Pro und Kontra zum Spital Affoltern

Am Freitagabend stellten sich die prominentesten Spitalbefürworter und -gegner den brennenden Fragen. Dabei gab sich Stefan Gyseler überraschend angriffig, Clemens Grötsch eher wortkarg, Bertram Thurnherr verfahrenstechnisch versiert und Michael Buik optimistisch.

Auf der Bühne standen Michael Buik, links, Stefan Gyseler, Clemens Grötsch und Bertram Thurnherr, rechts, Red und Antwort, moderiert von Bernhard Schneider, Mitte. <em>(Bild Martin Platter)</em>
Auf der Bühne standen Michael Buik, links, Stefan Gyseler, Clemens Grötsch und Bertram Thurnherr, rechts, Red und Antwort, moderiert von Bernhard Schneider, Mitte. <em>(Bild Martin Platter)</em>

Bei Moderator Bernhard Schneider hatte sich im Vorfeld der Veranstaltung eine längere Schlange gebildet. Das Publikum am Freitagabend im Kasino war aufgefordert, ihm die Fragen an die vier Podiumsteilnehmer aufzugeben. Das Podium war hochkarätig besetzt mit den beiden Befürwortern Spitaldirektor Michael Buik und Stefan Gyseler, Präsident der Spitalbetriebskommission, und den zwei Spitalgegnern Clemens Grötsch, Stadtpräsident von Affoltern und einstiger Spitalbetriebskommissionspräsident, sowie Bertram Thurnherr, Alt-Gemeindepräsident von Hedingen und 2013 als Mitglied der Spitalbetriebskommission noch glühender Verfechter einer Spital-AG.

Einstieg ohne Umschweife

Schneider begann die Fragerunde ohne Umschweife: «Was geschieht mit dem Spital, wenn das Stimmvolk Nein sagen würde zur Auflösung des Zweckverbandes?» Gyseler: «Es würde ein Chaos geben. Denn die beiden Gemeinden Bonstetten und Hedingen sind bereits ausgetreten.» Thurnherr stimmt Gyseler zu und ergänzt: «Etwa die Hälfte der Gemeinderäte sind für ein Nein.» Grötsch: «Wir werden dann im Stadtrat wieder an die Arbeit gehen und nach einer Lösung suchen.» Gyseler hakte bei Grötsch nach: «Was würde Affoltern konkret tun?» Grötsch: «Ich kann die Frage nicht beantworten.»

Schneider: «Wieso hat man mit der Abstimmung vom 19. Mai nicht gewartet bis die Spitalliste des Kantons mit den neuen Leistungsaufträgen bekannt ist?» Gyseler: «Mit dem Austritt von Hedingen und Bonstetten aus dem Zweckverband wurden wir gezwungen, rasch zu handeln.»

Thurnherr: «Die Abstimmung hätte eigentlich schon vor einem Jahr stattfinden sollen. Damals war auch die Spitalliste noch nicht so heiss diskutiert wie heute. Schade finde ich, dass das Jahr relativ schlecht genutzt verstrich. Es wurde beispielsweise keine Vernehmlassung in den Gemeinden zu den Spitalvorlagen vorgenommen.» Damals sass auch Grötsch noch in der Betriebskommission. Deshalb wurde die Frage an ihn gerichtet: Hat die damalige Betriebskommission das Geschäft verschlafen? Grötsch: «Wir waren damals nur zu fünft in der Betriebskommission. Die Entscheide fielen oft 3:2.» So habe er sich geweigert, in einen Abstimmungskampf zu ziehen. Kräftemässig habe sich seither allerdings nicht viel geändert. Gyseler hakte nach: «Bertram, ihr habt es 2013 schon verschlafen, wolltet dem Stimmvolk ohne Strategie für das Spital ein neues Bettenhaus schmackhaft machen.» (Spontanapplaus aus dem Publikum.)

Die Chancen packen

Thurnherr: «Wir sollten uns auf heute konzentrieren.» Das führte zur nächsten Frage Schneiders an Thurnherr: «Woher der Gesinnungswandel um 180 Grad vom Spitalbefürworter zum Spitalgegner?» Thurnherr: «Weil sich uns 2013 die Situation noch komplett anders präsentierte. Die Spitalliste war noch kein Thema. Ebenso das Investitionsvolumen von 100 Mio. Franken. Auch der Trend von der stationären zur ambulanten Behandlung aus Kostengründen war noch nicht so dringlich wie heute.» Grötsch: «Es ist nicht so, dass in der Zwischenzeit der Hammer vom Himmel fiel. Wir könnten uns einigen auf ein Ambulatorium ohne Bettenhaus.» Worauf sich Michael Buik in die Diskussion einschaltete: «Ein Ambulatorium alleine ist kein Thema. Wir haben jetzt die Chance, von den Fehlern der umliegenden Spitäler zu profitieren und eine für Affoltern massgeschneiderte Lösung auszuarbeiten.»

Gyseler zu Grötsch: «Ihr werdet es nicht schaffen, wie angekündigt bis 2020 eine medizinische Permanence dem Betrieb zu übergeben. Uns wirft man immer vor, wir hätten keine Strategie. Dabei haben wir im Gegensatz zu euch bereits einen gut funktionierenden Betrieb.» Grötsch: «Ich gehe davon aus, dass das Spital Affoltern auch nach 2020 noch läuft – wenn man sich auf die Altersmedizin konzentriert.» Buik ergänzt: «Zum Basispaket Notfall gehört zwingend die Chirurgie und die Innere Medizin – und das rund um die Uhr.»

Stellen würden abgebaut

Schneider: «Was geschieht, wenn das Spital Affoltern von der Spitalliste gestrichen wird?» Buik: «Davon ist nicht auszugehen. Es zeichnet sich ab, dass die Psychiatrie – eine Stärke am Spital Affoltern – aufgewertet werden wird. Zudem wird die Bevölkerung älter. Deshalb ist auch nicht davon auszugehen, dass die Palliative Care geschlossen wird.» Schneider: «Was geschieht, wenn die Bevölkerung für die Auflösung des Zweckverbandes aber gegen die beiden Nachfolgeorganisationen stimmt?»

Gyseler: «Wenn der Zweckverband liquidiert werden soll, und die Bevölkerung das Spital und die Langzeitpflege nicht mehr will, muss die Delegiertenversammlung des Spitalzweckverbandes die Liquidation des Spitals bestätigen und nach Ablauf der Rekursfristen einen Liquidations-Ausschuss bestimmen, der in einem Submissionsverfahren Boden und Immobilien veräussert und den Ertrag anteilsmässig den Gemeinden zukommen lässt.» Die akut Pflegebedürftigen müssten auswärts gegeben werden. Grötsch: «Wir wollen das Seewadel neu bauen. Da möchten wir nicht auch noch mit 22 bis 39 Prozent – je, nachdem, wie viele Gemeinden letztlich mitmachen – Anteilseigner vom Sonnenberg sein.» Gyseler: «Auch für uns steht fest, dass mit dem geplanten Umbau des Angebotes künftig nicht mehr alle 720 Stellen erhalten werden können. Der Stellenabbau soll aber nicht mit Entlassungen, sondern mit natürlicher Fluktuation und Altersabgängen kompensiert werden. Wir wollen kein betreutes Wohnen im Alter anbieten, benötigen im Bezirk aber die 320 Pflegeplätze, die wir jetzt haben.»

Thurnherr: «Es gäbe Investoren, die den Betrieb Sonnenberg übernehmen würden. Ohne Sonnenberg hätten wir im Amt eindeutig zu wenig Pflegeplätze. Da sind nun die 13 Gemeinden gefragt, die ihre Langzeitpflege organisieren müssen. Stellt sich die Frage, ob das künftig die vorgelegte Interkommunale Anstalt oder eine private Organisation erledigt.»

Gyseler: «Wieso redet ihr beiden (Grötsch und Thurnherr) eigentlich nicht miteinander? Das würde doch einen Sinn ergeben. Der eine will bauen (Seewadel) und der andere einen privaten Investoren bringen.» Thurnherr: «Ich verstehe den Stadtrat von Affoltern, dass er den Sonnenberg nicht will.»

Schneider: «Wie würde Affoltern bei einer allfälligen Liquidation vorgehen?» Grötsch: «Jetzt machen wir zuerst die Pflege, dann schauen wir weiter…» Schneider: «Würde eine Langzeitpflege ohne Spital überhaupt funktionieren?» Thurnherr: «Das ginge problemlos.» Buik: «Das geht – aber ohne den Mehrwert des nahen Spitals, der Spezialisten wie Akutgeriater bereithält.» Grötsch: «Es braucht einen Hausarzt, der zugeteilt ist.»

Schneider: «Wer kann die Aktien der gemeinnützigen Spital-AG kaufen?» Gyseler: «Nach einer fünfjährigen Sperrfrist die anderen Gemeinden innerhalb der gAG. Nur wenn die nicht wollen, kann sich ein privater Investor einkaufen. Dazu braucht es allerdings den Segen des Stimmvolkes.» Schneider: «Wie sieht es bei der interkommunalen Anstalt aus?» Thurnherr: «Eine Gemeinde kann nach vierjähriger Sperrfrist ihr Dotationskapital nur an andere Gemeinden innerhalb der Anstalt veräussern. Das Kapital wandelt sich dann zu einem zinslosen Darlehen.»

Ein Ja kostet zunächst nichts

Schneider: «Was kostet ein dreifaches Ja das Stimmvolk?» Gyseler: «Das kostet die Stimmbürgerinnen und -bürger zunächst gar nichts. Es geht darum, dem Regierungsrat zu zeigen, dass wir zu unserem Spital stehen und auf die Spitalliste wollen. Wir brauchen die gAG als Institution, damit wir die Gesuche für Leistungsaufträge beantragen können. Sind wir auf der Spitalliste, gehts ums neue Bettenhaus für rund 110 Millionen Franken. Dazu gibts nochmals eine Abstimmung. Würde sie angenommen, brauchen wir eine Kapitalerhöhung für rund zehn Millionen Franken. Der Rest wäre Fremdgeld, für das unter Umständen von den Gemeinden gebürgt werden muss.»

Thurnherr: «Über das Risikokapital stimmen wir jetzt schon ab. Es würde künftig 18 Millionen betragen.» Gyseler: «Mit einem Ja geht das Kreditlimit an die gAG über. Im bisherigen Zweckverband haben die Gemeinden unlimitiert für das Spital gebürgt. Neu wäre die maximale Bürgschaft 18 Millionen für alle teilnehmenden Gemeinden zusammen.» Grötsch: «Derzeit müssten etwa 29 Millionen ins Spital investiert werden. Wir haben Respekt, dass sich der Anteil für Affoltern erhöhen wird, wenn weitere Gemeinden aussteigen.» Gyseler: «Die 57 Millionen Franken Investitionsbedarf, die wir für die bestehende Bausubstanz errechnet haben, würden mit dem Neubau des Bettenhauses selbstverständlich nicht noch einmal zusätzlich anfallen.»

Schneider: «Wieso wird die Jahresrechnung 2018 nicht vor der Abstimmung dem Stimmvolk präsentiert?» Buik: «Zu verbergen haben wir nichts. Die Rechnung fällt rund 1,3 Millionen Franken besser aus als budgetiert. Wir weisen ein Defizit von 470000 Franken aus, anstelle der prognostizierten Minus von 1,8 Millionen.» Schneider: «Was würde geschehen, wenn das Stimmvolk drei Mal Ja sagen würde, das Spital aber dennoch von der Spitalliste gestrichen würde? Ginge eine Permanence dennoch?» Gyseler: «Für eine Permanence braucht es keine Spitalliste.» Buik: «Ein dreifaches Ja hätte eine positive Signalwirkung auf Ärzte und Patienten.» Grötsch: «Ich halte das für Wunschdenken.» Gyseler: «So lange diese Abstimmung wie ein Damoklesschwert über dem Spital hängt, ist die Verunsicherung bei Belegschaft, Patienten und deren Angehörigen bestimmt grösser.»

Buik: «Was mich stört ist, dass im Zusammenhang mit dem Spital immer so Defizit- und Risikoorientiert kommuniziert wird. Niemand sagt, dass das Spital auch einen grossen Wert für die Region hat.» Thurnherr: «Ich halte die ganze Angstmacherei, dass ohne Spital die Gesundheitsversorgung im Säuliamt zusammenbrechen wird, für übertrieben. Auch die Arbeitsmodelle, wie Hausärzte praktizieren, werden laufend moderner. Ärzte schliessen sich zusammen und gründen Gemeinschaftspraxen. Es kann auch Teilzeit gearbeitet werden, was Ärztinnen und Ärzten mit Familien entgegenkommt. Es besteht kein Grund zur Besorgnis.»

Zweifel an der Einschätzung des Regierungsrats

Es beginnen die spontanen Fragen direkt aus dem Publikum. Ein Votant ist überzeugt, dass ein dreifaches Ja ein klares Signal an den Regierungsrat ist. Er bezweifelt, ob die von der Stadt Affoltern angedachte Permanence gehen wird. Nicht mal im Hauptbahnhof Zürich habe es rund um die Uhr funktioniert. Grötsch: «Ich habe nie einen 24-Stunden-Betrieb in Aussicht gestellt. Wir machen Öffnungszeiten. Der Rest der Zeit könnten zum Beispiel das Limmattal Spital übernehmen.»

Wie sieht es mit der Versorgungsrelevanz des Spitals Affoltern aus? (Der Regierungsrat hat diese bezweifelt.) Thurnherr und Grötsch geben dem Regierungsrat recht. Gyseler hält dagegen: «Der Regierungsrat bezeichnet vermutlich nur das Kinder- und das Unispital als systemrelevant. Isoliert betrachtet sind auch die Spitäler in Uster, Wetzikon und sogar im Limmattal für den Kanton nicht versorgungsrelevant. Für unsere Region ist das Spital Affoltern aber sehr wohl wichtig.» Woher nimmt Affoltern die Ärzte für die geplante Permanence? Grötsch: «Die finden wir dann schon.» (Gelächter im Saal) Was geschieht, wenn auch das Stimmvolk in Affoltern für sein Spital stimmt? Grötsch: «Wir haben keinen Krieg und werden Lösungen im Sinne des Volkswillens ausarbeiten.»

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