverständnis. Viele erleben ihn als Verrat: «Ich habe überhaupt nicht mit diesem Meinungsumschwung gerechnet. Für mich war es ein Schlag in die Magengrube, ich fühle mich weder ernstgenommen noch verstanden.» Eine Dame erlebte den Umschwung des Stadtrats «wie einen Dolchstoss in den Rücken». Es habe Gemunkel gegeben, ja, aber dass das wirklich passieren würde, damit habe niemand gerechnet. Eine Votantin wurde in ihren Worten gar noch klarer: «Ich erlebe die neue Spitalpolitik des Stadtrats als etwas hoch Manipulatives, auch den Stimmbürgern gegenüber, weil ich glaube, dass man am Volkswillen vorbeipolitisiert».

Hinter die neue Versorgungsstrategie setzten die Mitarbeitenden viele Fragezeichen: Was ist mit der psychiatrischen Versorgung? Mit der palliativen Versorgung? Mit der Mutter-Kind-Station?

«Wie soll die angekündigte Permanence aussehen? Wie wird in Notfällen gehandelt? Nicht nur die Stimmbevölkerung liess man bisher darüber im Dunkeln, auch der Rettungsdienst wurde bis heute nicht informiert», so ein weiteres Votum. Die Idee einer Permanence sei absolut kurzsichtig gedacht. «Man glaubt, damit sei die Versorgung geregelt. Dabei ist sie das überhaupt nicht. Das Angebot, das hier stattfindet, kann nie und nimmer mit einer Permanence abgedeckt werden. Das Stimmvolk wird für doof verkauft.»

Das Beste ist nicht gut genug

In die Wut, die Enttäuschung der Mitarbeitenden mischt sich die Angst. «Viele Mitarbeitende sind dringend auf ihren Verdienst angewiesen.» Die Führung stehe nun vor der Aufgabe, die Mitarbeitenden zu motivieren, trotzdem zu bleiben und gemeinsam zu kämpfen. Die Solidarität der Patienten, so eine Dame, sei in den letzten Tagen extrem gross gewesen. «Wie können wir euch unterstützen?», diese Frage sei zahlreich gefallen. Auch das Solidaritätsgefühl unter den Mitarbeitenden stärke und schweisse zusammen.

Eine Dame beschreibt ihre Gefühle als Wechselspiel zwischen «Kampfgeist und einer tiefen Betroffenheit». Und als Trauer. «Darüber, dass wir täglich an unsere Leistungsgrenze und sogar über unsere Kapazitäten gehen, 24 Stunden unser Bestes geben, doch dass selbst das für den Stadtrat offensichtlich nicht gut genug ist.»

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