Sie haben sich perfekt integriert und profiliert

Menschen mit ausländischen Wurzeln für den Lehrabschluss-Preis Knonauer Amt nominiert

Ashanthan Thirunavukkarasu ist glücklicher Vater des zweijährigen Aryan und arbeitet mit Ausdauer und Beharrlichkeit auf sein Ziel hin: Koch EFZ. (Bilder rz)

Ashanthan Thirunavukkarasu ist glücklicher Vater des zweijährigen Aryan und arbeitet mit Ausdauer und Beharrlichkeit auf sein Ziel hin: Koch EFZ. (Bilder rz)

Sandra Nikolic liebt Bücher, Sprachen und Literatur. Gern würde sie in Zukunft im Buchhandel, in einer Bibliothek oder einem Verlag arbeiten – und studieren.

Sandra Nikolic liebt Bücher, Sprachen und Literatur. Gern würde sie in Zukunft im Buchhandel, in einer Bibliothek oder einem Verlag arbeiten – und studieren.

Wer seinen Lehrabschluss nicht in seiner Muttersprache absolvieren kann, muss einen Mehraufwand betreiben. Neben der Integration in die Schweizer Kultur müssen Menschen mit Migrationshintergrund auch in eine spezifische Berufswelt eintauchen und die Fachausdrücke des Berufs nicht nur verstehen, sondern sie auch erklären können.

Lernender und junger Vater

Ashanthan Thirunavukkarasu kam vor 15 Jahren als 21-Jähriger aus Sri Lanka in die Schweiz. Er arbeitete acht Jahre ohne Ausbildung bei verschiedenen Arbeitgebern in der Gastronomie in der Küche. 2016 heiratete er und zog zu seiner Frau nach Obfelden. 2021 bis 2023 absolvierte er die Ausbildung zum ­Küchenangestellten EBA mit einem ­40-Prozent-Pensum am Spital Affoltern und arbeitet gleichzeitig mit 60 Stellenprozenten als Küchenhilfe. 2021 wurde er Vater eines Sohnes, dessen Betreuung er sich mit seiner Frau teilt. «Das alles hat er geschafft und seine Ausbildung mit einem Top-Resultat – abgeschlossen – und dies, obwohl seine Deutschkenntnisse zwar immer besser wurden, aber immer noch verhältnismässig bescheiden sind», steht in der Begründung für die Nominierung durch das Spital Affoltern für die Kategorie «Beste Gesamtnote beim Lehrabschluss» und für den Spezialpreis.

Klare Zukunftsvisionen

Mit seinen 36 Jahren gestaltet Ashanthan Thirunavukkarasu seine berufliche Laufbahn gezielt. Er hat sich im Kantonsspital für sechs Jahre verpflichtet, um nach Artikel 31 der Berufsbildungsverordnung den Lehrabschluss als Koch EFZ zu erreichen. «2026 werde ich die Lehre abgeschlossen haben», erklärt er. «Dass meine Mitschüler halb so alt sind wie ich, ist kein Problem.»

Das Spital bietet gute Arbeitszeiten, die erlauben, seinen Sohn Aryan beim Aufwachsen zu begleiten. 31 Personen arbeiten in der Küche, denn auch rund 300 Mittagessen für den Mahlzeitendienst der Spitex werden neben den Mahlzeiten für die Patienten zubereitet. Gern würde Ashanthan Thirunavukkarasu in Zukunft mehr Verantwortung im Beruf wahrnehmen und eine Führungsfunktion übernehmen.

Sein Sohn wächst zweisprachig auf, mit seiner Vatersprache und Deutsch, das er mit der Mutter spricht, die zwar Wurzeln in Sri Lanka hat, aber in der Schweiz aufgewachsen ist. Ashanthan Thirunavukkarasu ist seiner Deutschlehrerin Esther Federer, seiner Frau und seinen Verwandten dankbar für die Unterstützung, die er über die Jahre in der Schweiz bekam. Seinem Sohn möchte er ein Vorbild sein und freut sich deshalb sehr über die Nominierung.

Sohn und Tochter nominiert

Die Eltern von Sandra und Lazar Nikolic müssen bei der Kindererziehung vieles sehr gut gemacht haben: Letztes Jahr wurde Lazar als Produktionsmechaniker EFZ, dieses Jahr Sandra als Kauffrau EFZ nominiert. «Mein Bruder ist auf dem besten Weg, die beruflichen Ziele, die er vor einem Jahr im Interview mit dem «Anzeiger» formulierte, zu erreichen.» Auch Sandra Nikolic hat klare Ziele. Zuerst möchte sie zu einem Sprachaufenthalt nach Australien reisen. Sie hat ihre Reise selbst geplant, organisiert und finanziert. Danach wird sie die berufsbegleitende Berufsmittelschule BM2 anpacken, um danach über die Passerelle an eine Hochschule zu gelangen. «Ich will auf mich stolz sein können, um als Frau – auch gern mal mit Familie – eigenständig zu bleiben und für andere junge Frauen, die beispielsweise wie ich aus Serbien stammen, ein Vorbild zu sein.» Sie erzählt von Albert Einsteins Frau ­Mileva Marić, die in einem Städtchen geboren wurde, das heute in ­Serbien liegt, und die Ende des 19. Jahrhunderts an der ETH Zürich Physik und Mathematik studierte.

Sandra Nikolics Herz schlägt aber weniger für Naturwissenschaften, sie interessiert sich mehr für Sprachen und Literatur. Ihr Fernziel: ein Studium an der Universität Zürich.

Vortrag über Kafka

Freiwillig hatte sie in der Berufsschule einen Vortrag zu Franz Kafka und seinem Werk gehalten, und zitiert sofort mit Begeisterung eine kurze Textstelle: «Wenn dich eine Million geliebt hat, bin ich einer von ihnen. Wenn dich einer geliebt hat, war ich es. Wenn dich niemand liebt, weisst du, dass ich tot bin.» Sandra ist jetzt 20 Jahre alt, sie lebt seit sieben Jahren in der Schweiz, und spricht sehr gut Deutsch. Sie träumt davon, parallel zu einem Studium in einer Bibliothek, einer Buchhandlung oder einem Verlag beruflich tätig zu sein.

Sie hat sich ihren Erfolg hart erarbeitet, oft bis tief in die Nacht hinein gelernt. «Im Rückblick muss ich sagen, es hat sich nicht nur gelohnt – es hat zudem auch Spass gemacht.»

Sandra Nikolic wurde von ihrer Lehrfirma Dresohn in Mettmenstetten für den Preis bester ­Berufspraxisabschluss und den Spezialpreis nominiert. In der Begründung heisst es: «Jemand, der erst vor sechs Jahren begonnen hat, die deutsche Sprache zu erlernen, sich erst integrieren und unser Bildungssystem kennenlernen musste, sowie die enorme Steigerung der schulischen Noten in der ­Sekundar- und der Berufsschule, verdient unsere Anerkennung und unseren Respekt. Sie zeigt, was man mit Zielstrebigkeit und Fleiss erreichen kann.»

Lehrabschluss-Preis Knonauer Amt

Der Arbeitgeberverband AGV des Bezirks Affoltern, das Lehrstellenforum, die Standortförderung Knonauer Amt und der KMU- und Gewerbeverband Bezirk Affoltern KGVBA verleihen gemeinsam die Lehrabschluss-Preise. Teilnahmeberechtigt sind alle, die im Sommer ihre Lehre in einem ­Betrieb im Knonauer Amt abgeschlossen haben. Nominiert wird vor allem von den Lehrfirmen.

Am 15. November 2023 werden um 18.30 im Spital Affoltern die «Oscars» für die beste Gesamtnote beim Lehrabschluss, den besten Berufspraxisabschluss, den besten schulischen Abschluss und der Spezialpreis für besondere Leistungen feierlich übergeben. Die vier Preise sind mit je 1000 Franken dotiert. (red)