Eigenverschulden des Opfers

Zürcher Obergericht: Freispruch des Bezirksgerichts Affoltern bestätigt

Der tragische Vorfall auf einer Baustelle in Stallikon ging auf den 24. April 2013 zurück. Der heute 47-jährige Beschuldigte bediente damals im Rahmen von Planierungsarbeiten einen Raupenbagger. Ein damals 20-jähriger Arbeitskollege führte gleichzeitig zu Fuss Messungen durch. Um 13.40 Uhr begab sich der junge Angestellte hinter den Raupenbagger und wollte mit dem Rücken zum Fahrzeug eine letzte Messung vornehmen. Dann passierte das Unglück: Der Baggerfahrer fuhr plötzlich rückwärts und drehte gleichzeitig die Fahrerkabine. Womit er den Geschädigten übersah und überrollte. Der türkische Staatsangehörige überlebte zwar den Unfall, wird aber sein ganzes Leben daran erinnert werden. So erlitt er diverse Knochenbrüche und massivste Organverletzungen. So stark, dass er heute an den Rollstuhl gebunden ist.

Zu schwersten Gehbehinderungen kamen als bleibende Folgen ein künstlicher Darmausgang sowie chronische Schmerzen hinzu. Nicht zuletzt erblindete er auf der Intensivstation infolge einer Infektion auf beidenAugen.

Die Staatsanwaltschaft Limmattal/Albis leitete eine Strafuntersuchung ein und erhob vor einem Jahr gegen den Baggerführer Anklage wegen fahrlässiger Körperverletzung. Der Strafantrag lautete auf eine bedingte Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu 60 Franken sowie auf eine Busse von 600 Franken. Laut Anklage hatte es der beschuldigte Serbe unterlassen, vor dem Start die Fahrerkabine vollständig zu drehen.

Baggerführer in psychologischer Behandlung

Am Donnerstag musste sich der Baggerführer vor dem Zürcher Obergericht verantworten. «Ich habe nach hinten geschaut, aber nichts gesehen», erinnerte er sich zurück und beteuerte seine Unschuld. Bei der richterlichen Befragung kam heraus, dass sich der Familienvater seit dem Unfall in psychologischer Behandlung befindet. Er kann seither auch keine Fahrzeuge auf den Baustellen lenken. Er arbeite heute als Polier, erklärte er.

Während der Rechtsvertreter des Opfers einen Schuldspruch und grundsätzlich Schadenersatz forderte, verlangte der Verteidiger einen vollen Freispruch. So habe der Privatkläger vor dem Unfall elementarste Sorgfaltspflichten verletzt, plädierte er. So habe er sich ohne Kommunikation mit dem Fahrer in den Schwenkbereich des Fahrzeugs begeben. Ohne Schutzkleidung. Hingegen habe er über sein Natel Musik gehört und sei rückwärts zum Fahrzeug gestanden. «Er konnte einerseits nicht gesehen werden und andererseits konnte er den Bagger auch nicht sehen», machte der Verteidiger geltend.

Sein Plädoyer hatte Erfolg. So folgten die Oberrichter zum Schlusseinem erstinstanzlichen Urteil des Bezirksgerichts Affoltern, das den Baggerführer bereits im letzten Juli freigesprochen hatte. Der Gerichtsvorsitzende Peter Marti sprach in Gegenwart des Opfers von einem äusserst tragischen Vorfall und zeigte Verständnis für die Betroffenen, die versucht seien, einen Schuldigen für diese Tragödie zu finden. Das Obergericht vertrat auch die Auffassung, dass der Beschuldigte in einem Punkt seine Sorgfaltspflicht verletzt habe. So habe er es verpasst, die Fahrerkabine nach Abschluss der Planierung zu drehen. Allerdings sei dies nur eine Verletzung im kleinen Ausmass.

Opfer verletzte mehrere Sicherheitsbestimmungen

Marti führte dann aus, dass das Opfer hingegen mehrere Sicherheitsbestimmungen verletzt habe. Es wäre seine Aufgabe gewesen, den Sichtkontakt zum Baggerführer herzustellen. Nicht umgekehrt. Zudem habe sich der Geschädigte mit dem Rücken hinter das Fahrzeug in den verbotenen Schwenkbereich begeben und über einen Kopfhörer Musik laufen lassen. Womit er das Motorengeräusch überhört habe.

Damit sei die Voraussehbarkeit des Unfalls nicht gegeben. Mit soeinem Verhalten des Privatklägers habe der Beschuldigte nicht rechnen müssen. Mit dem Freispruch wurden die Schadenersatzbegehren des Geschädigten abgewiesen.

 

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