«Die Verantwortung überfordert viele»

Der Samariterverein Affoltern hat sich nach 115 Jahren aufgelöst. Ihm fehlen neue Mitglieder. Er ist damit nicht alleine: In den letzten drei Jahren mussten auch die Vereine in Ottenbach und Rifferswil ihre Dienste einstellen. Doch es gibt auch Vereine ohne Nachwuchs-Sorgen.

Die Mitglieder des Samaritervereins auf einem ihrer letzten Ausflüge. <em>(Bild zvg.)</em>
Die Mitglieder des Samaritervereins auf einem ihrer letzten Ausflüge. <em>(Bild zvg.)</em>

Von 60 ging es abwärts, immer weiter abwärts, bis es am Schluss noch neun waren. Neun Mitglieder, die dem Samariterverein Affoltern über die Jahre die Treue hielten. Doch das reichte nicht. «Die Suche nach jungen, engagierten Neumitgliedern gestaltete sich schwierig», erklärt Vorstandsmitglied und Materialwartin Ria Lüssi. Man habe lange gekämpft und weitergemacht, doch als nur noch neun Mitglieder übrig waren, habe man sich an einer ausserordentlichen Mitgliederversammlung im Mai 2018 dazu entschlossen, den Verein per 15. Februar 2019 aufzulösen.

Zum Einsatz gekommen war der Samariterverein Affoltern beispielsweise am Grümpelturnier des FC Affoltern oder am Albisrennen. Die Anzahl der Einsätze sei jedoch über die Jahre eher zurückgegangen, sagt Ria Lüssi. So fielen beispielsweise das Faustballturnier oder das Schülerturnier weg, das heute zusammen mit dem Grümpelturnier ausgetragen wird. Lüssi bedauert die Auflösung: «Für die meisten von uns war die Mitgliedschaft im Verein ein langjähriges Engagement, wir waren mit Herzblut dabei». Sie selber hatte sich seit ihrem 16. Lebensjahr – und damit rund 50 Jahre – als Samariterin engagiert.

Berufstätige Mütter: Es bleibt keine Zeit für Freiwilligenarbeit

Dass dieser freiwillige Einsatz heute nicht mehr so gefragt ist, hat für sie mehrere Gründe: «Früher haben sich vor allem junge Mütter im Samariterverein engagiert, die damals noch Hausfrauen waren. Heute sind viele Mütter wieder berufstätig», so Lüssi. Ihnen fehle oftmals die Zeit, sich nebenbei noch ehrenamtlich zu engagieren, vermutet sie. Ausserdem, erklärt sie, seien die Anforderungen an die Samariterinnen und Samariter in den letzten Jahren stetig gestiegen. So sei beispielsweise die Reanimation zu den Aufgaben dazugekommen. «Diese grosse Verantwortung überfordert viele, gerade auch, weil die Einsätze eher unregelmässig sind und Neuen dadurch die Routine fehlt.» Hinzu komme, dass wohl in der Bevölkerung die Bereitschaft sinke, etwas für die Allgemeinheit zu tun.

Noch fünf Samaritervereine im Säuliamt

Diesen Trend bestätigt Stefanie Oehler vom Schweizerischen Samariterbund: «Viele Menschen möchten sich zwar auch gemeinnützig engagieren, jedoch sind diese Einsätze eher punktuell und kurzfristiger Natur.»

Der Samariterverein Affoltern ist nicht der einzige, den der fehlende Nachwuchs zum Aufgeben gezwungen hat. 2018 wurde bereits der Samariterverein Rifferswil aufgelöst, vor drei Jahren jener in Ottenbach. Übrig geblieben sind in den Säuliämtler Gemeinden noch deren fünf. Neben Bonstetten-Wettswil werden in Obfelden, Aeugst-Stallikon, Mettmenstetten und Hedingen weiterhin Samariterdienste angeboten.

Um Menschen bereits im jungen Alter für die Samaritertätigkeit zu begeistern, hat der Schweizerische Samariterbund im Jahr 1968 die erste Helpgruppe für Kinder und Jugendliche gegründet. Schweizweit gibt es inzwischen rund 75 Gruppen, 11 davon im Kanton Zürich. Pro Jahr entstehen fünf neue Gruppen. Gemäss dem Beauftragten für Jugendarbeit des Samariterverbandes des Kantons Zürich, Thomas Peter, existiert im Bezirk Affoltern allerdings noch keine Samariterjugendgruppe.

Hedingen: viele Junge und nur zwei Personen über 60 Jahre

Weniger Zukunftssorgen hat der Samariterverein Hedingen. «Wir zählen derzeit 19 Aktivmitglieder», erklärt Präsidentin Susanne Grond auf Anfrage. Das seien zwar elf weniger als noch vor fünf Jahren, jedoch könne man auf ein umso engagierteres Team zurückgreifen. Das sei nötig, denn der Samariterverein Hedingen werde zunehmend auch für Einsätze ausserhalb von Hedingen angefragt. Für das Jahr 2019 schätzt Grond die Einsatzstunden ihres Teams auf gesamthaft 400 Stunden. «Das ist beachtlich, wenn man bedenkt, dass die meisten berufstätig sind». Von den 19 Mitgliedern ist eine Person pensioniert, eine weitere über 60 Jahre alt. Die meisten sind zwischen 35 und 50 Jahre alt. Ein Erfolgsrezept für die Mitgliedersuche hat auch Susanne Grond nicht, in Hedingen habe es sich jedoch bewährt, als Verein an Dorfanlässen präsent zu sein. Und auch die Weiterempfehlung durch die eigenen Mitglieder sei natürlich wichtig, betont sie. Das scheint in Hedingen zu gelingen; dieses Jahr konnten bereits zwei Neueintritte verzeichnet werden.

Der Samariterverein Hedingen legt grossen Wert auf die Aus- und Weiterbildung seiner Mitglieder. Erstere dauert für Neumitglieder in der Regel acht Tage. Die Kurskosten werden vom Verein übernommen. Ausserdem wird den Mitgliedern ein kleines Taggeld ausbezahlt.

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