Der Kanal in Ottenbach ist wieder voll Wasser

Werkhof-Mitarbeiter des Awel haben die verstopften Einlauffallen des Oberwasserkanals an der Reuss in Ottenbach mit einem nicht alltäglichen Bootseinsatz wieder befreit.

Abenteuerurlaub oder Arbeitseinsatz? Awel-Mitarbeiter im Spezialeinsatz beim Ottenbacher Wehr. (Bilder Christine Häusermann)
Abenteuerurlaub oder Arbeitseinsatz? Awel-Mitarbeiter im Spezialeinsatz beim Ottenbacher Wehr. (Bilder Christine Häusermann)

Seit Monaten wunderten sich die Spaziergänger, warum der Oberwasserkanal in Ottenbach immer weniger Wasser führte. Erst hatte der Kanton das Streichwehr aufwändig restauriert und nun legte man den Kanal trocken, wie ging das zusammen? Musste er gesäubert werden? Machten die Fischer ein Experiment? Wollten die Jäger bei der Entenjagd eine bessere Sicht auf die Enten haben? Nein, nichts dergleichen! Die Nachfrage ergab, dass es an den verstopften Einlauffallen oben beim Wehr lag. Die vier Einlauffallen regeln, wie viel Wasser in den Kanal abfliessen kann. Da die Sicht auf den Grund des Wassers aber getrübt ist, konnte man nicht genau erkennen, was für die Verstopfung insbesondere der ersten Einlauffalle verantwortlich war.

In Absprache mit dem zuständigen Fischereiaufseher vom Amt für Landschaft und Natur, dem Biologen Christoph Quinter, der Ottenbach auch als neuer Jagdpächter kennt, wollte man nun vorwärtsmachen, damit der Kanal nicht vollkommen austrocknet. Fische seien beim monatelangen Niedrigstand aber keine verendet, meinte Erich Hess, Werkhofleiter des kantonalen Amts für Abfall, Wasser, Energie und Luft (Awel), zuversichtlich: «Die sind vorher davongeschwommen.»

Abenteuer im Job

Um acht Uhr morgens stehen die fünf Männer des Awel etwas ratlos am Wehr und überlegen, wo es eine flache Stelle gibt, um das Boot, das sie extra vom Greifensee herübergefahren hatten, zu wassern. Vom Greifensee? Die Ottenbacher Pontoniere hätten doch sicher ein geeignetes Boot für den Einsatz? Erich Hess verweist auf die langen administrativen Wege, da habe man lieber das eigene Boot des Awel eingesetzt und das sei halt im Greifensee stationiert.

Bei der Anlegestelle beim Pontonierhaus gelang es nicht, das Boot auf die Reuss zu setzen. Zwei Stunden später sitzen dann aber zwei Männer im Boot und fischen am Stauwehr buchstäblich im Trüben. Die fünf Mitarbeiter hatten bei der Obfelder Brücke kurzerhand eine Rampe gebaut, um die Übung nicht abbrechen zu müssen, bevor sie richtig begonnen hatte.

Am Steuer sitzt der bootserfahrene Michel Römer, derweil Simon Corrado mit Haken, Mistgabel und Kette dünnere und dickere Äste aus dem Wasser zieht. Im Boot auf dem Bauch liegend schiebt sich der junge Mann weit über den Bug, zieht eine Schlinge um grössere Äste und mit einem schnellen, kräftigen Ruck spannt er die Kette um den Ast. Von oben reichen ihm die Kollegen den Haken der Seilwinde, das an einem am Ufer verankerten Nutzfahrzeug angemacht ist. «Kann ich die Schwimmweste nicht ausziehen?» ächzt der junge Mann. Erich Hess’ klare Antwort kennt er schon: «Nein!» Bei jedem Abtransport trübt sich das Wasser und die Bootsfahrer müssen einige Minuten warten, bis wieder klarere Sicht herrscht. Eine willkommene Pause für den stark geforderten Simon Corrado, dem wahrscheinlich abends die Arme schmerzen werden.

Der Befreiungsschlag gelingt

Das eigentliche Hindernis, ein langer, ganzer Baum liegt aber tiefer im Wasser. Michel Römer lenkt das Boot nun näher zur reissenden Überlaufschwelle, mit dem Bug stellt er es an der Mauer der Einlauffallen ruhig. Simon Corrado lässt die Kette an der einen Seite des Baumstamms unter Wasser und hakt von der anderen Seite mit der Mistgabel nach der Kette. Das Kunststück gelingt, die Kette zurrt den Stamm fest.

Von oben reichen die Kollegen das Seil herunter – jetzt bloss nicht die Kette loslassen – Simon Corrado streckt sich nach beiden Seiten, ruhig und
sicher schliesst er die Seilwinde an die Kette. Das Boot setzt nun rückwärts, raus aus der Gefahrenzone. Die Seilwinde wird langsam gespannt, hoffentlich bricht der Baum nicht entzwei, nein, es gelingt. Als der unter der Schleuse festgeklemmte Baum freikommt, gelingt dies mitsamt seinem Wurzelstock, in dem sich ein Pfropfen von Dreck, Ästen und Sedimentablagerungen festgesetzt hat. Der wahre Durchbruch gelingt, die Einlauffalle ist befreit, braune Wellen strömen in das Tosbecken des Kanals.

Das Kleinkraftwerk kann wieder Strom produzieren

Betriebsleiter Erich Hess hat Hans ­Fässler vom Verein Historisches Kleinkraftwerk aufgeboten, damit er unten bei der Fabrik die Schleuse der Leerlauffalle weiter öffnen kann, um mehr Raum für die plötzlichen Wassermassen zu schaffen. Durch die Leerlauffalle strömt das Wasser, wenn die Turbine nicht betrieben wird. Hans Fässler freut sich über die schäumenden Wellen, die unter seinen Füssen nun wieder vorbeirauschen. Auf 1 Meter 40 hat er die Schleuse hochgestellt. Normalerweise sind die vier Einlauffallen oben am Wehr auf eine Wassermenge von drei bis vier Kubikmeter pro Sekunde eingestellt. Jetzt spült man den Kanal aber durch, deshalb braucht das ­Wasser mehr Raum. Bei den Führungen des Kleinkraftwerks kann ab jetzt die Francisturbine von 1920 wieder in Betrieb genommen werden und den ­Erholungssuchenden entlang des Kanals präsentiert sich dieser wieder als romantische Wasserstrasse statt als ­trockener Graben. Auch die Fische und den Biber wird es freuen.

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