Stallklima statt Bürokratie

Digitaler Stall, klare Haltung – wie Martin Haab die Schweizer Agrarpolitik mitgestaltet

Nationalrat Martin Haab gilt als profilierter Vertreter der Schweizer Landwirtschaft. (Bild zvg)

Martin Haab ist nicht nur Nationalrat der SVP, sondern zählt zu den profiliertesten Vertretern der Schweizer Landwirtschaft. Auf seinem Hof in Mettmenstetten führt er gemeinsam mit seinem Sohn einen modernen Milchviehbetrieb – digital, effizient und tierfreundlich. Was auf dem Hof beginnt, bringt er direkt in die politische Debatte. Seit 2019 sitzt der diplo­mierte Meisterlandwirt im Nationalrat. Als Präsident des Zürcher Bauern­verbands und Vorstandsmitglied im Schweizer Bauernverband kennt er die Herausforderungen der Branche aus erster Hand. «Meine politische Karriere begann mit dem Milchstreik 2008», erzählt er. Damals wurde ihm klar, wie stark politische Entscheide in die Realität landwirtschaftlicher Betriebe eingreifen.

Stallkomfort statt Weide-Romantik

Auf dem Betrieb der Familie Haab melkt seit einigen Jahren ein Roboter die rund 70 Kühe – eine Herde aus Braunvieh und Holstein. «Die Tiere betreten den Melkstand selbstständig, meist zwei bis dreimal täglich», erklärt der Landwirt. Jede Kuh trägt einen Chip, der Gesundheits- und Leistungsdaten erfasst. Diese Informationen kann Martin Haab über eine App in Echtzeit abrufen – sogar während einer Nationalratssitzung. Bei Auffälligkeiten schlägt das System automatisch Alarm. «Früher stand ich morgens und abends zum Melken selbst im Stall. Heute läuft der Betrieb effizienter und tierfreundlicher», sagt er. Für ihn ist das Tierwohl kein ideologischer Begriff, sondern eine Frage des praktischen Nutzens. Belüftungssysteme, automatische Kuhbürsten, computergesteuerte Weideausläufe und Duschen sorgen im Stall für ein optimales Klima. Gerade im Sommer, wenn auf der Weide die Hitze gross ist, suchen seine Tiere gezielt den kühlen Stall auf. «Nur gesunde und zufriedene Tiere geben gute Milch», sagt Haab. Die Gleichsetzung von Weidegang und Tierwohl hält er für vereinfachend und in vielen Fällen schlicht realitätsfern.

Technologie trifft Tierverstand

Neben der Technik setzt Martin Haab auf Zucht und Tiergesundheit. Für ihn gehören Tierhaltung, Genetik und das individuelle Wissen um das Tier zusammen. «In den letzten zehn Jahren haben wir die Milchleistung auf unserem Betrieb um rund 20 Prozent gesteigert – das ist das Ergebnis gezielter Zucht und optimierter Haltungsbedingungen.» Vorbilder fand er auf Grossbetrieben in den USA, die er während seiner Ausbildung besuchte. Trotz aller Automatisierung bleibt für ihn klar: Technik kann vieles erleichtern, aber nicht ersetzen. «Ein Landwirt muss seine Tiere kennen. Man braucht Gespür, um früh zu merken, wenn etwas mit der Kuh nicht stimmt.» Diese Erfahrung lasse sich nicht digitalisieren.

Ferien sind kaum möglich

Auch wenn moderne Technik die tägliche Arbeit erleichtert, bleibt die Belastung hoch; nicht nur körperlich, auch wirtschaftlich. Die Zahl der Milchbetriebe in der Schweiz sinkt stetig. Nachwuchs fehlt. Ferien? «Kaum möglich», so Haab. Ein Melkroboter reicht für maximal 70 Kühe – ein zweiter wäre für seinen Betrieb aus Platz-, Personal- und Kostengründen nicht umsetzbar. Für den Landwirt ist klar: «Der Familienbetrieb ist das Rückgrat der Schweizer Landwirtschaft. Aber er braucht Rückhalt – finanziell und politisch.» Sonst drohe der Strukturwandel zur Aufgabe vieler kleiner und mittlerer Höfe zu ­führen.

Fördern statt Verbieten

Martin Haab fordert gezielte politische Unterstützung statt pauschaler Vorschriften, etwa beim Stallbau oder bei Bewilligungsverfahren für moderne Anlagen. Was ihn besonders stört: Viele gesetzliche Vorgaben orientieren sich zu wenig an der betrieblichen Praxis. «Wer Tierwohl will, muss moderne Systeme ermöglichen – nicht verhindern.»

Sein agrarpolitisches Credo lautet: Innovation fördern, statt sie mit Bürokratie auszubremsen. Für Martin Haab stehen moderne Technik und Tierwohl nicht im Widerspruch – im Gegenteil: «Sie sind Voraussetzung für eine Landwirtschaft, die ökologisch, ethisch und wirtschaftlich funktioniert.»

So funktioniert ein Melkroboter

Ein Melkroboter arbeitet vollautomatisch: Die Kuh wird durch Kraftfutter in den Melkstand gelockt, die Zugangstür schliesst sich. Sensoren erfassen das Euter, ein Roboterarm setzt die Melkbecher präzise an. Der Melkvorgang erfolgt mittels Vakuum in schonenden Intervallen. Sinkt der Milchfluss, werden die Becher automatisch entfernt. Danach öffnet sich die Tür – die Kuh verlässt den Roboter. Das System steigert nicht nur die Effizienz, ­sondern auch das Tierwohl durch eine engmaschige Gesundheits­überwachung. (net)