Offene Gräben im Gemeinderat

Am letzten Dienstagabend genehmigte die Bonstetter Gemeindeversammlung alle vier Traktanden. Dabei gab nur eine Bauabrechnung und Genehmigung eines Nachtragskredits zu reden. Die Versammelten erfuhren aber Interessantes über das politische Klima im Gemeinderat.

Kurz vor den Wahlen stehen die Zeichen im Gemeinderat Bonstetten auf Sturm. (Bild Andrea Bolliger)
Kurz vor den Wahlen stehen die Zeichen im Gemeinderat Bonstetten auf Sturm. (Bild Andrea Bolliger)

Es waren nicht die Traktanden, welche nach dem Ende der Gemeindeversammlung noch lange zu reden gegeben haben dürften. Nach einer ruhig verlaufenen Abarbeitung der vier traktandierten Geschäfte, in sachlicher und fairer Debatte, überraschte Frank Rutishauser die 96 Stimmberechtigten, den Gemeinderat und die Gäste gleichermassen. Gegen ihn sei beim Bezirksrat eine Aufsichtsbeschwerde erhoben worden. Man werfe ihm vor, charakterlich nicht für dieses Amt geeignet zu sein. Es würden ihm aber keine Verstösse gegen das Gesetz oder Reglement vorgeworfen. Weil er selber befangen sei, fragte er seine Ratskollegen, ob jemand etwas dazu sagen wolle. Im Saal herrschte betretenes Schweigen. Frank Rutishauser fuhr fort, er habe damit lediglich die Gerüchteküche im Dorf offiziell bestätigen wollen. Die Sache sei eine extreme Belastung für ihn. Die Stimmung im Saal blieb ruhig, niemand ergriff das Wort bis nach dem Ende der Versammlung. Mitglieder des Gemeinderates hatten sich wegen einer verfahrenen Situation an den Bezirksrat gewandt. Statthalter Claude Schmidt bestätigte auf Anfrage den Eingang einer Aufsichtsbeschwerde.

Zu Beginn der Versammlung informierte Frank Rutishauser, dass die Gemeindeversammlung zu Zwecken der Führung des Protokolls auf Tonband aufgenommen würde. Das Band würde nach Ablauf der Rekursfrist gelöscht und diene lediglich der Protokollführung. Ein Stimmberechtigter gab zu bedenken, dass Votanten, die nicht gerne vor vielen Leuten sprechen, erst recht gehemmt sein könnten, ihre Meinung kundzutun. Er bat mittels Ordnungsantrag darum, auf die Aufnahme zu verzichten. Die Mehrheit der Stimmberechtigten hatte aber nichts gegen diese Aufnahme und lehnte den Antrag ab.

Schulhaus teurer als budgetiert

Zu reden gab das zweite Traktandum, die Genehmigung der Bauabrechnung des Schulhauses Schachenmatten 4. Der Bau war aus verschiedenen Gründen teurer geworden, weshalb der Gemeinderat einen Nachtragskredit über 846175.20 Franken beantragen musste.

Während der Bauphase seien verschiedene Komplikationen aufgetreten, erläuterte Christina Kienberger, Ressortleiterin Bildung. Unvorhergesehenes und Planungsfehler rissen ein Loch von 1,4 Millionen Franken in die Abrechnung. Dazu gehörten behördliche Auflagen wie Nachrüstung beim Brandschutz oder der Bau einer Retentionsanlage für Regenwasser. Es sei an vieles nicht gedacht worden, seitens Architekten aber auch seitens Baukommission. Dazu kamen drei Schadenfälle. Damit die Baugrube nicht absank, war eine Nagelankerbohrung ins Schulhaus 3 nötig, dabei wurde in den Öltank gebohrt. Die Versicherung übernahm nur den Zeitwert. Feuchtigkeit im Untergeschoss des Neubaus und ein Wasserschaden in der Technikzentrale waren weitere Schadenfälle. Es gab aber auch Minderkosten zum Beispiel bei der Altlastensanierung des Schiessstandes, wo deutlich weniger Material als Sondermüll habe entsorgt werden müssen. Man sei froh gewesen, dass das Schulhaus im August 2015 in Betrieb genommen werden konnte, da akuter Platzmangel geherrscht habe, so Christina Kienberger. Der Gemeinderat will seine Lehren aus der suboptimalen Abwicklung ziehen.

Mit der Ablehnung ein Zeichen setzen

Der Präsident der Rechnungsprüfungskommission, Peter Ehrler, erläuterte, weshalb die RPK die Ablehnung des Antrages empfiehlt. Für ihn sind die wichtigen Punkte, eine lückenlose Kommunikation unter den Beteiligten. Künftig seien erhöhte Ansprüche zu stellen. Die RPK empfehle die Ablehnung als Zeichen der Bürger und dass aus dem Fall Lehren gezogen würden. Ein Votant weiss von Problemen mit den Jalousien. Christina Kienberger erklärt, dass diese inzwischen tadellos funktionieren. Allerdings habe es stetes Engagement gebraucht und die zuständigen Leute hätten mehrfach aufgeboten werden müssen. Auch der ehemalige Gemeindepräsident Bruno Steinemann meldete sich zu Wort. Er erinnert daran, dass Christina Kienbergers Vorgänger das Projekt initialisiert habe. Bereits dort seien die Weichen gestellt worden und man habe nur noch versuchen können, diese zu korrigieren. Schliesslich will ein Votant wissen, was genau passiert, wenn man die Bauabrechnung respektive den Nachtragskredit ablehnt. Das Geld sei ausgegeben. Ihm ginge es darum, frappante Fehler zu hinterfragen, so Peter Ehrler. Er hat ein ungutes Gefühl und glaubt, dass die Erfahrungen bei künftigen Projekten bereits wieder vergessen sind. «Bei Ablehnung passiert nichts», sagt Frank Rutishauser zustimmend. Allerdings wäre es ein Misstrauensvotum gegenüber dem Gemeinderat. Er versichert, dass künftige Bauvorhaben anders angegangen würden. Das Volk habe damals einem funktionstüchtigen Schulhaus mit 80 Prozent zugestimmt. Er sei überzeugt, dass auch einem 11-Millionen-Kredit zugestimmt worden wäre. In diesem Fall würden heute alle klatschen. Mit Spannung wurde das Auszählen der Stimmen erwartet. Bauabrechnung und Nachtragskredit wurden mit 55 zu 22 Stimmen angenommen.

Die Genehmigung der Bauabrechnung und jene über die Genehmigung des Nachtragskredites sind in zwei Anträge gefasst, deshalb stellt ein Stimmberechtigter den Ordnungsantrag für separate Abstimmungen über die beiden Geschäfte. Dieser wurde mit 48 Nein zu 22 Ja-Stimmen abgelehnt.

Stabilisierung des Steuerfusses ist ein finanzpolitisches Ziel

Frank Rutishauser erläuterte das Budget. Nach der Steuerfusserhöhung im Jahre 2013 entwickelten sich die Finanzen stabil. Diverse Aufwandsteigerungen und stagnierende Steuererträge konnten höhere Einnahmen bei der Grundstückgewinnsteuer nicht kompensieren. Der Selbstfinanzierungsgrad von 96 Prozent bedeute im kantonalen Mittel einen guten Wert. Es sei das Ziel des Gemeinderates, die Nettoschuld abzubauen, doch bis 2020, der nächsten Legislaturperiode, sei dies nicht möglich. Dafür wären erheblich mehr Einnahmen bei den Grundstückgewinnsteuern nötig. Die Gemeindeversammlung stimmte dem Budget und dem unveränderten Steuerfuss 93 Prozent einstimmig zu.

Es bleibt gleich teuer

Die Gebührenverordnung über welche die Bonstetterinnen und Bonstetter zum Schluss der Versammlung abstimmten, betraf die Gebühren, welche bis heute gestützt auf die regierungsrätliche Verordnung über die Gebühren der Gemeindebehörden (Vogg) erhoben wurden. Diese betreffen nicht die bereits in kommunalen Verordnungen geregelten Gebühren von Wasser, Abwasser, Abfall oder Kabelnetzgebühren. Mit der Totalrevision des Gemeindegesetztes wird diese Vogg per 1. Januar 2018 aufgehoben. Deshalb müssen die Gemeinden eine eigene Rechtsgrundlage schaffen. Auch dieses Regelwerk, welches die Handschrift des scheidenden Gemeindeschreibers Daniel Nehmer trägt, wurde einstimmig angenommen.

Spital, Güsel und ärztlicher Notfalldienst

Anschliessend an die offizielle Gemeindeversammlung wies Frank Rutishauser auf die Informationsveranstaltung betreffend Austritt aus dem Spital-Zweckverband hin. Vertreter des Zweckverbandes, der Spitalleitung sowie der Betriebskommission kommen am 30. Januar im Gemeindesaal zu Wort. Gemeinderat Markus Reich erläuterte die Änderungen im Abfallwesen. Papier wird 12 Mal im Jahr, neu am Mittwoch, eingesammelt. Karton jeden zweiten Monat, immer montags.

Die letzte Information betraf medizinische Notfälle. Der Kanton hat ein Gesetz genehmigt, das die Notfallordnung mit einer kantonalen Triagestelle organisiert. Unter der Telefonnummer 0800 33 66 55 ist medizinisch geschultes Personal 365 Tage im Jahr im Einsatz. Dies diene auch der Entlastung der Gesundheitskosten, sagt Frank Rutishauser. Sie soll dazu beitragen, dass unnötige Fälle in der Notfallstation des Spitals generiert werden.

Noch ist es etwas hin, bis Daniel Nehmer seinen letzten Arbeitstag in Bonstetten hat. In der Gemeindeversammlung wurde er bereits mit einem herzlichen Applaus verabschiedet. Kurz vor 22 Uhr entliess Frank Rutishauser die Versammelten mit den besten Wünschen für eine schöne Adventszeit und wies auf den Neujahrsapéro vom 4. Januar hin.

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