Trotz weniger Öl- und Gasheizungen: Die Kaminfeger sehen nicht schwarz
Doch die Arbeit der «Glücksbringer» verändert sich
Mittwochmorgen, kurz nach 7 Uhr, in der Werkstatt von Kaminfeger Rolf Zimmermann in Obfelden. Während seine drei Angestellten bereits unterwegs zu Kunden sind, erledigt er noch Administratives. Sein Tätigkeitsgebiet umfasst schwerpunktmässig Obfelden, Ottenbach und Langnau a. A. sowie das Oberfreiamt im Aargau. Dort war er zuerst tätig, bis er 2008 den Kaminfeger-Betrieb seines Vaters in Obfelden übernahm.
Anders als andere Kaminfeger hat Rolf Zimmermann bis heute nicht in andere Geschäftsfelder diversifiziert, er reinigt beispielsweise keine Lüftungsanlagen und auch keine Solarpanels, wie andere Berufskollegen. Er bietet Kaminfeger-Arbeiten an, Punkt. Hat er keine Angst, dass die Arbeit immer weniger wird? Immerhin werden in der Schweiz jedes Jahr Tausende Öl- und Gasheizungen durch alternative Energieträger ersetzt.
Rein mathematisch betrachtet, wird so die Arbeit für die Kaminfeger immer weniger. Der 50-Jährige macht sich diesbezüglich keine Sorgen. Im Gegenteil, er würde gerne noch einen Lehrling anstellen, sofern sich jemand melden würde. «Aber es stimmt schon», sagt Zimmermann, «es gibt immer weniger Öl- und Gasheizungen, in diesem Bereich nimmt die Arbeit sicher nicht zu.» Aber Holzheizungen würden nicht weniger, gerade in seinem Gebiet würden manche neue Gebäude, darunter auch Mehrfamilienhäuser, heute mit Pellets (Holz) geheizt. Und weil altersbedingt auch immer wieder Kaminfeger-Betriebe schliessen, gebe es heute eher zu wenig Kaminfeger auf dem Markt.
Neue Ausbildung für Kaminfeger-Lehrlinge
Das sieht Paul Grässli, Präsident des Verbands Kaminfeger Schweiz, genauso. Er macht sich um seinen Berufsstand keine Sorgen. «Wir reinigen seit 100 Jahren Heizungen und sorgen für deren effizienten Betrieb.» Und so, wie sich das Klima wandle, wandle sich halt eben auch der Beruf. Wobei er grundsätzlich mit den «Bewahrern, die alles beim Alten belassen möchten, keine Mühe» habe. Mühe habe er höchstens mit jenen, die den Jungen die Möglichkeit nehmen wollen, Neues zu versuchen. Der Verband sei derzeit dabei, die Kaminfeger-Ausbildung neu auszurichten. So wird das eigentliche Kaminfeger-Handwerk, das Reinigung und die Wartung von Feuerungs- und Rauchabzugsanlagen (Öl-, Gas- und Holzfeuerungen etc.) umfasst, intensiv nur noch während der ersten zwei von drei Lehrjahren gelehrt. Im dritten Lehrjahr können sich Lehrlinge dann entweder in Richtung Messtechnik (Öl, Gas, Holz) oder Lüftungstechnik (Reinigung von Lüftungsanlagen) weiterbilden. Derzeit stehen schweizweit gegen 160 Lehrlinge in Ausbildung. Für Grässli dürften es sogar ein paar mehr sein.
«Bereits heute», so Grässli, «sind manche Kaminfeger an drei Tagen pro Woche schwarz gekleidet und an zwei Tagen weiss.» Will heissen, während dreier Tage reinigen sie Heizanlagen, während zweier Lüftungsanlagen, etwa in Minergiehäusern, Restaurants, Spitälern sowie in Industrie- und Gewerbe.
Kommunikation mit dem Kundenals einer der wichtigsten Aspekte
Bei Rolf Zimmermann steht an diesem Morgen in Ottenbach die Reinigung einer alten Holzheizung und einer Ölheizung auf dem Plan. Alleine die Holzheizung wird eineinhalb Stunden in Anspruch nehmen und am Schluss zweieinhalb Kilo Russ zutage fördern. Zimmermann kennt das Haus bestens, weiss, wo auf den drei Stockwerken welche Öffnungen sind, die er abdecken muss, wo welche Zugänge, damit er mit einem Stahlbesen und Akkubohrer den Kamin reinigen kann. Es ist eine körperliche Arbeit, die viel Fachwissen verlangt, viel Erfahrung und die einiges an Verantwortung mit sich bringt. Denn bei unsachgemässer Reinigung könnten später Verpuffungen entstehen (explosionsartige Ausdehnung der Rauchgase im Kamin) oder gar ein Kaminbrand. Schlimmstenfalls könnten dann ganze Häuser in Flammen aufgehen. Oder es könnte beim Kaminreinigen mal eine Abdeckung vergessen gehen, worauf sich überall im Gebäude Russ verteilen könnte.
Auf die Frage, welche denn die wichtigsten Aspekte seines Berufs sei, antwortet Zimmermann: «Die fachgerechte Arbeit – und die Kommunikation mit den Kunden.» Tatsächlich kommt es nach Abschluss der Arbeiten in Ottenbach zu einem Schwatz mit dem Hausbesitzer. Man redet über frühere Zeiten, über Persönliches, über die Heizung. Und als Aussenstehender stellt man fest: Hier ist der Kaminfeger kein Fremder, sondern ein Bekannter, jemand, dem man vertraut.
Offen sein für neue Möglichkeiten
Für Kaminfeger-Präsident Paul Grässli ist das Vertrauen, das Hausbesitzer und Mieter in die Kaminfeger haben, von elementarer Bedeutung. Nur wenigen anderen Berufsvertretern vertraue man seinen Hausschlüssel ebenfalls an. Daraus, so Grässli, ergäben sich immer wieder neue Möglichkeiten. Als Beispiel nennt er seinen eigenen Betrieb in Grabs (SG). Vor einiger Zeit habe ihn ein Ferienhausbesitzer aus dem Zürcher Unterland telefonisch nach der Schneehöhe gefragt. Obwohl solche Auskünfte nicht gerade zu den Kernaufgaben eines Kaminfegers gehörten, habe er sich die nötigen Daten beschafft und dem Ferienhausbesitzer gleichzeitig den Schnee vor seiner Liegenschaft weggeräumt sowie das Haus vorgeheizt, damit es warm ist, wenn er ins Ferienhaus kommt. (Grässli: «Einfach machen, statt lange fragen.»)
Mittlerweile habe er gut zwei Dutzend solcher Kunden – und alle seien zufrieden. «Wenn man eine gute Dienstleistung anbietet, ehrlich ist und gute Arbeit macht, dann hat man nichts zu befürchten und nichts zu jammern.»
Kaminfeger und ihr Rufals Glücksbringer
Rolf Zimmermann ist an diesem Mittwochmorgen mittlerweile beim zweiten Kunden angekommen. Nachdem er in einem benachbarten Gebäude den Schlüssel beschafft hat, geht es in einen Keller, wo eine nicht mehr ganz neue Ölheizung steht. Trotz viel Erfahrung dauert es auch hier gegen eineinhalb Stunden, bis das Gerät gereinigt und die erforderlichen Abgastests durchgeführt sind. Während früher alte, einfache Öl- und Gasanlagen schon mal nach 40 Minuten gereinigt waren, braucht es bei modernen, komplexeren Anlagen deutlich länger. Es ist mit ein Grund, weshalb den Kaminfegern die Arbeit nicht ausgehen wird. Zum Glück. Denn Kaminfeger gelten bekanntlich auch als Glücksbringer. Der Grund: War in früheren Zeiten der Kaminfeger im Haus, konnte man davon ausgehen, dass kein Kaminbrand drohte und somit Mensch und Tier vor Feuer geschützt waren. Ihm sei es sogar schon mal passiert, so Rolf Zimmermann, dass ihn eine unbekannte Frau mitten auf der Strasse angehalten und ihn kurz am Arm berührt habe – weil sie an diesem Tag viel Glück brauchte.
Um Glück zu haben, muss man allerdings nicht immer einen Kaminfeger anhalten – manchmal findet einen das Kaminfeger-Glück auch von alleine: So hinterlässt er manchmal Kundinnen und Kunden einen Glücksbringer in Form eines goldenen Batzens im Briefkasten. Oder er drückt einem einen solchen Batzen unaufgefordert in die Hand.
Zögern bei Ersatz von Öl- und Gasheizungen
Jahrelang verabschiedeten sich immer mehr Hausbesitzer von Öl- und Gasheizungen und stiegen auf klimafreundlichere Heizsysteme um (Wärmepumpen, Erdsonden, Solaranlagen, Wärmeverbunde, Windenergie). Dabei profitieren sie von öffentlichen Förderprogrammen, welche die Umstellung finanziell unterstützen.
Diese Entwicklung hat sich vergangenes Jahr deutlich verlangsamt. Das zeigen Statistiken des Gebäudeprogramms von Bund und Kantonen. So sank im Kanton Zürich die Zahl der mit staatlichen Fördergeldern ersetzten fossilen Heizsysteme von rund 4300 (2023) auf noch 3222 (2024).
Fachleute vermuten als Ursache die steigenden Strompreise und höhere Anschaffungskosten für neue Wärmepumpen. Auch dass das Thema Klima an politischer Bedeutung verloren hat, könnte einen Einfluss gehabt haben. Zudem dürfte 2022 der Beginn des Ukraine-Kriegs und damit verbunden massiv höhere Gaspreise und Versorgungsängste viele zu einem raschen Ausstieg von Öl und Gas bewogen haben. (dv)