Neue Ziele wecken ihren Ehrgeiz erst recht

Alina Sönning vom LV Albis gehört zur nationalen Spitze, doch hat die Läuferin keine einfache Zeit hinter sich

Beim Lesen in ihrem Zimmer kann sie entspannen.

Beim Lesen in ihrem Zimmer kann sie entspannen.

Alina Sönning bereitet sich jeden Morgen ein veganes Müesli zu. (Bilder Daniela Zeman)

Alina Sönning bereitet sich jeden Morgen ein veganes Müesli zu. (Bilder Daniela Zeman)

Sie hofft, bald wieder beim Zieleinlauf jubeln zu können.  (Bild Leichtathletix.ch)

Sie hofft, bald wieder beim Zieleinlauf jubeln zu können. (Bild Leichtathletix.ch)

Ausgeschlafen und frisch steht Alina Sönning an diesem Vormittag im September in der Küche und schneidet sich die Banane für ihr Müesli. «Eigentlich beginne ich den Tag am liebsten mit einem Training», sagt sie. Allerdings hatte sie am Vortag das erste Belastungstraining seit längerer Zeit. Und darum habe sie diesen Tag etwas gemächlicher angehen wollen, fügt sie erklärend an. Sie wirkt zufrieden und ist vor allem froh, «dass es endlich vorwärts geht.» Endlich. Denn seit gut einem Jahr ist im Leben der hoffnungsvollen Langstreckenläuferin alles ein wenig anders. Schmerzen im Fuss plagten sie, die Leistungen blieben aus; es folgt ein Gang von Arzt zu Arzt. Schliesslich die Diagnose: Fersensporn und Übertraining.

Ernüchterung, aber auch Erleichterung bei Alina Sönning: «Ich hatte eine Erklärung und wusste, woran ich bin.» Reduziertes Alternativtraining und Wettkampfverzicht sind die logische Konsequenz – keine einfache Zeit für die sonst so aktive junge Frau, eine, die man im Training eher bremsen muss. Aktiv war die Aeugsterin schon immer. Und schnell. Beim Türlerseelauf in der Schule liess sie alle hinter sich, auch die Jungs. Allerdings zog es sie zuerst zum Fussball, sie war im FC dabei. Dann fing sie mit Lauftraining an, ohne Trainer und ohne Vereinszugehörigkeit. Bis sie 2015 zum LV Albis stiess. Weil die Trainer damals nicht um ihren Formstand wussten, «musste ich zuerst Sprint trainieren», sagt sie rückblickend. Und lacht. «Dabei liegt mir das gar nicht.» Schnell wurde dem Trainerstab ihr Talent für die längeren Strecken ersichtlich, die Trainingspläne wurden angepasst.

Der Erfolg setzte rasch ein: 2019 darf sie erstmals die Schweiz international vertreten und an der Cross-EM in Lissabon starten. Im selben Jahr holt sie Gold an den Schweizer Strassenmeisterschaften über 10 km. 2021 wird sie Schweizer Meisterin sowohl im Langcross, als auch über 5000 m in der Kategorie U23, und im darauffolgenden Jahr läuft sie in derselben Kategorie Schweizer Rekord über 10 km.

Studium, Sport und Arbeit

Gut zwölf Trainingseinheiten kommen wöchentlich zusammen, so geplant, dass sich der Sport optimal mit ihrem Fernstudium in Betriebsökonomie und Sportmanagement sowie ihrem Teilzeitpensum an der Hotelrezeption des Familienunternehmens vereinbaren lässt. «Mir ist es wichtig, dass meine Tage eine gewisse Struktur haben», sagt sie. Sie brauche einen Rhythmus und Fixpunkte in ihrer Agenda. Und lässt diese Agenda mal Zeit für andere Aktivitäten, liest Alina Sönning gerne Bücher. Vor allem Sachbücher haben es ihr angetan. «Ich kann stundenlang in Buchhandlungen stöbern», sagt sie lachend. Auch Kochbücher blättert sie gerne durch. Allerdings vegane. Denn seit acht Jahren ernährt sie sich vegan. Bis 2015 war sie – der Tiere wegen, wie sie sagt – vegetarisch unterwegs. Berichte über Kraftsportler, die dem veganen Trend folgten, haben sie dann inspiriert, es selbst zu probieren.

Anfangs arbeitete sie mit einer Ernährungsberaterin zusammen, mittlerweile ist sie erfahren genug, dass sie weiss, was ihr Körper braucht, um leistungsfähig zu sein. Und Supplemente? «Ja klar, die brauche ich», sagt sie. «Aber nicht nur, weil ich vegan lebe. Ich kenne keinen Sportler, der nicht supplementiert.» Und wie sieht es bei ihrer veganen Lebensweise mit Verzicht aus? «Den gibt es bei mir eigentlich nicht», lautet ihre Antwort. Ein Stück Kuchen spreche sie ohnehin nicht unbedingt an. «Und es gibt ja mittlerweile so viele Alternativen», fügt sie an. Herausfordernd wird es allerdings, wenn sie in ein Trainingslager im Ausland reist. Da kommt es schon vor, dass sie einen halben Koffer voll veganer Lebensmittel bepackt. Doch sei sie da jeweils nicht ganz so pingelig – «wenn es halt nicht vegane Pasta gibt, esse ich auch die», sagt sie. Nur beim Fleisch ist sie konsequent.

Kocht ihre Mahlzeiten selbst

Alina Sönning wohnt noch zuhause – zusammen mit Mutter, Vater, einem jüngeren Bruder und einer jüngeren Schwester. «Ich bin als Veganerin quasi die Aussenseiterin», sagt sie und grinst. Zwar ernährt sich ihre Mutter vegetarisch, dennoch zieht sie es vor, ihre Mahlzeiten selbst und oft im Voraus zuzubereiten. Entsprechend viel Zeit verbringt sie in der Küche. «Aber das mache ich gerne, so kann ich entspannen und neue Rezepte ausprobieren», sagt sie, die auch gerne in den Regalen der Supermärkte nach neuen veganen Produkten stöbert. Die Frage, ob sie schon mal daran gedacht hat, einen veganen Foodblog für Spitzensportler zu betreiben, liegt quasi auf der Hand. «Ja, schon», antwortet sie. «Aber bis jetzt habe ich es nicht geschafft.»

Erst liegt ihr Augenmerk nun ohnehin auf dem Formaufbau. Sie spürt, «dass es in die richtige Richtung geht.» Wann sie aber ins Wettkampfgeschehen eingreifen wird, ist noch offen. Schon bestimmt ist aber ihr Ziel: Im Halbmarathon möchte sie sich für die Europameisterschaften 2024 qualifizieren. Bei 1:15:47 Stunden steht ihre Bestzeit; gut möglich, dass sie diese unterbieten muss — das Selektionskonzept des Verbandes liegt noch nicht vor. Aber wer Alina Sönning kennt, weiss, dass sie sich davon nicht abschrecken lässt. Im Gegenteil. So sagt sie: «Neue Ziele wecken meinen Ehrgeiz erst recht.»

«Alina muss man eher bremsen — sie macht lieber zu viel als zu wenig»

Name: Alina Sönning

Wohnort: Aeugst

Geburtsdatum: 21. April 2000

Beruf: Studentin in Betriebsökonomie; Ausbildung zur Performance Trainerin

Sportart: Langstreckenlauf

Verein: LV Albis

Bisherige Erfolge: Schweizer Rekord U23 über 10 km (2022), Schweizer Meisterin im Langcross U23 und über 5000 m (beide 2021), Schweizer Meisterin über 10 km U20 (2019)

Entweder Oder

Langschläferin oder Frühaufsteherin?

Das kommt auf den Trainingsblock an. Aber eigentlich bin ich eher die Langschläferin – ich bin recht gerne im Bett.

Instagram oder TikTok?

Instagram. Da bin ich selbst aktiv.

Extrovertiert oder introvertiert?

Extrovertiert. Ich war früher schon immer eher laut. Aber in grösseren Gruppen bin ich erst zurückhaltend.

Streetparade oder Ländlerabig?

Schwierig. Beides spricht mich nicht so an. Ich höre lieber Pop oder Rap. Aber müsste ich mich entscheiden, dann eher für den Ländlerabig.

Berge oder Meer?

Berge, ganz klar. Ich bin oft zum Entspannen in den Bergen.

Sommer oder Winter?

Sommer – die Kälte ertrage ich nicht so gut.

Ordnungsfanatikerin oder organisiertes Chaos?

Ich bin ein sehr ordentlicher Mensch – aber nicht im übertriebenen Sinn.

Das sagt ihr Trainer über sie

Philippe Bandi: «Alina zeichnet aus, dass sie ihren Sport mit einer beeindruckenden Hingabe und Konsequenz ausübt. Sie hat ein äusserst gutes Körpergefühl und hat gelernt, darauf zu hören. So kann sie bei der Gestaltung des Trainingsplans wichtige Inputs geben. Ihre Zukunft liegt definitiv im Marathon, und aus meiner Sicht ist es nicht utopisch, von einer WM- oder gar Olympia-Teilnahme zu sprechen. Nur muss man sie manchmal eher bremsen — sie macht eher zu viel als zu wenig. Und im Schnelligkeitsbereich sehe ich noch Potenzial.»

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