«Die Gemeinden müssen KI-Strategien entwickeln»

900-Jahr-Feier Stallikon: Blick in die Zukunft

Die Verantwortlichen für den Abend von links: Nino Ciganovic, Referent und Gemeinderat, Marianne Egli, Kommunikation 900-Jahr-Feier, und Devi Rao, Präsident Gemeindeverein und Kulturbeauftragter von Stallikon. (Bild Bernhard Schneider)

Im Wohnheim Loomatt der RgZ Stiftung in Sellenbüren eröffnete der Gemeinderat Nino Ciganovic die Veranstaltungsserie zur 900-Jahr-Feier in Stallikon, die vom Gemeindeverein und dem Treffpunkt Kafimüli veranstaltet wird. Unter dem Titel «Die Wirtschaft im Wandel mit Künstlicher Intelligenz» befasste sich Ciganovic mit den Auswirkungen von Künstlicher Intelligenz auf Stallikon und das Knonauer Amt.

Künstliche Intelligenz (KI) bedeutet, dass technische Systeme ihre Umwelt wahrnehmen, um Probleme zu lösen im Hinblick auf das Erreichen bestimmter Ziele. Was die Maschine noch nicht kann, sind ethische Entscheide. Dies sei aber lediglich eine Frage der Zeit und von genügender Rechenleistung. KI-Technologien könnten nicht nur sehen und hören, sondern auch analysieren, entscheiden und handeln. Allerdings: Die Maschine führt lediglich aus, was der Mensch programmiert hat. Die Kreativität bleibt menschlich, solange der Mensch sich dessen bewusst ist, die Maschine aktiv steuert, statt sich von dieser steuern zu lassen.

Darf man der Maschine Glauben schenken?

Ein Beispiel von KI, über das zurzeit viel geschrieben wird, ist ChatGPT, ein Bot, der auf immer komplexere Fragen Antworten gibt. Ciganovic hat seine Präsentation über KI mit ChatGPT gestaltet, «obwohl das System keine Ahnung von Semantik und Metaphern hat». Doch er hat das System so gesteuert, dass es das hervorbrachte, was er wollte.

Schauen wir mal, was ChatGPT über Nino Ciganovic weiss: «Nino Ciganovic ist der Leiter des Transaction Bankings bei Vontobel Platforms and Services. Er kam von SIX Securities & Exchanges zu Vontobel, wo er als Leiter des Global Relationship & Network Managements tätig war und dem Managementkomitee angehörte. Ciganovic ist in der Branche als Experte für den Handel und die Abwicklung von Wertpapieren anerkannt und bringt seine Erfahrung und Expertise ein, um das Dienstleistungsangebot von Vontobel durch Innovation, Zuverlässigkeit und wettbewerbsfähige Preise weiter auszubauen.»

Was ChatGPT nicht weiss: Ciganovic ist in Zürich Seebach aufgewachsen, lebt seit zehn Jahren in Stallikon, ist Ehemann, Vater von zwei Töchtern und im Gemeinderat für das Ressort Finanzen zuständig. In seiner Zeit bei der Börse betreute er auch Startups, unter anderem eine Firma, die Chatbots programmierte. Diese zählt heute praktisch alle grossen Versicherungsgesellschaften zu ihren Kundinnen, denn Kundenbetreuung wird bei Grossunternehmen immer häufiger von KI gestützt.

Wenn seine Töchter auf seinen Instagram-Account gehen würden, zerstöre dies den Algorithmus: Statt Kulinarik würden ihm dann plötzlich Pferde angezeigt. TikTok sei diesbezüglich technisch am weitesten entwickelt und messe, wie viele Millisekunden lang jemand ein Video anschaue, um den Algorithmus zu schulen. Da sich der Algorithmus von den Nutzerinnen und Nutzern kaum erkennen lasse, sei TikTok wohl das manipulativste Medium, das zurzeit kursiere. Kürzlich sei er an einem Anlass zu KI von einem Roboter begrüsst worden, der ihm einen Kaffee anbot, während er sich mit einem anderen Ankömmling nach dem Stress auf der Autofahrt erkundigte: «Das Gesichtserkennungs­system lässt ihn die Bedürfnisse der Gäste aus dem Gesicht ablesen.»

Es wäre kein Problem, KI ein Video seines Referats in jeder beliebigen Sprache so herzustellen zu lassen, ohne dass erkennbar sei, welche Sprachen er tatsächlich spreche und welche er nicht einmal verstehe, führte Ciganovic weiter aus. Diese Möglichkeit könnte für sogenannte Deepfakes in verheerender Weise eingesetzt werden. Jeder Person könnten beliebige Aussagen untergeschoben werden.

Auch autonomes Fahren sei nur noch eine Frage der Zeit. Eine viel diskutierte Frage ist, wie das Auto entscheidet, wenn es vor der Wahl steht, über eine Klippe zu fahren oder eine junge Mutter mit Kind auf dem Zebrastreifen zu überfahren. Da die Diskussion global stattfindet, kennt sie auch ChatGPT: «In der Praxis bemühen sich Entwickler autonomer Fahrzeuge darum, solche Dilemmata durch fortschrittliche Technologien und Planungsstrategien zu vermeiden, damit das Fahrzeug rechtzeitig reagieren und Unfälle verhindern kann, ohne zwischen zwei negativen Auswirkungen wählen zu müssen. Zudem ist die ethische Programmierung von KI in Fahrzeugen ein Bereich aktiver Forschung und Diskussion, der darauf abzielt, Richtlinien zu entwickeln, wie Maschinen in komplexen moralischen Situationen agieren sollten. Es gibt jedoch keine einfache oder universelle Antwort, da dies tiefgreifende philosophische, ethische und technische Über­legungen erfordert.»

KI in Gewerbe und Landwirtschaft

Was bedeutet dies alles für Stallikon und das Knonauer Amt? Traditionelle Handwerksbetriebe wie Schreinereien und Metallbauunternehmen seien künftig nur noch mit dem Einsatz von KI wettbewerbsfähig, ist Ciganovic überzeugt. Dies verändere die Wettbewerbslandschaft, führe infolge der geringeren Bedürfnisse nach menschlicher Arbeitskraft zu einem erheblichen Umschulungsbedarf und eröffnet Chancen für innovative Tech-Firmen in der Region.

Die Einführung von KI erfordere allerdings beträchtliche Investitionen in Technologie und Schulungen: «Gemeinden müssen KI-Strategien entwickeln, wie sie ihre KMU bei dieser Transformation unterstützen können.» Kollaborationsplattformen zum Wissensaustausch könnten beispielsweise von den Gemeinden aufgebaut oder unterstützt werden. Gerade im Bereich kleinerer KMU und in der Landwirtschaft sei eine Unterstützung nötig. Zentral seien auch die Rahmenbedingungen, namentlich bezüglich Daten- und Cybersicherheit: «Banken lassen Tausende Hacker ihre Systeme hacken, um Schwachstellen zu beheben, bevor sie kriminelle Hacker entdecken.» Doch auch die Gemeinden selbst müssen sich den Einsatz von KI überlegen: «Wie lange dauert es beispielsweise noch, bis Roboter die Post verteilen?» In der anschliessenden Diskussion wurden zahlreiche Befürchtungen geäussert. Wie stark prägt TikTok das Frauenbild junger Männer? Wie werden die enormen Strommengen produziert, die für den Ausbau von KI erforderlich sind? Wie kann man sich vor Kampfrobotern schützen? Was geschieht, wenn ein System – sei es nur schon das Navi – ausfällt und man nicht mehr in der Lage ist, «analog» zu funktionieren? Nino Ciganovic fasste am Schluss zusammen: «Wer die Systeme beherrscht, ist mächtig. Man muss eine klare Regulierung einführen, um der Gefahr zu begegnen, dass künftig ­wenige belesene Leute die Welt ­bestimmen.»

Der Autor verfasst anlässlich der 900-Jahr-Feier ein Buch über die Geschichte von Stallikon

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