Ein Zwei-Familien-Garten auf dem Müliberg

Serie «Gärten»: Die Familien Hess und Scheiwiller teilen sich einen Garten

Seit 40 Jahren gestalten Ruth Hess (links), August und Maja Scheiwiller den Garten. (Bild Regula Zellweger)

Vor über 40 Jahren entschlossen sich zwei junge Familien, gemeinsam ein Bauernhaus auf dem Müliberg zu kaufen. Die Bauernfamilie, die es bisher bewohnt hatte, siedelte in die Sennweid und baute sich ein neues Zuhause. Die Familien Hess und Scheiwiller sind sich einig: «Diesen Entscheid haben wir nie bereut.» Die sieben Kinder beider Familien wuchsen wie Geschwister auf und pflegen heute, längst selbst Eltern, regen Kontakt. Man trifft sich jährlich einmal im Garten der Eltern und Grosseltern, rund 20 Personen, wenn die Grossfamilie gemeinsam gärtnert. «Da läuft was», meint Ruth Hess dankbar. Anschliessend sitzt man zusammen, geniesst am grossen Tisch im Garten Gegrilltes und tauscht Erinnerungen aus.

Zum Bauernhaus gehören ein Stall und eine grosse Scheune – ein Spielparadies für die Kinder. Sie spielten, bastelten und richteten sogar eine Velowerkstatt ein. Eine solche Kindheit, behütet, geborgen und zugleich mit viel Freiheit und Gestaltungsmöglichkeiten, wünscht man sich allen Kindern.

Ruth Hess und Maja Scheiwiller arbeiteten als Handarbeitslehrerinnen – und konnten sich gegenseitig ermöglichen, im Schuldienst zu arbeiten, weil sie sich gegenseitig die Kinder hüteten und oft gleich für zwei Familien kochten. Auch die beiden Väter, Hermann Hess als Förster und August Scheiwiller als Architekt, trugen viel dazu bei, dass damals das Haus wohnlich und der Garten ein kleines Paradies wurde – und noch immer ist.

Auf zwei Ebenen

Der Garten umspannt Haus und Scheune und besteht aus einem flachen Teil und einem steilen Abhang zum Reppischtal hin. Entsprechend ist die Aussicht über Wiesen und Wälder ins Tal und zur Albiskette. Auf der unteren Ebene besitzen die beiden Familien etwas Land, den unteren Garten. Der Abstieg führt über eine steile Felsentreppe. Das Haus ist im Giebel geteilt. Der Garten gehört allen. Man spricht sich ab, wie er gestaltet sein soll.

Der Vorgänger war «steinreich», er liess sich vom Bauer Findlinge im Garten verteilen. Ein Teil davon ist heute noch ein strukturierendes Element des oberen und unteren Gartens. Aber die beiden Familien baten den Bauern, einige Felsbrocken wieder abzutransportieren. Heute nutzen die Enkel die Felsen zum Spielen – einzelne Steinblöcke werden als «Waldküche» oder als Kletterfelsen genutzt. Man kann sich auch über eine Höhe von 1,20 Meter professionell abseilen, wenn man klein ist.

Betritt man den Garten von Südosten, entdeckt man entlang dem Haus Rabatten voller blühender Blumen. Statt Rasen zeigt eine Magerwiese ihre vielfältigen Blumen und Gräser. Am Haus laden drei kleinere Sitzplätze zum Verweilen ein. Ein grösserer Tisch auf dem gemähten Teil der Wiese vermittelt ein Familiengefühl.

Obwohl die beiden Paare einheimische Pflanzen bevorzugen, findet man eine 80 Jahre alte Buchshecke – sie muss gespritzt werden. Ansonsten wird keine Chemie eingesetzt. Auch die Exoten wie Säuleneibe und Thuja wurden nicht entfernt. Typisch für diesen Garten ist, dass man zwar eine klare Linie hat, aber zu Kompromissen bereit ist: beobachten, gestalten und wachsen lassen. Eine Grundhaltung, die auch hilft, beim gemeinsamen Gärtnern keine Konflikte aufkommen zu lassen. Man respektiert die Natur und einander. Hier darf wachsen, was und wo es wachsen will. So findet man beispielsweise rund um das Haus, entlang der Kieswege und bei den Sitzplätzen, die feinen blauen Blüten der Leinpflanze.

Naturverbundenheit

Ruth Hess ist Mitglied beim Natur- und Vogelschutz Verein Bezirk Affoltern, NVBA. So findet man im ganzen Garten Vogelhäuschen an Bäumen und Gebäuden. Da ist nicht nur der Hausspatz zu Hause, auch Feldspatzen nisten. Man kann Distelfinken, Mehlschwalben, Rotmilane, Mönchsgrasmücken, Amseln, Elstern, Blau- und Kohlmeisen, Buntspechte und Turmfalken beobachten. Alle Hausbewohner sitzen gern im Garten und lauschen dem Gesang der Vögel. Achtsam betrachten sie in aller Ruhe Tiere im und um den Garten: Eichhörnchen, Igel, Fledermäuse, Eidechsen und Blindschleichen.

Mit den Tieren teilen sie mehr oder weniger freiwillig Kirschen, Hagebutten, Äpfel, Hauszwetschgen, Birnen, Pfirsiche und Baumnüsse. Sie nutzen Küchen- und Wildkräuter beim Kochen und trinken Tees mit Blättern aus dem Garten, beispielsweise Verveine, Brennnessel oder Schafgarbe. Sie geniessen Holunder, Johannis- und wilde Erdbeeren und verarbeiten Giersch und Bärlauch zu Pesto. Im unteren Garten entdeckt man ein Hochbeet aus Weidenrutengeflecht. Geschaffen hatte es Hermann Hess, und nun, vier Jahre nach seinem Tod, zerfällt es. Als Förster hatte er sich auch um die Bäume gekümmert – jetzt übernimmt ein Gärtner diese anspruchsvolle Aufgabe.

Um die Töpfe bei grosser Hitze zu wässern, holen sich Ruth Hess und Maja und August Scheiwiller mit Giesskannen Wasser aus einem nahen Brunnen. Jäten bezeichnen sie als «Reduzieren der Beikräuter». Rund um die Sitzplätze ist der Kies gejätet. Man sitzt, sieht eines und zupft es aus – auch ohne aufstehen zu müssen.

Maja Scheiwiller schätzt die Plätze zum Essen im Freien, das Leben soll sich möglichst draussen abspielen. Ruth Hess fühlt sich glücklich: «So eine Vielfalt im Garten.» Mit kritischen Augen beobachtet sie die Wirkung des Klimawandels auf ihren Garten.

Es ist ein Garten, der Geschichten erzählt, von der langjährigen Freundschaft zweier Ehepaare, vom Aufwachsen von sieben Kindern und deren Freunden, von Enkelkindern – und vor allem von der Natur, die so viele Geschichten zu erzählen weiss. In diesem Garten werden diese Geschichten dankbar, liebevoll und respektvoll wahrgenommen.

Weitere Artikel zu «Bezirk Affoltern», die sie interessieren könnten

Solches Feuerwerk wird es in Affoltern ab November nicht mehr geben. (Bild Pixabay)
Bezirk Affoltern19.06.2025

Schluss mit der Knallerei

Affoltern hat am Montag an der Gemeindeversammlung ein Feuerwerksverbot beschlossen
Bezirk Affoltern19.06.2025

Bereit für die neue Amtsdauer

Der Bezirksrat Affoltern hat sich konstituiert
Bezirk Affoltern19.06.2025

Das Naturbad – ein Maschwander Sorgenkind

Eine Frage, die umtreibt: Schliessen, umnutzen oder weiterführen?