Teure «Blaufahrt» mit Folgen

Bezirksgericht Affoltern verurteilte einen 25-Jährigen – auch wegen falscher Aussagen

Laut Anklageschrift touchierte der stark betrunkene Angeklagte auf einem Parkplatz im Bereich der Zürichstrasse in Affoltern einen parkierten PW – und machte sich davon. (Bild Werner Schneiter)
Laut Anklageschrift touchierte der stark betrunkene Angeklagte auf einem Parkplatz im Bereich der Zürichstrasse in Affoltern einen parkierten PW – und machte sich davon. (Bild Werner Schneiter)

Sie hatten am 29. April 2016 in Affoltern ganz ordentlich gebechert, der Beschuldigte und sein Kollege. Das hinderte den 25-jährigen Schweizer nicht, sich um 2 Uhr in der Früh ans Steuer zu setzen. Laut Anklage verlor er auf einem Parkplatz nahe des Lokals die Herrschaft über sein Auto und touchierte ein anderes Fahrzeug. Zusammen mit dem Kollegen fuhr der junge Mann an sein nahegelegenes Domizil, ohne sich um den Schaden zu kümmern. Mit dem sich Entfernen vom Unfallort habe der Mann eine Blutprobe verhindert. Sie wurde rund drei Stunden später nachgeholt, als die Polizei vor der Wohnungstüre stand und ihn ins Spital überführte, wo ein Wert von 1,62 Promille festgestellt wurde.

«Alles ist falsch», kommentierte der Beschuldigte den in der Anklage dargestellten Sachverhalt. Er habe mit seinem Kollegen in einer Bar getrunken, aber seine Mutter angerufen. Diese habe sich ans Steuer gesetzt, das Gaspedal mit der Bremse verwechselt und das parkierte Auto beschädigt. Er sei zurück in die Bar gegangen und habe der ihm bekannten Bardame, die das Auto ihres Lebenspartners benützt hatte, das Malheur mitgeteilt. Sie habe ihm gesagt, das könne man am nächsten Tag noch regeln. Die Befragung von Zeugen ergab keinen eindeutigen Hinweis auf die Person, die auf dem Führersitz Platz genommen hat.

«Völliges Blackout»

An die erste Einvernahme durch die Polizei am Morgen um zirka 5 Uhr erinnere er sich nicht mehr, behauptete er unter dem Hinweis auf ein «völliges Blackout». «Ich war total betrunken und müde», fügte er bei, sagte aber damals dem Polizisten, er sei gefahren. Wahr oder gelogen – das zog sich wie ein roter Faden durch die Verhandlung. «Ich weiss nichts mehr von dieser Nacht», betonte er mehrmals. Er will aber immerhin wissen, dass sein Kollege bei der Ersteinvernahme nicht die Wahrheit gesagt haben soll. «Meine Mutter sagte mir einen Tag nach dem Vorfall, wie es gewesen ist, nämlich, dass sie den Wagen gelenkt habe.»

Diese Behauptung wurde im Juli, rund drei Monate nach dem Vorfall (!), per Brief der Untersuchungsbehörde mitgeteilt. Dies sei auf Empfehlung seiner damaligen Anwältin geschehen. Warum erst so spät nach dem Vorfall? Er müsse auf den Strafbefehl warten und dann Einsprache erheben, soll sie ihm geraten haben. Der Verteidiger verlangte einen vollständigen Freispruch und übte harsche Kritik an der Assistenz-Staatsanwältin. Sie habe die Anklage schludrig verfasst – mit sinnstörenden Fehlern und Verfahrensmängeln. So sei zum Beispiel von Belang, wer auf dem Führersitz Platz genommen habe und nicht wie. Er kritisierte auch den Umstand, dass die Beschuldigten im Zustand des Vollrauschs befragt worden seien und die in diesem Rahmen gemachten Aussagen fragwürdig seien. Als der Angeklagte die Aussagen verweigert habe, sei die Einvernahme fortgesetzt worden. Das sei nicht zulässig, fand der Verteidiger, der auch die sehr vagen Aussagen der Zeugen erwähnte. Die Mutter habe den Standpunkt des Sohnes gestützt, klipp und klar gesagt, sie sei gefahren. Das dürfe nicht in Zweifel gezogen werden. «In einer solch zweifelsvollen Situation muss zugunsten des Angeklagen entschieden werden», schloss der Verteidiger.

An der Grenze zur Freiheitsstrafe

Der vorsitzende Ersatzrichter Andreas Huber glaubte dem Angeschuldigten kein Wort. Mit einer unbedingten Geldstrafe von 220 Tagessätzen à 80 Franken – als Zusatzstrafe zu einem Delikt vom Juni 2016 – blieb das Gericht über dem von der Staatsanwaltschaft geforderten Strafmass. Zusammen mit der Busse von 500 Franken und Verfahrenskosten muss der Angeklagte mehr als 20000 Franken bezahlen – angesichts seiner laufenden Schulden in gleicher Höhe kein Pappenstiel.

Neben der «Blaufahrt», der Vereitelung einer Blutprobe und pflichtwidrigem Verhalten nach einem Unfall fällt laut Huber insbesondere die falsche Anschuldigung ins Gewicht. «Diese haben Sie beharrlich wiederholt. Das Ganze bewegt sich an der Grenze zu einer Freiheitsstrafe», sagte der Vorsitzende, für den bei der Strafzumessung auch die Vorstrafen (Raub, Körperverletzung, teils als Jugendlicher) von Bedeutung sind. Mit Blick auf diese Vorstrafen zweifelt der Vorsitzende auch an einer günstigen Prognose und an der Einsicht. «Ausserdem haben Sie während der laufenden Probezeit delinquiert – unverständlich, denn Sie gehen ja einer Arbeit nach und leben mit ihrer Lebenspartnerin und dem Kind in geordneten Verhältnissen. Unverständlich ist auch, dass Sie, rund 300 Meter vom Wohnort entfernt, den Wagen nicht stehengelassen haben», sagte Andreas Huber. Für ihn ist die erste Einvernahme massgebend, als der Beschuldigte einräumte, gefahren zu sein, was damals auch vom Kollegen bestätigt wurde. Er hält das Schreiben vom Juli 2016 an die Staatsanwaltschaft für abgesprochen. «Ich habe nicht ansatzweise Zweifel, dass Sie gefahren sind», so der Ersatzrichter. Zudem hätten Zeugen den Sachverhalt gestützt. «Auch wenn diese nicht genau gesehen haben, wer gefahren ist, konnten sie auf dem Parkplatz vor der Bar keine dritte Person ausmachen», so ein weiteres Argument.

Diese Drittperson wäre die Mutter gewesen. Sie und der Kollege des Verurteilten haben nun wegen Falschaussage ebenfalls mit strafrechtlichen Konsequenzen zu rechnen.

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