«Ich wünschte mir mehr Gemeinschaftsgefühl»

Die Affoltemer alt Gemeindepräsidentin Irene Enderli hat gestern Donnerstag einen runden Geburtstag gefeiert

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Durfte am Donnerstag, 10. August, den 80. Geburtstag feiern: Irene Enderli, alt Gemeindepräsidentin von Affoltern, vor dem Stadthaus, das aus ihrer Amtszeit stammt. (Bild Thomas Stöckli)

Drei Legislaturen war sie Gemeinde­präsidentin von Affoltern, von 1998 bis 2010. Woran denkt Irene Enderli gerne zurück? «An die ganzen zwölf Jahre», antwortet sie ohne zu zögern. Dabei ­hatte es erst etwas Überzeugungsarbeit gebraucht, bis sie sich für das Amt zur Verfügung stellte. Bereut hat sie den Entscheid nie: «Es brauchte etwas Anlaufzeit, aber das Vertrauen der Bevölkerung kam rasch und wir konnten als Gemeinderat einiges gestalten.» Insbesondere den Kontakt mit der Bevölkerung und den Vereinen hat sie geschätzt.

Vom Dorf zur Kleinstadt

Beim Gang durch die Stadt wird deutlich, was in ihrer Präsidialzeit alles ­bewegt wurde. Am markantesten erscheint der Neubau des Gemeinde- und heutigen Stadthauses. «Wir hatten ein tolles Architektenteam, der Saal macht mir heute noch Freude.» Der Wandel Affolterns vom Dorf zur Kleinstadt wurde allerdings schon zuvor mit der Umgestaltung des Bahnhofs angestossen. Mit der Integration des Werkhofs in die Brücke über die Autobahn hat der Gemeinderat eine Chance erkannt und genutzt sowie mit der ersten Kinderkrippe, die es zwar heute nicht mehr gibt, ein Zeichen gesetzt.

Als Projekt mit der wahrscheinlich längsten Lebensdauer sei das Rückhaltebecken am Jonenbach erwähnt. Das habe zwar der Kanton gebaut, so Enderli, sie weibelte allerdings bei all ihren ­Kantonsrats-Kontakten um Rückhalt. Von linker Seite wurde damals kritisiert, der Eingriff in die Natur sei zu gross. Nun hat sich das Bauwerk in die Landschaft eingepasst – und bei so manch länger anhaltendem Starkregen sehr viel ­Unheil abgewendet. Auch ein nationales Projekt muss in dieser virtuellen Tour durch die Bezirkshauptstadt Platz finden: Die Autobahn, die endlich den Verkehr aus dem Dorf brachte, und die Irene Enderli 2009 gemeinsam mit Bundesrat Moritz Leuenberger sowie den kantonalen Baudirektoren Markus Kägi (Zürich) und Heinz Tännler (Zug) einweihen durfte.

Erste Gemeindepräsidentin im Bezirk

Als Irene Enderli 1998 ihr Amt als ­Gemeindepräsidentin antrat, tat sie dies als erste Frau überhaupt im Knonauer Amt. Zwei Gegenkandidierende hatten damals bereits im ersten Wahlgang das Nachsehen. Und wie war es als erste Frau in dieser Position? «Nicht einfach», blickt sie zurück. Geholfen habe ihr ihre gerade Linie und das Suchen nach ­gemeinsamen Lösungen. Gefreut habe sie, dass nach vier Jahren auch die SP in den Gemeinderat gewählt wurde, «denn damit war das breite Meinungsspektrum der Bevölkerung nun besser im Gemeinderat des Bezirkshauptorts vertreten.»

Schon als sie 1969 nach Affoltern zog, habe sie die Natur ringsum ­geschätzt, blickt Irene Enderli zurück. Und der Bezirkshauptort gefällt ihr immer noch – auch wegen seiner Einkaufsmöglichkeiten und der guten ÖV-­Anbindung. Mit dem neuen Pflegeheim Seewadel sei etwas Gutes geschaffen worden und dass nun in absehbarer Zeit eine Kantonsschule gebaut werde, finde sie ebenfalls erfreulich. Mit einigen Entwicklungen hat sie aber auch Mühe. Als Beispiel nennt sie die anstelle der altherrschaftlichen Villa geplante Überbauung auf dem Brauiareal. «Andererseits ist der Wohnraum ja knapp», bemüht sie sich auch hier um Verständnis.

Kein Verständnis hat sie hingegen für die geplante Arbeitszeit-Verkürzung auf der Stadtverwaltung: «Ich wurde oft darauf angesprochen und ich finde es völlig deplatziert!», spricht sie Klartext. Einerseits weil Affoltern Nehmergemeinde im Finanzausgleich sei, dazu verschuldet und mit Nachholbedarf in der Infrastruktur, andererseits sei die geplante 38-Stunden-Woche eine Frechheit dem Gewerbe und den einfachen Angestellten gegenüber. «Das stört mich», so die alt Gemeindepräsidentin. Zumal es die Steuerzahlenden seien, welche die Mehrkosten tragen müssen.

Zusammenhalt statt Egoismus

Gestern Donnerstag durfte Irene Enderli nun im Kreise der Familie, die ihr so wichtig ist, ihren 80. Geburtstag feiern. Ab Januar werden alle ihre vier Töchter wieder in Affoltern wohnen. Für sie und ihre fünf Enkelkinder nimmt sie sich gerne Zeit, auch wenn «hüten» kein Thema mehr sei: «Die Jüngste ist 14 Jahre alt.» Politisch engagiert sie sich zwar nicht mehr, auf dem Laufenden hält sich Irene Enderli aber nach wie vor: «Ich lese gerne Zeitung – immer noch auf Papier.» Fit hält sie sich mit regelmässigen Spaziergängen – und auch mal mit Wanderferien im Engadin.

Was wünscht sich die Jubilarin für Affoltern und das Knonauer Amt? ­«Weiterhin eine gute Entwicklung. Und wieder mehr Gemeinschaftsgefühl.» ­Gerade in schwierigen Zeiten sei Zusammenhalt gefragt, statt Egoismus und Eigeninteressen.

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