Die grosse Freiheit – wiederentdeckt

Bis 1985 bedeutete das Töffli die grosse Freiheit für die Jugend. Die Helmpflicht, das Mountainbike und schnellere 50er-Roller liessen die zweitaktgetriebenen Motorfahrräder in der Versenkung verschwinden. Bis 2005 eine Subkultur entstand, der auch Franz Arnold in Uerzlikon frönt.

Was gibt es Schöneres, als mit dem Mofa durch die Frühlingslandschaft zu kurven? <em>(Bilder Martin Platter)</em>

Was gibt es Schöneres, als mit dem Mofa durch die Frühlingslandschaft zu kurven? <em>(Bilder Martin Platter)</em>

In der Werkstatt wartet bereits der nächste Oldtimer auf seine Instandstellung.

In der Werkstatt wartet bereits der nächste Oldtimer auf seine Instandstellung.

Franz Arnold schiebt gerade das fünfte Töffli auf den Platz vor dem früheren Lagerhaus der Landi Albis in Uerzlikon, wo er sich vis-à-vis des «Maxi»-Ladens auf zwei Stockwerken eingemietet hat. Im Inneren des Schuppens ist es kühl. Neben alten Nähmaschinen, einem Billard-Tisch, einer Band- und einer Werkstatt-Ecke stehen seine Trouvaillen in Reih und Glied: 20 Mofas verschiedener Marken und Ausführungen. Die meisten sind angetrieben vom legendären Sachs-Motor der Baureihe 502. Mofa für Mofa schiebt Arnold ins Freie auf die Laderampe, um sie mit dem hydraulischen Lift auf den Platz hinunterzulassen. Es ist Fototermin. Da will er seine Töffli würdig präsentieren.

Die Sonne scheint. Eine Harley knattert auf der Hauptstrasse vorbei, wird aber vom aufheulenden Zweitakter übertönt. Arnold hat einen seiner Lieblings-«Hödis» angelassen und nebelt gerade mit diebischem Grinsen die Umgebung mit einer blauen Abgaswolke ein. Es riecht nach Benzin. Dazu liegt dieser eigentümliche Geschmack von teilverbranntem Zweitaktöl in der Luft, der Erinnerungen an die eigene Jugendzeit erwachen lässt. Damals, als das Mofa noch die grosse Freiheit bedeutete. «Meine Kumpels hätten sich totgelacht, wenn ich in meiner Jungendzeit von meinen Eltern mit dem Auto in den Ausgang kutschiert worden wäre», sagt Arnold mit einem Augenzwinkern.

Patina verleiht den Mofas Seele

Unter ihm knattert das «Rixe»-Motorfahrrad inzwischen im Standgas. Mit dem ausladend geschwungenen Ape-Hanger-Lenker, den voluminösen Schutzblechen und dem Tank mit USA-Flagge ist es eine Ausnahme in Arnolds Sammlung. Der 55-Jährige bevorzugt originale «Schnäpperli» möglichst aus den 1960er-Jahren, die von einem 502er-Motor angetrieben werden und – wichtig! – Patina tragen. Die übertrieben bis auf die letzte Schraube restaurierten, frisch gespritzten und veredelten Oldtimer sind ihm ein Graus. Damit verlören die alten Gefährte ihre Seele. «Jede Beule und jeder Kratzer erzählt eine Geschichte. Deshalb darf man meinen ‹Sackgeldverdunstern› die Jahre, die sie auf dem Buckel haben, ansehen», erklärt Arnold stolz.

Der Fokus auf Mofas mit Sachs-502-Motor kam nicht ganz freiwillig: «Ich musste mich beschränken. Als ich 2010 mit der Mofa-Sammlerei begonnen hatte, musste ich noch einen weiteren Raum anmieten. Bald erkannte ich, dass ich mich auf einen bestimmten Motor und eine Zeitspanne beschränken muss, denn das Ganze wurde rasch sehr unübersichtlich. Das Ersatzteillager platzte mit der Fülle an verschiedenen Motoren und Modellen aus allen Nähten. Zudem konnte ich die vielen Töffli gar nicht mehr fahren, was aber eigentlich mein Hauptanliegen ist», erzählt Arnold, der auf der Rixe sitzend ein bisschen an Peter Fonda im US-Filmklassiker «Easy Rider» erinnert.

Erhebendes Gefühl von Freiheit

Das ist kein Zufall. Auch Arnold hat früher mit Hingabe einen Harley-Chopper pilotiert. Bis zu jenem verhängnisvollen Unfall, der ihn bis heute an eine Krücke zwingt. «Defektes Chassis», kommentiert der passionierte Country-Musiker mit eigener Band (thehobos.ch) lakonisch. Ein Vierteljahrhundert habe er danach kein Zweirad mehr angerührt. Bis ein Kumpel 2010 mit einem Töffli bei ihm aufgekreuzte. Arnold erinnert sich: «Das Feuer fürs Zweirad war augenblicklich wieder entfacht. Dieses erhebende Gefühl von Freiheit, wenn einem der Fahrtwind um die Ohren bläst; auf einem Gefährt, das man auch motortechnisch im Griff hat.» Wenig später habe er im Internet für 1350 Franken eine «Caravelle» mit seinem Jahrgang (1963) gekauft. «Die Leidenschaft liess mich bis heute nicht mehr los», sagt der gelernte Sattler, der inzwischen auch zu einem routinierten Mofa -mechaniker und -restaurator geworden ist. «Aber nur hobbymässig», schränkt Arnold dezidiert ein. Er verbringe schon genügend Zeit in der Werkstatt. Viel lieber ist er auf schönen Mofa-Touren, die er auch in diesem Jahr wieder mit Gleichgesinnten unternehmen wird.

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