Politische Aussagen szenisch umgesetzt als neue Perspektive

Polit-Theater auf der Bühne der Aula Ennetgraben. Die Darstellerinnen des Playback-Theaters ziehen an einem Strang, die Kantonsrats-Kandidierenden – von links: Daniel Sommer, Hannah Pfalzgraf, Kurt Meister, Ronald Alder, Tamara Fakhreddine und Thomas Schweizer – schauen gebannt zu. (Bild Thomas Stöckli)
Ein Polit-Theater anstelle eines stieren Podiums? Kantonsrats-Kandidierende von sechs Parteien haben die ungewöhnliche Herausforderung angenommen und dem Publikum einen vor allem unterhaltenden Abend beschert.
Von: Thomas Stöckli
«Wisst ihr nun, wen ihr wählt?», fragte Karin Bettina Gisler, Leiterin des Playback-Theaters Zürich, nach anderthalb Stunden interaktivem Polit-Theater ins Publikum und auf ihre Frage schnellten überall Hände in die Höhe. Bei der nächsten Frage: «Habt ihr es auch vorher schon gewusst?», schienen es allerdings kaum weniger Hände zu sein.
Rund anderthalb Stunden zuvor hatten sich bereits rund 150 Interessierte in der Aula Ennetgraben eingefunden. Während im Publikum die Neugierde auf den für ein Wahlpodium ungewohnten Ansatz erkennbar war, hatte die eine oder der andere unter den sechs Kandidierenden sichtlich mit Lampenfieber zu kämpfen. Schliesslich sollte einiges anders laufen, als man es sich gewohnt war. Der Herausforderung stellten sich die Spitzenkandidierenden der SP, der FDP, der GLP, der Grünen und der EVP, sowie ein Kandidat der Mitte. Auf die Teilnahme verzichtet haben die SVP und die EDU.
Einen unterhaltenden Ansatz bieten
«Warum machen wir so ein Theater?», fragte Rolf Vollenweider, Präsident der SP Bezirk Affoltern, welche aktuell den Vorsitz in der Interparteilichen Konferenz (IPK) des Bezirks innehat, rhetorisch in die Runde. Die Antwort gab er gleich selbst: Weil herkömmliche Wahlpodien auf immer weniger Interesse stossen, habe man einen unterhaltenden Ansatz zur Politik bieten wollen. So wünschte er den Anwesenden einen vergnüglichen Abend – «und vielleicht die eine oder andere Erkenntnis, die hilft, den Wahlzettel auszufüllen.»
Dass es ein interaktiver Abend werden würde, sich das Publikum also aktiv einbringen durfte, ja sogar sollte, machte das Team des Playback-Theaters von Anfang an klar. «Was ist Politik?», fragte Karin Gisler in den Saal. «Demokratie möglich machen» und «ist immer und überall da», tönte es unter anderem zurück. Daraus formten die drei Schauspielerinnen auf der Bühne dann spontan ihre ersten Szenen.
Exakt zwei Minuten hatten die Kandidierenden Zeit, sich selbst und ihre Positionen vorzustellen. Den Anfang machte Mitte-Kandidat Kurt Meister, stellvertretend für Clemens Grötsch, dem das Konzept der Veranstaltung nicht in die Strategie passte: «Ich mache einen Inhalts-Wahlkampf», sagte er auf Nachfrage. Es folgten in ausgeloster Reihenfolge Thomas Schweizer (Grüne), Ronald Alder (GLP), Tamara Fakhreddine (FDP), Hannah Pfalzgraf (SP) und schliesslich Daniel Sommer (EVP), der nicht nur als Kantonsrat zur Wiederwahl steht, sondern auch für den Regierungsrat kandidiert.
Dazwischen setzen die Schauspielerinnen mit musikalischer Begleitung immer wieder Teile der Aussagen szenisch um, mal eine Kernbotschaft, mal eine Nuance, mal eine Reaktion aus dem Publikum. So bekommt das Publikum präsentiert, wie ein «Regierungsrats-Schlupflöchli» aussehen könnte, wie Menschen mit unterschiedlichen Ideen am gleichen Strick ziehen, und darf sich einen «Chancengleichheits-Blues» anhören. Die teils bissigen und liebevoll-entlarvenden aber nie bösartig-blossstellenden Darbietungen wurden mit viel Applaus gefeiert.
Austausch über Parteigrenzen hinaus
Wie die eingangs erwähnte Publikumsbefragung nahelegt, dürfte der Anlass kaum zur Meinungsbildung für Unentschlossene beigetragen haben. Aber immerhin ist es durch die Anreicherung der Informationen mit Unterhaltung gelungen, den so wichtigen Austausch über Parteigrenzen hinaus anzuregen. «Zumindest hattet ihr einen schönen Abend», bilanzierte Karin Bettina Gisler pragmatisch, ehe Rolf Vollenweider in den Apéro entliess.