Überraschung an Gemeindeversammlung
Stallikon senkt nach sieben Jahren den Steuerfuss um zwei Prozentpunkte – trotz prophezeiter Mehrausgaben

Lange ist es her, dass es in der politischen Gemeinde Stallikon eine Senkung des Steuerfusses gab. Gleich geblieben ist er nämlich seit 2018 auf 85 Prozent. Damals hatte er um vier Prozentpunkte angehoben werden müssen, um die hohe Nettoverschuldung möglichst schnell abbauen zu können. Nun befände sich der Finanzhaushalt auf «soliden Füssen», so Finanzvorsteher Nino Ciganovic. Grund genug für die Rechnungsprüfungskommission (RPK), einen Antrag für eine Senkung des Steuerfusses um zwei Prozentpunkte zu stellen. Dies lockte 88 der – per Stichtag Mittwoch, 24. November – 2397 stimmberechtigten Bürgerinnen und Bürger von Stallikon in die Turnhalle Loomatt. Nicht etwa der angekündigte Apéro.
Der Gemeinderat hätte den Steuerfuss denn gerne auch auf den 85 Prozent belassen und brachte entsprechend Argumente dafür vor. Doch nach einer lebhaften Debatte mit mehreren Wortmeldungen entschieden sich die Stallikerinnen und Stalliker schliesslich mit 58 Ja-Stimmen zu 20 Nein-Stimmen für einen Steuerfuss von 83 Prozent für das kommende Jahr 2026. Wie hoch der Gesamtsteuerfuss sein wird, das zeigt sich erst, wenn jener der Sekundarschulgemeinde festgesetzt ist. Die zwei Prozent machen jedenfalls aber schon mal jährlich zwischen 50 und 150 Franken aus im Portemonnaie, was jedoch nicht einmal ansatzweise ausreiche, um beispielsweise die steigenden Krankenkassenprämien zu kompensieren. Eine Relation, wie sie beim Apéro im Anschluss aufgeschnappt wurde.
Aber der eigentliche Grund, warum der Gemeinderat den Steuerfuss trotz budgetiertem Gewinn gleich belassen wollte, war ja ein ganz anderer, denn im Herbst 2026 wird voraussichtlich über das Grossprojekt zur Erweiterung der Schulanlage Pünten, welches zusätzlichen Schulraum, eine Mehrzweckhalle und die Erstellung eines Generationenplatzes inklusive Spazierwege und Pumptrack beinhaltet, abgestimmt – aktuelle Kostenschätzung laut Investitionsprogramm 2025 bis 2029: 23,6 Millionen Franken; ursprüngliche Grobkostenschätzung: 16 Millionen Franken.
Wieso knapp zwei Millionen mehr Nettoinvestitionen im Budget 2026?
Erstes und einziges traktandiertes Geschäft, welches an der Gemeindeversammlung verhandelt wurde, war das Budget 2026 der politischen Gemeinde Stallikon und die Festsetzung des Steuerfusses. Nachdem Gemeindepräsident Reto Bernhard die Anwesenden begrüsst und den formellen Teil eröffnet hatte, brachte Nino Ciganovic seine Ausführungen vor. Auf der Seite der Erfolgsrechnung wird mit einem Totalaufwand von 23658600 Franken geplant und mit einem totalen Ertrag ohne Steuern in der Höhe von 12402400 Franken. Dem gegenüber steht ein Aufwandüberschuss von 11256200 Franken. Bei voraussichtlichen Steuererträgen von – bei einem Steuerfuss von 85 Prozent – 11517500 Franken würde somit eine Einlage von 261300 Franken in das Eigenkapital resultieren – ein Gewinn! Bei der Investitionsrechnung des Verwaltungsvermögens betragen die für 2026 budgetierten Ausgaben 6877000 Franken und die Einnahmen 55000 Franken.
Wieso aber wurden für das Jahr 2026 Nettoinvestitionen von 6822000 Franken budgetiert, wenn es im Vorjahr nur 4812000 Franken waren – woher kommt die Differenz von knapp zwei Millionen? Den markant höheren Betrag erklärte Ciganovic damit, dass bereits die Kosten für das Grossprojekt Pünten eingeplant seien. Bei der Investitionsrechnung des Finanzvermögens gibt es keine Veränderung.
Dann erläuterte der Finanzvorsteher die grössten Veränderungen gegenüber dem Vorjahr im Detail. Bei der Bildung werde man einen «massiven Anstieg» erleben. Waren es im Jahr 2025 noch 8054200 Franken, so sind es nun 8565800 Franken – ein Anstieg um 6,35 Prozent. Geschuldet sei dies vor allem dem Kostentreiber Sonderschulen und es kämen noch zusätzlich Transportkosten von 100000 Franken hinzu, so Ciganovic. Einen Mehraufwand gibt es auch beim Posten «Pflegefinanzierung Altersheime», der aber durch einen Minderaufwand beim Posten «Pflegefinanzierung Spitex» überkompensiert werden kann. Ebenfalls einen Mehraufwand gibt es aufgrund der Zahlungen an die Zürcher Verkehrsbetriebe, während es einen Minderertrag bei den Zinsen gibt. Alles in allem Mehrkosten für die Bildung, dafür erfreulicherweise Minderaufwand bei der Pflegefinanzierung Spitex. «Die Jungen werden uns mehr Geld kosten, die ältere Generation kostet uns weniger», könne man etwas provokativ sagen, so Ciganovic. Bei den Gemeindesteuern wird mit einem Zuwachs von 521800 Franken geplant, weshalb voraussichtlich kein Anspruch auf Ressourcenausgleich bestehe. Auch bei den Grundstückgewinnsteuern werde mit Mehreinnahmen gerechnet.
Nach all diesen Ausführungen konnte der Finanzvorsteher erfreut feststellen: «Die Steuererträge im Vergleich zum Budget 2025 erhöhen sich um knapp eine Million», während die Kosten zusammenfassend gesagt um drei Prozent steigen würden.
Das Budget 2026 wurde von der Gemeindeversammlung einstimmig genehmigt – so weit, so gut. Nach diesem Vorgeplänkel ging es zur Sache: Der Gemeinderat beantragte einen gleichbleibenden Steuerfuss von 85 Prozent.
Zwei Prozent Senkung zur Kompensation des Gewinns
Die Aufgabe der RPK sei es, im Rahmen der Haushaltskontrolle die finanzrechtliche Zulässigkeit sowie die finanzielle Angemessenheit wie auch das Haushaltsgleichgewicht zu prüfen, begann Teresa Bartesaghi ihr Plädoyer im Namen der RPK für eine Senkung des Steuerfusses um zwei Prozentpunkte. Für den Zeitraum der letzten zehn Jahre habe man folgende Entwicklung des Gemeindehaushalts festgestellt: Die Verschuldung von ursprünglich 17,1 Millionen Franken im Jahr 2016 ist praktisch vollständig abgebaut worden. Das zweckfreie Eigenkapital verbesserte sich von 8,7 Millionen auf über 31 Millionen, das heisst plus 12,3 Millionen. Sämtliche Rechnungen schlossen massiv besser ab als budgetiert, ausser im Jahr 2016. Aber: «In der Rechnung vom 2025 wurde Null budgetiert und es sieht so aus, als würde es gemäss Hochrechnung per 30. September 2025 nochmals übertroffen werden», so Teresa Bartesaghi. Aufgrund dieser positiven Faktenlage sei die RPK der Ansicht, dass die beantragte Reduktion massvoll und gut vertretbar sei, trotz der bevorstehenden Unsicherheiten im Zusammenhang mit den eingestellten Investitionen in Zukunft.
Es folgte eine lebhafte Diskussion. Argumente für die Beibehaltung des Steuerfusses bei 85 Prozent waren unter anderem, dass die geplante Erweiterung der Schulanlage Pünten eine grosse Investition sei, und wenn jetzt der Steuerfuss gesenkt werde, dann müsse man ihn dafür in ein paar Jahren um ein Vielfaches erhöhen. Einige Stallikerinnen und Stalliker haben auch ein Interesse an Beständigkeit und wünschen daher einen gleichbleibenden Steuerfuss, nicht immer dieses «ufä und abä». Dagegen wurde das Argument eingebracht, dass der Steuerfuss nun seit 2018 gleichbleibend war. Ausserdem sei in der Erfolgsrechnung des soeben genehmigten Budgets 2026 ein Gewinn eingeplant – 261300 Franken –, weshalb der Antrag der RPK von zwei Prozent folgerichtig sei, zur Kompensation dieses prognostizierten Gewinns. Und, wieso bereits für das Grossprojekt Pünten vorsorglich Steuern zahlen, wenn es noch nicht an der Urne durch sei, war der Tenor der Befürworter einer Steuerfusssenkung.
Eine Extremposition bezog René Giger mit seinem Änderungsantrag, der Steuerfuss sei neu auf 80 Prozent des einfachen Gemeindesteuerertrages festzusetzen. Die Schülerzahlen seien als abnehmend prognostiziert, man brauche gar kein neues Schulhaus. Dem wurde in einer weiteren Wortmeldung entgegnet, dass der Bedarf an Schulraum nicht abhängig sei von der Anzahl Schülerinnen und Schüler, heute brauche es immer mehr Spezialräume. Über eine Steuerfusssenkung könne nachgedacht werden, wenn das Schulhaus nicht gebaut werde oder wenn es wirklich so günstig sei, wie es geplant werde. Zankapfel im nächsten Jahr wird in Stallikon also die Abstimmung über die geplante Erweiterung der Schulanlage Pünten.
Nach der Diskussion, die insgesamt 30 Minuten dauerte, äusserte sich vor der Abstimmung auch noch Gemeindepräsident Reto Bernhard. Er wies unter anderem darauf hin, dass die Klassenräume irgendwann nicht mehr dem Standard entsprechen würden. Pro Stimmberechtigten in Stallikon würden diese zwei Prozent ausserdem etwa 100 Franken pro Kopf ausmachen. Der Gemeinderat wolle mit einer Steuersenkung abwarten, bis über die Erweiterung der Schulanlage Pünten abgestimmt worden sei. Falls für dieses Projekt eine grosse Investition getätigt werden müsse, sei man froh, habe man einen Teil des Geldes schon im Trockenen, und wenn nicht: «Dann könnt ihr sicher sein, dass der Gemeinderat Stallikon zuvorderst vorne ist, um zu schauen, dass wir die Steuern senken, und dann reden wir vielleicht nicht mehr von zwei Prozent», so Reto Bernhard.
Überraschende Wendung nach erstem Abstimmungsergebnis
Nachdem sich in einer ersten Abstimmung nur drei Stalliker für René Gigers Vorschlag von einem 80-Prozent-Steuerfuss begeistern konnten, fiel dieser weg. Interessanterweise waren bei dieser Abstimmung 42 Personen für den Steuerfuss in der Höhe von 85 Prozent und 40 Personen für jenen von 83 Prozent. Es sah also so aus, als würde bei der Schlussabstimmung über den Vorschlag des Gemeinderates abgestimmt werden. Doch weit gefehlt – die Gegenüberstellung der Anträge des Gemeinderates und der RPK endete zur Überraschung aller mit 40 zu 41 Stimmen. Somit kam der Änderungsantrag der RPK zur Festsetzung des Steuerfusses auf 83 Prozent in die Schlussabstimmung, wo er mit 58 zu 20 Stimmen angenommen wurde. Der Finanz- und Aufgabenplan 2025 bis 2029 wurde ohne Abstimmung zur Kenntnis genommen. Damit war der formelle Teil abgeschlossen.
Aber zum Finanz- und Aufgabenplan kam dann doch noch eine Frage auf, die wohl alle Stallikerinnen und Stalliker brennend interessieren dürfte: Die geschätzten Kosten für die Erweiterung der Schulanlage Pünten betragen nun 23,6 Millionen Franken, wo doch einst von 16 Millionen Franken die Rede gewesen sei? Reto Bernhard musste eingestehen, dass es teurer werde, aber rechtfertigte dies damit, dass es sich um eine Grobkostenschätzung gehandelt habe mit einer Kostengenauigkeit von rund 30 Prozent. Es dürften also 4,8 Millionen Franken mehr sein als ursprünglich geschätzt, nun sind es aber bereits 7,6 Millionen Franken mehr. Es wird spannend im Herbst 2026 in Stallikon.