ÖV und privater Verkehr rücken zusammen

Neue Apps werden die Verkehrsnutzung grundlegend verändern. Markus Maibach, Geschäftsleiter und Partner des Forschungs- und Beratungsbüros Infras, präsentierte im Anschluss an die ordentlichen Traktanden der Delegiertenversammlung der Zürcher Planungsgruppe Knonauer Amt Thesen zur Zukunft der Mobilität.

Am Bahnhof Affoltern kommen Züge, Busse, Taxis, Autos, E-Bikes und Fahrräder zusammen. Künftig dürften Apps noch viel komplexere Verkehrsbeziehungen an solchen Hubs steuern. (Bild Bernhard Schneider)
Am Bahnhof Affoltern kommen Züge, Busse, Taxis, Autos, E-Bikes und Fahrräder zusammen. Künftig dürften Apps noch viel komplexere Verkehrsbeziehungen an solchen Hubs steuern. (Bild Bernhard Schneider)

Erstens werde autofreies Wohnen auch im Knonauer Amt zunehmen, stellte Markus Maibach fest. In den Städten verfügen immer weniger Haushaltungen über ein eigenes Auto. Maibach erwartet, dass in Agglomerationsgemeinden vergleichbare Entwicklungen folgen werden. Als Beispiel nannte er Uber als neue Form der effizienteren Autonutzung, indem weniger Autos mit höherer Auslastung verkehren. Ein anderes Beispiel neuer Plattformen sind Angebote von Stadt-Velos, die mithilfe einer App die Disposition der Fahrräder automatisch regeln: «Die digitale Steuerung des Verkehrs enthält viel Potenzial zur Effizienzsteigerung.»

Automatisierung

Zweitens ist Maibach der Ansicht, dass die gängigen Verkehrsprognosen, wonach die Verkehrsleistung weiter wie bisher steigt, angesichts der zunehmenden Digitalisierung zu hinterfragen ist: Intelligente Infrastruktur und automatisiertes Fahren erhöhen die Kapazitäten, neue Antriebssysteme und Mobilitätsdienstleistungen verändern die Fahrtenplanung, 3D-Druck und intelligente Güterverteilsysteme werden den Warentransport revolutionieren.

Es sei zwar noch offen, wann Autos ganz ohne Fahrerin oder Fahrer verkehrten, aber die Entwicklungsrichtung sei klar. Beim Privatwagen sei das fahrerlose Fahrzeug vor allem eine Frage der Akzeptanz: «Es ist dasselbe wie beim Flugzeug – einen Pilot braucht es nur noch aus Gründen der Akzeptanz, tatsächlich aber fliegt der Autopilot.» Lastwagen seien dank automatisierter Steuerung schon heute in der Lage, auf Autobahnen flächen- und energieeffizient dicht hintereinander im Windschatten zu fahren.

App plant Verkehrsmittel

Drittens lernt das Smartphone die Bedürfnisse, Wünsche und Möglichkeiten seines Besitzers kennen und übernimmt das Verkehrsmanagement: Von Google werde es wissen, welche Wege der User bei welchem Wetter mit welchem Verkehrsmittel zurücklegt. Bezahlapps würden die finanziellen Möglichkeiten und Präferenzen erfassen. Die Smartwatch kenne die körperliche Leistungsfähigkeit. Verkehrs-App könnten mit diesen Informationen künftig, abhängig von den wetterabhängigen Präferenzen, berechnen, ob der direkte Weg mit dem Bike durch den Wald oder der Umweg mit dem Auto über die Autobahn schneller sei, samt den Kosten für jede verfügbare Variante.

Im Knonauer Amt stellt Markus Maibach Wachstum im ganzen Gebiet fest, nicht nur, wie vom Kanton Zürich gewünscht, entlang der S-Bahn nach Zürich. Dabei steigt die Zahl der Pendlerfahrten nicht nur nach Zürich, sondern auch nach Zug. Eine neue Herausforderung sei die kommende S-Bahn 2G, die mit schnellen einstöckigen Zügen gemäss der kantonalen Planung unter anderem ab Affoltern nach Zürich führen wird.

Eine weitere Herausforderung stellten die Mobilitätsverbünde dar, fuhr Maibach fort, konkret das Feinverteilungsnetz ab den Bahnhöfen – beispielsweise mit Systemen im Sinn von Uber. Leute, die ohnehin fahren, nehmen, vermittelt durch die App, Mitfahrende mit: «Bisher dachte man nur an den Bus. Neue Formen umfassen alle Fahrzeuge, auch Privatwagen und Fahrräder, die von den künftigen Apps erfasst werden. Die Busse werden vielleicht zuerst kleiner und flexibler, irgendwann sitzt in den Fahrzeugen der Feinverteilung kein Fahrer mehr.»

Bahnhof als Hub

Analog zum Flugverkehr entwickelten sich die Bahnhöfe zu Hubs. Die Reisenden kommen mit verschiedenen Fahrzeugen zum passenden Hub, fahren ein Stück mit der Bahn und wählen für die Feinverteilung am Bestimmungsort wieder irgendein Fahrzeug. Dabei sorgen intelligente Systeme dafür, dass der beschränkte Raum für Parkplätze trotzdem genügt, indem die Fahrzeuge tagsüber nicht parkiert, sondern für andere Nutzungen verwendet werden.

In der Diskussion empfahl Markus Maibach den Gemeinden unter anderem, sich mit der Optimierung des Einsatzes von E-Bikes auseinanderzusetzen. Diese beanspruchen wenig Raum, lassen sich flexibel einsetzen und erlauben, Kurzdistanzen schnell, effizient, kostengünstig und ökologisch zu bewältigen. Auf die Frage nach den Perspektiven der Elektromobilität meinte Markus Maibach, dass diese zwingend mit der Energiewende und den Speichermöglichkeiten zusammenhänge. Eine zentrale Bedeutung komme der Entwicklung der Speichermöglichkeiten zu, beispielsweise auch dem Einsatz von Elektroautos als Stromspeicheranlage.

Was ist künftig öV?

ZPK-Vizepräsident Christian Gabathuler fragte, ob künftig noch strikt zwischen öffentlichem und privatem Verkehr unterschieden werden könne. Damit traf er ein Kernthema: «Ist Uber zum öffentlichen oder zum privaten Verkehr zu zählen? Strasse und Schiene werden künftig beliebig kombinierbar sein. Statistik, Gesetzgebung und Verkehrsfinanzierung werden der Realität folgen müssen.»

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