Thomas Hertach aus Hedingen entdeckt weltweit neue Zikadenart

Die «Italienische Bergzikade» ist nur eine von zehn Singzikadenarten in der Schweiz

Cicadetta sibillae: Männchen und Weibchen. (Bilder zvg.)

Cicadetta sibillae: Männchen und Weibchen. (Bilder zvg.)

Der dunkle Körper und die glasigen Flügel verrieten die neue Art noch nicht, denn Bergzikaden – eine Untergruppe der Singzikaden – lassen sich kaum an ihrem Aussehen unterscheiden. Entscheidend war ihr Gesang, bei dem sich in einem komplizierten Muster Ziehlaute und schnelle, rhythmische Phasen abwechseln. Für ihren Befund hatten die Forscher eingehende Analysen der Genetik, der Morphologie und vor allem des Gesangs vorgenommen. Das Team um Doktorand Thomas Hertach und Prof. Peter Nagel von der Forschungsgruppe Biogeografie der Universität Basel mit Kollegen in Slowenien und den USA hat seine Studie vor kurzer Zeit in einer Fachzeitschrift veröffentlicht. Die bevorzugten Lebensräume der neu entdeckten Bergzikadenart sind lichte, warme Laubwälder und Magerwiesen mit viel Gebüsch. Die Tiere singen auf Sträuchern oder sogar im Gras und ernähren sich von Pflanzensäften.

«Im Nordapennin ist Cicadetta sibillae die häufigste Singzikade überhaupt», zeigt sich der Entdecker Thomas Hertach erstaunt. Der Forscher, ein Umweltnaturwissenschafter und seit gut zwei Jahren in Hedingen wohnend, hat die Bergzikadenart vor rund 10 Jahren im Kanton Tessin erstmals gehört. «Damals hatte ich den Eindruck, dass es sich um jene Art handelt, die auch in den Pyrenäen vorkommt», sagt er, kam aber dann doch zur Erkenntnis, dass einiges nicht zusammenpasst. «Weil die Unterschiede klein sind, mussten wir sehr umfangreiches Datenmaterial im Feld zusammentragen und analysieren», sagt Thomas Hertach. Bis feststand, dass sich die neue Art in allen Untersuchungen konstant von der nah verwandten Art aus den Pyrenäen unterscheidet und von dieser über 450 Kilometer weit getrennt lebt, hat der Forscher einigen Aufwand auf sich genommen: «In italienischen Gebirgen habe ich in Sommermonaten mit dem Roller rund 20000 Kilometer zurückgelegt und dort allein geforscht». Für den 44-jährigen Thomas Hertach eine äusserst spannende Zeit, aber mental nicht immer ganz einfach, weil es da noch eine Familie gibt. Cicadetta sibillae ist nach den Monti Sibillini in Mittelitalien benannt, aber auch eine Art Ode an seine Ehefrau Sibille ...

In Graubünden bedroht

Das Verbreitungsgebiet der «Italienischen Bergzikade» erstreckt sich also von Neapel bis in die Südschweiz. Hier kommt sie in einem knappen Dutzend Populationen im Tessin und zwei winzigen Beständen im Bündner Misox vor. Die Tessiner Population vom Monte San Giorgio gehört dabei alpenweit zu den individuenreichsten. Dagegen steht die Art in Graubünden – bereits so kurz nach ihrer Entdeckung – vor dem Aussterben. Erste Schutzmassnahmen in Zusammenarbeit mit dem Kanton und Pro Natura sind geplant.

Die Forscher gehen davon aus, dass sich die neue Zikadenart vor mindestens einer Million Jahren während der Eiszeiten gebildet hat und ihr Ursprung in milden Rückzugsgebieten Italiens liegt. «Eine neue Schweizer Tierart dieser Körpergrösse zu entdecken, ist ein Bubentraum, der wahr geworden ist», sagt Hertach.

Gesang lockt Weibchen an

Singzikaden besitzen am Hinterleib ein Organ mit Platten, die durch einen Muskel in Schwingung versetzt werden; ein Luftsack sorgt für die nötige Resonanz. Die Gesänge dienen den Männchen, um Weibchen anzulocken, und sind für jede Art typisch. Der Schweizer Forscher Johann Jacob Bremi beschrieb schon 1849, dass Bergzikaden sehr verschieden singen können. Doch sein Wissen geriet lange in Vergessenheit: Erst ab 2000 haben akustische Studien gezeigt, dass Bergzikaden europaweit aus einer Gruppe von unterschiedlichen Arten bestehen. (pd./-ter.)

 

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