«Es gibt keinen Plan B»

Am 9. Februar entscheidet das Affoltemer Stimmvolk, ob der Bezirkshauptort ein neues Altersheim erhält. An der gut besuchten Info-Veranstaltung vom Montagabend gab vor allem das Provisorium zu reden – und am Rand ging es um Tiere.

Immobilienvorsteherin Eliane Studer Kilchenmann und Stadtpräsident Clemens Grötsch standen am Montagabend Red und Antwort. <em>(Bild Livia Häberling)</em>
Immobilienvorsteherin Eliane Studer Kilchenmann und Stadtpräsident Clemens Grötsch standen am Montagabend Red und Antwort. <em>(Bild Livia Häberling)</em>

Es sei eines der grössten Projekte der Öffentlichen Hand in Affoltern, sagte Clemens Grötsch einleitend. Gemeint war das Projekt «Papillon», das als Ersatz für das 46-jährige Alters- und Pflegeheim Seewadel gebaut werden soll. Ursprünglich war der Neubau mit 60 Betten auf drei Etagen vorgesehen, wofür Kosten von 22,5 Millionen Franken veranschlagt wurden. Im August 2018 entschied der Stadtrat, die Anzahl der Betten auf 80 zu erhöhen, was der heutigen Kapazität des «Seewadel» entspricht. Ende Oktober 2019 präsentierte der Stadtrat eine überarbeitete Kalkulation. Abzüglich eines Legats über 1,1 Millionen kostete das Projekt neu 43,8 Millionen Franken. Dass sich die Kosten nahezu verdoppelt hatten, lag am zusätzlichen Stockwerk (+11,2 Millionen), an der neu eingeplanten Tiefgarage (+3,5 Millionen) sowie am Provisorium (+7,7 Millionen), das zunächst nicht in die Rechnung eingeflossen war.

Eliane Studer Kilchenmann zeigte auf, welche Veränderungen das Projekt erfahren hat: zum Beispiel den Verzicht auf einen Holzbau aus Kostengründen oder den Entscheid für das Nachhaltigkeitslabel Minergie-P, wofür die Stadt mit Fördermitteln von einer Viertelmillion Franken rechnet. Nachdem Architekt Lukas Bucher die Raumaufteilung der Stockwerke erläutert hatte, ging Eliane Studer Kilchenmann auf das Provisorium ein. Die Zimmer, 23m, ausgestattet mit Dusche und WC, würden sich an den Standard des Neubaus anlehnen und damit «einen Qualitätssprung» für die Bewohnerinnen und Bewohner bedeuten. Zu den Gesamtkosten erklärte sie, der Preis pro Zimmer liege im Neubau bei 438018 Franken, was verglichen mit Objekten in Zürich und Luzern «absolut im Rahmen» sei. Die Hotellerietaxen im «Papillon» entsprächen künftig ungefähr jenen in der Senevita Obstgarten und der Langzeitpflege Sonnenberg.

Provisorium: «Abschreibungen von 2,5 Millionen sind hoch»

In der anschliessenden Fragerunde wollte alt SVP-Nationalrat Toni Bortoluzzi wissen, ob man bei der Festlegung der Bettenzahl mit der Langzeitpflege Sonnenberg die Kooperation gesucht habe. Diese Institution gehöre zu einem Viertel Affoltern, ausserdem sei rund ein Viertel der Plätze dort frei, womit er sich frage, ob es überhaupt ein Provisorium gebraucht hätte. Clemens Grötsch erklärte, die Stadt habe in der Vergangenheit die Zusammenarbeit mit den anderen Gemeinden für die Finanzierung eines gemeinsamen Alters- und Pflegeheims gesucht. Die Resonanz sei «sehr bescheiden» gewesen. Die Zahl der Betten sei am Bedarf von Affoltern ausgerichtet worden – gewissermassen auch, um auf die anderen Bezirksgemeinden etwas Druck auszuüben. Nun aber, mit einer Demenzabteilung und der Gerontopsychiatrie, machten 80 Betten Sinn. In der Langzeitpflege Sonnenberg sei derzeit rund ein Drittel der Plätze durch Affoltemerinnen und Affoltemer belegt. Eine Koordination sei geprüft, aber von beiden Seiten für nicht praktikabel erklärt worden.

Das Provisorium auf dem Giessen-areal gab weiter zu reden. Zum Beispiel wurden die genauen Kosten erfragt. Der Kaufpreis, so Eliane Studer Kilchenmann, betrage 8,6 Millionen. Nach dem Umzug in den Neubau werde das Provisorium für 1,1 Millionen an die Lieferantin zurückverkauft. Unter dem Strich koste es 7,7 Millionen. Nach der Veranstaltung präzisierte die Immobilienabteilung auf Nachfrage, der Einkaufspreis liege bei 8255647 Franken. Nach zwei Jahren werde das Objekt für einen Bruttopreis von 1445000 Franken an Erne AG zurückverkauft, wovon nach Abzug der Kosten für den Rückbau 481410 Franken als Verkaufserlös übrig bleiben.

SVP-Kantonsrat Hans Finsler bezeichnete die Ausgaben für das Provisorium als «stolzen Preis» und erkundigte sich nach Sparpotenzial, worauf Clemens Grötsch erklärte, dieses habe man ausgereizt, zum Beispiel bei der Küche. Diese miete man nicht, sondern man übernehme sie vom «See-wadel». Auch Toni Bortoluzzi befand die jährlichen Abschreibungen von 2,5 Millionen auf dem Provisorium als hoch. Clemens Grötsch entgegnete, die voraussichtlichen Mieteinnahmen von 2,5 Millionen seien in dieser Rechnung nicht enthalten. Sei der Betrieb voll ausgelastet, könne ein Teil der Abschreibungen mit höheren Mieteinnahmen ausgeglichen werden.

«Dann schliesst das Haus zum Seewadel»

Gefragt wurde auch, wie realistisch der Zeitablauf des Projekts – also ein Einzug in den Neubau im Herbst 2022 – sei. Lukas Bucher bezeichnete den Ablauf als anspruchsvoll, aber realistisch; bei Bauverzögerungen stehe das Provisorium den Bewohnenden länger zur Verfügung. Auch Tiere wurden in der Fragerunde zum Thema. Ein Anwohner erkundigte sich, welche Tierart im Garten vorgesehen sei und platzierte seine Bitte: «möglichst wenig Geruchs- und Lärmemissionen.»

Und was, fragte jemand, wenn der Kredit abgelehnt wird? «Es gibt keinen Plan B», so Clemens Grötsch. «Dann entzieht der Kanton die Betriebsbewilligungen, und das Haus zum Seewadel schliesst.» Ohne Ersatzbau. Zweimal ergriff alt Gemeindepräsidentin Irene Enderli das Wort, um den Objektkredit zu bewerben. «Stimmen Sie Ja, für ein lebenswertes Zuhause», bat sie. «Ich würde es nicht verstehen, wenn die Stadt nach der Abstimmung erneut vor einem Scherbenhaufen steht.»

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