Von Slowenien bis nach Monaco gewandert

Durch acht Länder mehrmals über den Alpenhauptkamm von Triest bis Monaco, das ist der «Rote Weg» der Via Alpina. Der Aeugster Ultrasportler Adrian Brennwald hat die 161 Etappen in 64 Tagen bewältigt.

Selfie auf der Hängebrücke Belalp – Riederalp. <em>(Bilder zvg.)</em>

Selfie auf der Hängebrücke Belalp – Riederalp. <em>(Bilder zvg.)</em>

Ruhetag in Briançon – Besichtigung der Festungsanlage.

Ruhetag in Briançon – Besichtigung der Festungsanlage.

Schlussspurt: Im Parc National du Mercantour.

Schlussspurt: Im Parc National du Mercantour.

Die Via Alpina führt von Triest, wo sich die kulturellen Einflüsse der Illyrer, der Römer, der Slawen und der Venezianer vermischen, bis zum Fürstentum Monaco, das sich zwischen Meer und Gebirge erstreckt. Es geht vorbei an den höchsten Bergen: Triglav, Zugspitze, Bernina, Mont-Blanc, doch es sind die zahlreichen Natur- und Nationalparks, welche den Wanderer die Dimension der Alpen als grössten europäischen Naturraum begreifen lassen.

Eigentlich sollte die Via Alpina für Adrian Brennwald eine Auszeit zur Entschleunigung werden, ein Herunterfahren vom Sport, eine Zeit des Geniessens. 100 Tage hatte er sich für die 161 Tagesetappen vorgenommen. So «locker» konnte er es dann allerdings doch nicht nehmen: «Ich habe schnell gemerkt: ich muss es in meinem Tempo machen.» Und wer die Karriere des Aeugsters verfolgt, der weiss, was das heisst. Am 18. Juni am Morgen um 4.15 Uhr mit dem Fernbus in Triest angekommen, marschierte er sogleich los in Richtung Slowenien. Gut 50 Kilometer sollten es am ersten Tag werden. «In Slowenien waren die Wege schlecht markiert und zum Teil zugewachsen», blickt er zurück. Entsprechend wollte er dieses noch eher flache Teilstück schnell hinter sich bringen.

«Sobald es hell wurde, bin ich losgelaufen»

Weil viele Hütten noch zu waren, übernachtete Brennwald die ersten drei Nächte im Freien. Mal auf einer Bank, mal an einer Bushaltestelle. Essensvorrat für drei Tage hatte er schliesslich dabei in seinem 18 bis 20kg schweren Rucksack. Schwieriger gestaltete sich der Trinkwasser-Nachschub. Das Wetter war heiss, Brunnen gab es kaum, so musste der Aeugster da und dort auf einem Bauernhof um Trinkwasser bitten. Enttäuscht wurde er nie: «Die Leute waren sehr nett.» Da und dort sei er gar zu einem Schnaps eingeladen worden. Eine Herausforderung war die Verständigung: «Ich kann nur Deutsch und etwas Englisch.»

Tagwache war in der ersten Woche meist zwischen 4 und 4.30 Uhr. «Sobald es hell wurde, bin ich losgelaufen», so Brennwald. Meist waren es zehn oder mehr Stunden, die er bis zum nächsten Übernachtungsplatz wanderte. Er streifte verschiedene Landschaften, querte Bergketten und sammelte Eindrücke, die er in dem hohen Tempo allerdings kaum verarbeiten konnte. Dafür will er sich in den kommenden Tagen Zeit nehmen und den einen oder anderen Wegabschnitt nochmals anfahren.

Drei Paar Wanderschuhe verschlissen

Besonders beeindruckt haben ihn etwa das Biwakieren unmittelbar über dem Aletschgletscher, das Vallée des Merveilles mit seinen prähistorischen Gravuren oder der abrupte Übergang vom grünen Montafon ins von der Dürre gezeichnete Engadin mit staubig trockenen Wanderwegen und abgesperrten Feuerstellen.

Einen Tag für die Besichtigung der mittelalterlichen Altstadt gönnte sich Adrian Brennwald in Briançon, der höchstgelegenen Stadt Frankreichs. Es war einer von nur vier Ruhetagen. Zwei davon waren «Schatzi-Tage», die er mit der Freundin verbrachte, die zu Besuch kam – auch um ihn mit neuen Wanderkarten, Proviant und Wanderschuhen zu versorgen. Drei Paar hat er verschlissen: Die Sohlen waren abgenutzt oder lösten sich zum Teil sogar schon ab.

Mit den Leuten, die ihm unterwegs begegnet sind, habe er nur gute Erfahrungen gemacht, so der Aeugster. Beim Wandern lernte er zwei Amerikaner kennen, eine Italienerin traf er gar zweimal an – sie hatte ein Teilstück abgekürzt – und immer wieder begegnete er Grüppchen, die jedes Jahr wieder zwei, drei Wochen in die Via Alpina einsteigen.

Quälende Ungewissheit, ob sich ein Schlafplatz findet

Slowenien, Italien, Österreich, Deutschland, Liechtenstein, Schweiz, Frankreich und Monaco – durch acht Länder führt der «Rote Weg». Die Unterschiede machten sich in den Hütten bemerkbar. So war die Infrastruktur in Slowenien und Frankreich viel einfacher. Besonders gastfreundlich zeigten sich die Hüttenwarte in Italien. Als Anerkennung für seine Extremleistung wurde er hier gelegentlich nicht nur zum Kaffee, sondern auch zu Brot und Früchten eingeladen. Vor Gewittern fand Adrian Brennwald zwei-, dreimal im Stall eines Bauern Unterschlupf. Insgesamt 25 Mal hat er im Freien übernachtet. «In Italien, Österreich und der Schweiz war das einfacher: Es fand sich immer ein Bänkchen oder ein Picknickplatz, wo ich erhöht liegen konnte, geschützt vom Morgentau.»

In Frankreich bot sich dagegen kaum eine Möglichkeit. Zudem waren hier – mittlerweile in der Hochsaison – die Hütten oft schon voll belegt. «Dieser letzte Teil war mental am anstrengendsten», sagt er. Die Ungewissheit, ob sich irgendwo ein Schlafplatz findet, setzte ihm, der alles gerne durchplant, stark zu. Während es im Knonauer Amt im letzten Monat so trocken war, gingen in den Alpen nämlich immer wieder teils heftige Gewitter nieder. Dreimal geriet Brennwald dabei auch in Hagelfälle: «Wie ein Bach kamen die Hagelkörner den Wanderweg herunter.»

Zu Fuss von Zürich nach Aeugst

64 Tage nach seinem Start in Triest traf Adrian Brennwald am 20. August in Monaco ein. Und weil er sich hier keine Unterkunft leisten konnte, reiste er sogleich nach Nizza weiter. Dort gönnte er sich zwei Tage Ruhe, gemeinsam mit einem Kollegen, der spontan angereist war. Blessuren gab es keine auszukurieren. Abgesehen von den Blasen an den Füssen in den ersten beiden Wochen – «danach hatte ich Hornhaut» – stellten sich keine Beschwerden ein.

In der Nacht von Sonntag auf Montag kam der Aeugster dann mit dem Fernbus zurück in die Schweiz. Um fünf Uhr kam er in Zürich an. Den Heimweg nach Aeugst nahm er dann – wie könnte es anders sein – zu Fuss in Angriff. Der Sihl entlang ging er bis Leimbach, wo er mit seinen Eltern, die dort wohnen, einen Kaffeehalt einlegte, und dann über die Albiskette nach Aeugst. Und worauf hat er sich besonders gefreut? Dazu hat sich Brennwald eine Liste mit zehn Sachen gemacht. «Acht davon haben mit Essen zu tun», verrät er und lacht. Vermisst habe er etwa frische Früchte oder einen Wurst-Käse-Salat. Ganz oben steht allerdings die Familie.

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