Versuchte Tötung am Bahnhof Affoltern

Paranoide Schizophrenie: Der 32-jährige, mehrfach vorbestrafte Türke, der im März letzten Jahres am Bahnhof Affoltern einen 86-Jährigen gegen den Zug gestossen hat, ist nicht schuldfähig. Das Bezirksgericht Affoltern erkannte versuchte Tötung.

Hier wurde der Rentner gegen den Zug gestossen. Der Bahnhof Affoltern am Montagnachmittag, 21. März 2016. (Archivbild)
Hier wurde der Rentner gegen den Zug gestossen. Der Bahnhof Affoltern am Montagnachmittag, 21. März 2016. (Archivbild)

Dem verhängnisvollen Schubser am Perron 1 des Bahnhofs Affoltern ging eine verbale Auseinandersetzung voraus. Der Täter erkundigte sich nach eigenen Worten bei einer unzufrieden dreinschauenden Frau nach Problemen; sie wies ihn schroff ab. Dann ärgerte sich der Mann, weil sich der Rentner einmischte – mit fatalen Folgen: Dieser wurde vom Täter von hinten mit heftigen Schubser an die Schulter gegen den einfahrenden Zug gestossen. Der Betagte wurde einige Meter mitgeschleift und schwer verletzt. Die in der Anklageschrift aufgelisteten Verletzungen umfassen vier Seiten und hätten – so der Staatsanwalt – ohne Weiteres zum Tod führen können. Versuchte Tötung, lautete sein Verdikt, derweil der Verteidiger lediglich fahrlässige schwere Körperverletzung erkannte. Der Mann habe nicht absichtlich gehandelt und den Tod nicht in Kauf nehmen wollen; der alte Mann, der sich gegenüber seinem Mandanten respektlos verhalten habe, sei gestolpert und gegen den Zug geprallt.

Der Täter ist kein unbeschriebenes Blatt: Er ist neunfach vorbestraft, auch wegen Gewalt. Vor Gericht räumte er ein, dass er bei den Taten «meistens besoffen» gewesen sei und nicht – wie vom Gutachter festgestellt – an paranoider Schizophrenie leide. Seit eineinhalb Jahren trinke er keinen Alkohol und konsumiere auch keine Drogen mehr, weshalb er für eine ambulante Massnahme sei. Aber gegen eine solche ist sogar sein Anwalt. Und der Staatsanwalt hält eine stationäre Massnahme wegen akuter Rückfallgefahr für unausweichlich. Auch das Bezirksgericht spricht von versuchter Tötung und schloss sich den Anträgen der Staatsanwaltschaft an. Seit August 2016 befindet sich der Mann im vorzeitigen Vollzug.

Der 32-jährige gebürtige Türke ist im Kanton Zürich zur Welt gekommen; Türkisch spricht er nicht. Im Alter von eineinhalb Jahren kam er in eine Pflegefamilie, dann in ein Internat und hernach wieder zu einer Pflegefamilie. 2003 begann er eine Gipserserlehre, brach aber wieder ab und lebt von der IV. Zu einem Neuanfang kam es nicht. Weshalb?, wollte Gerichtspräsident Peter Frey wissen. «Ich weiss es nicht», sagte der Mann. Die Frage nach den häufigen Delikten, die er vor der Tat in Affoltern verübt hatte, beantwortete er mit dem gleichen Satz.

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