«Das hat mir Türen geöffnet»
Vor exakt 30 Jahren wurde Sonny Schönbächler erster Ämtler Olympiasieger
Drei Salti und vier Schrauben, das ist in der Sprache der Freestyler ein Full-Doublefull-Full. Mit diesem wenige Sekunden dauernden «Gump» von der Schanze krönte sich Sonny Schönbächler aus Affoltern im Februar 1994 zum Olympiasieger. «Er konnte es kaum fassen», berichtete damals Hans Jucker, der als Reporter für SRF an den Winterspielen in Norwegen weilte. «GOLD» titelte der «Anzeiger» in Versalbuchstaben auf der Frontseite. Der unverhoffte Triumph brachte die Redaktion ins Schwitzen, weil er an einem Donnerstag in der Mittagszeit stattfand und den Chronisten kurz nach Redaktionsschluss zwang, die Frontseite der Freitagausgabe umzukrempeln. Der Empfang im Bezirkshauptort bleibt unvergesslich: Hunderte drängten sich ins alte Kasino, um dem Helden die Reverenz zu erweisen. Und in Hausen feierten die Bobfans die Silbermedaille von Reto Götschi.
Grosses Glück in Kanadavor dem Triumph
Dabei gehörte Andreas Schönbächler, den alle Sonny nennen, nicht zum engsten Favoritenkreis und musste sogar Glück in Anspruch nehmen, um an Olympia überhaupt starten zu können. Drei Wochen zuvor misslang Schönbächler in Kanada bei minus 40 Grad ein Sprung komplett, der unkontrolliert endete und ihn im Auslauf auf den Rücken legte. «Ich hätte mir damals das Genick brechen können», erinnert er sich an die Schrecksekunde. So viel Glück hat ihm die Tränen in die Augen getrieben. Zum Glück hatte er sich schon zuvor für Lillehammer qualifiziert und den verunglückten Sprung eine Woche später im Weltcup in Frankreich problemlos über die Schanze gebracht. Auch an Olympia drohte ihm wenige Tage vor dem Wettkampf in Form einer Grippe Ungemach; Sonny qualifizierte sich als Zweitletzter für den Finaldurchgang – sein letzter Full-Doublefull-Full war der Sprung ins Glück. Sein allerletzter einer erfolgreichen Karriere als Skiakrobat. «Vor diesem entscheidenden Sprung hatte ich grossen Respekt, ja gar Angst wegen des Unfalls zuvor. Aber ich sagte mir vor dem Absprung: Ich bin wohl gegen 20000-mal unfallfrei gesprungen und setzte deshalb alles auf eine Karte», erinnert er sich. Und dieses Glück war dann zwölf Jahre später auch Evelyne Leu hold, die damals in Mettmenstetten wohnte: Die Freestylerin, heute im Freiamt zu Hause, holte sich bei den Aerials an den Winterspielen 2006 in Turin ebenfalls die Goldmedaille.
Olympiasieg nicht mehr im Vordergrund
Wir treffen Sonny Schönbächler im Gymfit in Affoltern. Das Fitnesscenter, wo gegen 60 Personen auf der Lohnliste stehen, wird zwar von Susanne Theofanidis geleitet, aber Sonny Schönbächler ist als Inhaber in verschiedenen Bereichen eingebunden. Er hat jedoch zeitlichen Raum für anderes. Kürzlich ist er aus Bali zurückgekehrt, wo er mit einem Freund aus Weltcupzeiten ein Haus einrichtet. «Wir haben dabei nicht ein einziges Mal über den Olympiasieg geredet. Das ist inzwischen weit weg und hat anderen Themen Platz gemacht. Etwa Gesprächen über die Angst beim Springen, über das ganze Rundherum, über andere Kulturen, Freundschaften, Reisen oder Anlässe – bei mir inzwischen wichtiger als der Leistungssport und Siege», sagt Sonny Schönbächler. Ja, Ruhm, Ehre und Anerkennung, das hatte in seinen Aktivzeiten einen hohen Stellenwert. Inzwischen sind es andere Werte, die im Vordergrund stehen. Aber klar: Er wird natürlich immer wieder auf seinen Olympiasieg angesprochen. Dem Chronisten zeigte er in seinem Büro den Goldsprung und die Siegerehrung, die er auf dem Handy gespeichert hat.
In ein Loch fiel er danach nicht. Denn anders als andere Spitzenathleten legte sich Sonny Schönbächler, der das KV absolviert hatte, schon während seiner Karriere den Grundstein als Unternehmer. Mit 23 Jahren gründete er die Sport Show Promotion Sonny Schönbächler AG und organisierte jährlich bis zu 30 Shows in ganz Europa – zusammen mit 13 bis 15 Mitstreitern. Die letzte am «Zürifäscht» 1994, wenige Monate nach seinem Olympiasieg.
Jumpin-Projekt innert zweier Jahre verwirklicht
Ja, dieser Olympiasieg, der – auch in den übrigen Sportarten – alle Meisterschaften überstrahlt. «Das hat mir Türen geöffnet», räumt Sonny Schönbächler ein. Vor allem beim Bau des Wasserschanzencenters Jumpin in Mettmenstetten. Von Lillehammer zurückgekehrt, bat er alle Ämtler Gemeindepräsidenten um Unterstützung für das Projekt. Einzig Mettmenstetten reagierte, mit dem Hinweis: «Wir können das anschauen.» Beflügelt durch die Nicht-Absage ging Schönbächler Vereine, Parteien, Naturschutzverbände und andere Institutionen an, rührte die Werbetrommeln, traf sich sogar mit Bundesräten – mit Erfolg: Der Zürcher Regierungsrat Hans Hofmann sowie die Totogesellschaft sandten positive Signale aus. Als die Gemeindeversammlung zur notwendigen Landumzonung in der Nähe der Badi klar Ja sagte, gabs grünes Licht. Am 18. Juni 1996 wurde das Jumpin eröffnet, gut zwei Jahre nach dem Erfolg in Norwegen. Dies, nachdem der damalige Bankverein das Jumpin ohne grosse Formalitäten finanzierte – mit Hypothek und Sponsoringvertrag. «Als ich mit dem Vertrag in die Filiale nach Muri AG ging und die 1,2 Mio. Franken einforderte, schüttelte man dort den Kopf, weil das, was der Hauptsitz in Basel bewilligte, nicht den Richtlinien entsprach.» Was solls? Das Jumpin ist nach wie vor erfolgreich, auch als internationales Trainingscenter.
«Vereinspräsident Andreas Isoz leistet hervorragende Arbeit», lobt Sonny Schönbächler, dessen Partnerin Anita ebenfalls im Gymfit tätig ist. Für ihn hat es sich gelohnt, rechtzeitig auf junge Kräfte zu setzen. Als sechsfacher Vater werden ihm die Sprösslinge nacheifern wollen. Niki, mit 29 Jahren der älteste Sohn, führt inzwischen drei eigene Fitnessstudios in Ottenbach, Muri und Arth.
In loser Folge beleuchtet der «Anzeiger» in dieser Serie besondere Ereignisse, die 10, 20, 25, 30 oder mehr Jahre zurückliegen. Zuletzt erschienen: Grosser Wirbel um 21 «Giftfässer» in Obfelden: Vor 25 Jahren wurde der Entsorger zu 30 Tagen bedingt verurteilt («Anzeiger» vom 29. Dezember 2023)
«Wir haben dabei nicht ein einziges Mal über den Olympiasieg geredet.»
Sonny Schönbächler,ehemaliger Freestyle-Skispringer
Die Geschäftsführung im Gymfit in Affoltern hat Sonny Schönbächler abgegeben, aber er ist dort als Inhaber in diversen Bereichen eingebunden. (Bild Werner Schneiter)
Grosser Jubel nach dem Goldsprung in Lillehammer. (Archivbild Sonny Schönbächler)