Halbnackte Frauen so weit das Auge reicht

Nicht nur bei ihren Werbesujets setzt die Agir auf Sex. Auf der Website sind diverse sprachliche Entgleisungen zu finden. Im Mitarbeitermagazin «grünes edelweiss» ist die Entwürdigung am schlimmsten. Die Submissionsverordnung des Kantons Zürich schreibt Auftragnehmern die Gleichbehandlung von Frau und Mann vor. Erfüllt Agir diese Vorgaben?

«Hama», damit ist Geschäftsleitungs- und Verwaltungsratsmitglied Hans-Martin Meyer gemeint. (Bild: Mitarbeitermagazin «grünes edelweiss»)
«Hama», damit ist Geschäftsleitungs- und Verwaltungsratsmitglied Hans-Martin Meyer gemeint. (Bild: Mitarbeitermagazin «grünes edelweiss»)

Wer auf der Website mehr über Agir erfahren will, staunt nicht schlecht. Das Unternehmen mit rund 350 Mitarbeitenden hat acht Tochterfirmen, drei davon im Ausland. Die Agir erklärt diese Geschäftsübernahmen so: «Weil es der Familie in der Schweiz auf Dauer zu langweilig war, heiratete sie flugs ein paar heisse Bräute im Ausland. Zwei Tschechinnen und eine Serbin lautet der aktuelle Haremszwischenstand.» Ebenfalls auf der Website aufgeschaltet: das Mitarbeitermagazin «grünes edelweiss». Das Heft erscheint alle drei bis vier Monate in einer Auflage von 1100 Exemplaren und wird in die Haushalte aller Mitarbeitenden versandt. Auch Pensionäre, Freunde und Bekannte werden damit beliefert. Wer darin blättert, stösst auf jede Menge Schlüpfriges.


Der Verwaltungsrat macht kräftig mit


Den Anfang macht jeweils Marino Crescionini, ehemaliger Geschäftsführer und heutiges Verwaltungsratsmitglied. Im Editorial von Ausgabe Nr. 50 ist zu lesen: «Das kleine Pflänzchen ist ganz schön gewachsen (...) das bestätigt nur, dass es also doch um die Grösse geht. Genial ist jedoch, wenn neben der Grösse auch die Qualität stimmt. Schliesslich ist knackiger Inhalt Nummer für Nummer gewährleistet.» Und weiter heisst es: «(...) Die Texte und die Bilder krachen. Sie zeigen Wirkung. Und genau das ist es, was es zu dem gemacht hat, was es jetzt ist. (...) Freut euch daher jetzt schon auf mehr. Zurücklehnen und aufatmen? Nö! Der Chefgärtner und seine wortreichen und eloquenten Vasallen hauen weiter auf den Putz. Die wissen, wies geht und setzen – je älter, desto besser – erst recht einen drauf. (...) Und jetzt rein ins Vergnügen. Weidet eure Augen in der 50sten Ausgabe. Ergötzt euch an seinem blendenden Schimmer auf den folgenden Blättern.»

Dass Cresiconini die Frauen mag, liest man auch in Ausgabe Nr. 48, als es um seinen Abschied geht: «Der neue König in Agirs Kies + Betonland heisst Pascal Müller. Er ist nicht nur grösser als der ehemalige Chef cm, sondern hat auch frauenmässig mehr zu bieten. Cm dazu: «Es ist die Qualität, die zählt und nicht die Quantität!» Auch Hans-Martin Meyer erscheint immer wieder auf Bildmontagen. «Hama weiss wirklich, wie abfiggen geht», ist dazu auf einer zu lesen.


Das «Marketing-Tussi» kann nicht rechnen


Weniger gut kommen die Agir-Mitarbeiterinnen weg. Einmal heisst es über Alexia Dominguez, ebenfalls Mitglied der Redaktion, Folgendes: «Nach zig abgeschmetterten Design-Vorschlägen hat sich Marketingtussi Alexia endlich entschieden! Ringerstaffel Freiamt-Präsident Sandro Vollenweider dazu: Dachte, ich erlebs nicht mehr. (...) Ihr Kommentar: Das geht nicht zack zack! Schliesslich sollen doch die athletischen Körper auch richtig zur Geltung kommen.» Ein anderes Mal macht sich Crescionini im Editorial unter dem Titel «Oh, wie liebe ich Alexia!» über ihre fehlenden Rechen- und Excel-Kenntnisse lustig. Auch andere Mitarbeiterinnen haben es schwer: Rahel Mondgenast, genannt «Agir-Blume», hat den Ski-Tag organisiert. Offenbar war im Car dauernd ein Piepston zu hören. Im Ausflugsbericht heisst es: «Danke für die Organisation Rahel, bis nächstes Jahr! Fürs nächste Mal eine kleine Anregung: Wenn schon Piepen, dann eine veritable Peep-Show, bitte. Dann sind garantiert noch mehr dabei.»


Die Mitarbeiter berichten vom Besuch auf der Reeperbahn


Auch die Mitarbeiter schreiben im Magazin fleissig mit. Einer schreibt vom Besuch bei einem Lieferanten in Hamburg und berichtet über den Besuch auf der Reeperbahn: «Genau dahin zog es jetzt die Männerschar. Nach keiner halben Stunde brachen wir das Sightseeing Reeperbahn wieder ab. Minus 10 Grad Celsius und 10 Zentimeter Schnee macht einfach nicht warm, trotz schönen Aussichten.» Über den Firmenbesuch schreibt er Folgendes: «Tatsächlich gibt es für das Zusammennähen von Filtertüchern noch keine optimalen Roboter. Stattdessen sitzen in der grossen klimatisierten Halle viele Frauen (...), und das nicht etwa, weil Frauen günstiger sind, sondern weil sie diese Arbeit einfach besser und zuverlässiger erledigen», heisst es da.


«Heute schon gebaggert?»


Mit Geschlechterstereotypen spart die Redaktion auch bei den Weihnachtsgeschenken nicht. Unter dem Titel: «Heute schon gebaggert?» Gibts Tipps zum Geschenkkauf: «Was schenken? Der Mutter/Tochter eine Kitchen-Aid, dem Vater/Sohn Lego-Technic, so klappts am Heiligabend.» Im Allge-meinen wird im Heft mit anrüchigem Vokabular nicht gespart: Von «spritzige Sache» über «neues Loch, neues Glück» oder «günstig und geil» ist alles dabei. Anderswo geht es um Sandwiches, dort steht: «Je schärfer desto besser gilt für Frauen, NICHT für Geniesser!»


Wer das Heft durchblättert, stellt fest: Sex ist nahezu im gesamten Magazin gegenwärtig. Zwar wird auch über aktuelle Bauprojekte oder Personelles berichtet, aber auch dort wird die Sprache sehr explizit verwendet. In einem Baubericht über die Arbeiten an der neuen Tramverbindung der Limmattalbahn steht mitten im Text: «Überall am Lochen». Bei den Dienst-jubiläen liest man in grossen Lettern «Läck, so lang?» Über das Geburtstagsfest von Verwaltungsratsmitglied Crescionini steht: «Geiles Schmierentheater». Im Interview mit dem CEO der Firma Toggenburger AG steht inmitten des Texts in grossen Buchstaben «Wir haben zwar nicht den Grössten, aber ...».


«Eine diskriminierende Betriebskultur»


Der «Anzeiger» wollte von Redaktionsleiter Marino Crescionini wissen, was nackte Frauen in einem Mitarbeitendenmagazin zu suchen haben und ob man sich bewusst sei, dass sich Mitarbeiterinnen allenfalls sexuell belästigt fühlen könnten, wenn sie das Heft nach Hause geschickt erhielten. Seine Antwort zur Mitarbeitendenzeitschrift fällt so aus: «Dieses Heftchen gehört nicht zur Werbestrategie von Agir. Aus Freude wurde das Werk immer umfangreicher. Im Wesentlichen ist es für unsere Mitarbeitenden gedacht, mehr nicht. Richtig ist, es gehört nicht auf die Homepage. Das ist ein Fauxpas, den wir umgehend korrigieren.»


Zu einem klaren Schluss kommt Helena Trachsel von der kantonalen Fachstelle für Gleichstellung von Frau und Mann: «Frauen werden in der Mitarbeiterzeitschrift und auf den Werbesujets auf demütigende und sexistische Art und Weise zum Konsum angeboten. Und dies ausschliesslich aufgrund ihres Geschlechts. Damit pflegt die Agir eine diskriminierende Betriebskultur und verstösst gegen das Bundesgesetz über die Gleichstellung von Frau und Mann.» Das Bundesgesetz über die Gleichstellung von Frau und Mann schreibt vor, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aufgrund ihres Geschlechts weder direkt noch indirekt benachteiligt werden dürfen. Das Verbot gilt insbesondere für die Anstellung, Aufgabenzuteilung, Gestaltung der Arbeitsbedingungen, Entlöhnung, Aus- und Weiterbildung, Beförderung und Entlassung. Weiter heisst es: Diskriminierend ist jedes belästigende Verhalten sexueller Natur oder ein anderes Verhalten aufgrund der Geschlechtszugehörigkeit, das die Würde von Frauen und Männern am Arbeitsplatz beeinträchtigt.»


Verletzt Agir die Submissionsverordnung?


In der Vergangenheit hat Agir diverse Bauprojekte für die öffentliche Hand ausgeführt. So beispielsweise 2012 für das Astra im Milchbucktunnel oder von 2010 bis 2014 beim Bau von Pfeilern und Brücken für die Durchmesserlinie der SBB. Oftmals ist Agir auch als Subunternehmen an Bauprojekten der Kantone und des Bundes beteiligt. So auch aktuell beim Ausbau der Limmattalbahn. Am Unternehmen Limmattalbahn AG hält der Kanton Zürich 75  % der Aktien, der Kanton Aargau 25  %. Agir beliefert Kibag, Keller+Frei und Walo mit Kies und Beton und besorgt die Abfuhren des Altbelags und des Aushubes. In der Submissionsverordnung des Kantons Zürich steht «Die Vergabestelle stellt vertraglich sicher, dass die Anbietenden (...) die Gleichbehandlung von Frau und Mann einhalten.» Weiter stellt die Vergabestelle sicher, dass sich «Dritte, denen sie Aufträge weiterleiten, ebenfalls vertraglich verpflichten, (...) die Gleichbehandlung von Frau und Mann einzuhalten.» Eben jenes Gleichstellungsgesetz verletzt Agir jedoch gemäss Helena Trachsel durch seine diskriminierende und sexistische Betriebskultur.

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