Handwerk trifft Gold und wird Kunstwerk

Zurzeit ist in der Aeugster KommBox alles Gold, was glänzt

Corinne Grau justiert das Bild «Der Mond». Daneben hängt ihr Werk «Turm». (Bild Sandra Isabél Claus)
Corinne Grau justiert das Bild «Der Mond». Daneben hängt ihr Werk «Turm». (Bild Sandra Isabél Claus)

Corinne Grau aus Rifferswil arbeitet heute als Teamleiterin in der Werkstatt des Götschihofs im Aeugstertal. Damit ist der Bezug zu Aeugst hergestellt, um ihre Werke in der KommBox präsentieren zu können. Dieser Mini-Ausstellungsraum soll kreativen und begeisterungsfähigen Menschen als Plattform dienen, eine Brücke zwischen Künstlerinnen sowie Künstlern und Betrachterinnen sowie Betrachtern schlagen.

Seit der Vernissage am 17. September sind es die goldenen Kunstwerke von Corinne Grau, welche im Aeugster Gemeindehaus glänzen.

Bereits in der Antike nutzten Ägypter, Griechen und Römer Blattgold, um ihre Tempel, Sarkophage und Götterstatuen zu verschönern. Man denke nur an die prächtige Maske von Tutanchamun. Im Mittelalter dann war die Vergoldung in der christlichen Kunst zentral. Altäre und Reliquienkästen wurden mit Gold verziert. Es galt als ausdrucksstarkes Symbol für geistliche Macht und symbolisierte das himmlische Licht. Dank der Entdeckung der Neuen Welt floss in der Renaissance frisches Gold aus den spanischen Kolonien nach Europa und gipfelte schliesslich in der Opulenz des Barocks.

Aussterbendes Handwerk

Diese jahrtausendealte Faszination für das edle Metall zog auch Corinne Grau in ihren Bann, und sie erlernte das uralte Kunsthandwerk der Vergolderin. Sie folgte ihrem inneren Drang, mit den Händen etwas Schönes zu schaffen, künstlerisch tätig zu sein.

Nach der obligatorischen Schulzeit nahm sie sich ein Jahr Zeit, um ganz viele verschiedene kreative Berufe kennenzulernen, wie Dekorateurin, Köchin, Schneiderin, Maskenbildnerin. «Vergolderin war das letzte, das ich ausprobiert hatte. Es hat mich sogleich begeistert», sagt sie rückblickend. Es ist ein Handwerk, das am Aussterben ist. Schon damals warnte man sie, dass die Jobauswahl in diesem Metier sehr überschaubar ist. «Das war mir egal», meint sie und ergänzt: «Ich sah mich keinesfalls irgendwo in einem Büro sitzen, und Zahlen sind mir ein Graus.» So büffelte sie während ihrer dreijährigen Lehre unter anderem Kunstgeschichte an der Schule für Gestaltung in Bern und erlernte in einem Rahmenatelier in Zürich die verschiedenen Ornamenttechniken: radieren (Gold gezielt abtragen, um Muster sichtbar zu machen), ziselieren (Feinbearbeiten von Kreidegrund- und Holzoberflächen) und punzieren (Ornamente und Muster in die fertige, polierte Vergoldung einschlagen). Weiter fertigte sie Verzierungen aus der Renaissance oder dem Barock mithilfe von Silikon-Negativformen her, um sie auf Bilderrahmen originalgetreu nachzustellen.

Technik erfordert Fingerspitzengefühl

«Irgendwann hatte ich genug von Bilderrahmen und entschied mich für eine Zusatzlehre als Schreinerin», resümiert Corinne Grau. Ihre Idee war, die Arbeit mit den zwei Materialien – Gold und Holz – miteinander zu verbinden. «Ich wollte mich selbstständig machen, um künftig selbst gefertigte Möbelstücke partiell zu vergolden. Doch dazu fehlte mir der Mut.» So entstand aus der Arbeit mit Holz und Gold ein Hobby. Die Kochinsel in ihrer Küche dient als Werkbank. Für ihre grossformatigen Bilder verwendet sie Sperrholz, das sie meist in den Tönen Grau-Schwarz grundiert. Sie findet, dass die Wirkung von Gold auf Grau-Schwarz am effektvollsten sei. Sowohl beim Orange- wie beim Weissgold. Die Technik von Corinne Graus Bildern ist komplex und verlangt viel Fingerspitzengefühl. Zunächst schleift sie die ungefähr zwei Zentimeter dicke Holzplatte an, skizziert das Motiv und bearbeitet die Fläche sorgfältig. Zuerst öffnet heisser Knochenleim die Holzporen, danach wird die Fläche 15- bis 20-mal mit einer dicken Paste aus Hasenhautleim und Kreide bestrichen; darauf folgt eine dreifach aufgetragene Erdfarbschicht (Poliment).

Dann wirds filigran: Sie legt sich ein goldenes Blatt auf ein Kissen, wo sie es mit leichtem Blasen ganz sorgfältig glättet und mit einem Messer vorsichtig auf die gewünschte Grösse zuschneidet. Die Goldblätter sind gerade einmal 0,1 Mikrometer dünn, ein Zehntausendstel Millimeter. Zum Vergleich: Ein menschliches Haar ist etwa 500-mal dicker. Mit einem sogenannten Anschiesser – einem Pinsel aus feinem Tierhaar – streift Corinne Grau zuerst über ihre Halspartie, sodass der hauteigene Fettfilm an den feinen Härchen haften bleibt. Auf diese Weise lässt sich das ultradünne, federleichte Goldblatt aufnehmen und präzise auf dem Holz platzieren.

Ihre Kunstwerke entwickeln sich weiter. Unlackierte Arbeiten aus Weissgold oder Blattsilber reagieren auf Temperatur, Licht und Luftfeuchtigkeit und entfalten so ihr einzigartiges, unvorhersehbares Aussehen. Sobald ihr der Look gefällt, stoppt sie den Oxidationsprozess mit einem Lack und versiegelt das Werk.

Die Ausstellung läuft noch bis am 12. Februar 2026