38-Stunden-Woche kommt vors Volk

Die Affoltemer Stimmberechtigten entscheiden im März 2024

Das Stadthaus Affoltern; ob für die Angestellten die 38-Stunden-Woche eingeführt wird, entscheidet im Frühling 2024 das Stimmvolk. (Archivbild Thomas Stöckli)

Dass das letzte Wort zur 38-Stunden-Woche für Teile der Stimmbevölkerung noch nicht gesprochen sein dürfte, legte die kontroverse Debatte der letzten Wochen nahe. Zuletzt hatte diese darin gegipfelt, dass ein Trio um alt Kantonsrat Hans Rudolf Haegi und alt Stadtpräsident Clemens Grötsch zwei Einzelinitiativen einreichte (der «Anzeiger» hat berichtet). Eine davon hatte zum Ziel, die 38-Stunden-Woche höchstens im Pflegebereich einzuführen; die andere zielte darauf ab, die Entscheidungskompetenz über die Wochenarbeitszeit des städtischen Personals an die Stimmberechtigten zu delegieren.

Dann sickerte vergangene Woche zwischen den Zeilen ein erstes Zeichen des Stadtrats durch: Am Montag hatten sich der Gewerbeverein Affoltern und der Arbeitgeberverband Bezirk Affoltern mit Stadtpräsidentin Eveline Fenner zum Gespräch getroffen. Gewerbevereinspräsident René Ammann zeigte sich hinterher zuversichtlich. «Die Angelegenheit klingt nicht mehr so definitiv wie auch schon», sagte er nach dem Gespräch. Die Stadt habe ihre Beweggründe erläutert, aber auch daran erinnert, dass «noch nichts definitiv entschieden» sei.

Und tatsächlich: Am Mittwoch gab die Stadt bekannt, dass die Affoltemerinnen und Affoltemer am 3. März 2024 an der Urne über die Einführung der 38-Stunden-Woche entscheiden werden. Ursprünglich hatte der Stadtrat nicht geplant, die Meinung des Stimmvolks einzuholen. Die aktuelle Gesetzeslage sieht dies auch nicht vor: Gemäss dieser liegt die Entscheidungskompetenz über die Soll-Arbeitszeit des städtischen Personals bei der Exekutive.

Mitbestimmt hätten die Stimm­berechtigten dagegen über die teilrevidierte Personalverordnung (PVO). Darin sind Anpassungen vorgesehen, welche die Stadt als Arbeitgeberin attraktiver machen sollen; zum Beispiel ein Dienstaltersgeschenk zum Fünf-Jahre-Jubi­läum. Die Urnenabstimmung zur überarbeiteten PVO war ursprünglich auf den 22. Oktober angesetzt worden. Dieser Termin wird nun verschoben: Statt im Herbst entscheidet das Stimmvolk neu im Frühling 2024 über das Geschäft, das um einen entscheidenden Satz ergänzt wird: Neu in die PVO aufgenommen wird die zu leistende Wochenarbeitszeit. Der Absatz, der die Kompetenz zur ­Regelung der Soll-Arbeitszeit an den Stadtrat delegiert, fällt weg. Konkret bedeutet das: Sagen die Stimmberechtigten im nächsten Frühling Ja zur überarbeiteten Personalverordnung, sagen sie auch Ja zur 38-Stunden-Woche; und zukünftige Änderungen der Soll-Wochenarbeitszeit würden nicht mehr in die Kompetenz des Stadtrats fallen, sondern eine Urnenabstimmung erfordern.

Mehr Austausch mit dem Stimmvolk

Stadtpräsidentin Eveline Fenner sagt auf Anfrage, das Echo der vergangenen Wochen habe den Stadtrat Affoltern dazu bewogen, die Entscheidungskompetenz in diesem Geschäft an die Stimmberechtigten abzugeben. «Die bisherigen Rückmeldungen ergaben ein erstes Stimmungsbild. Nun möchten wir wissen, was die Mehrheit der Stimmbevölkerung tatsächlich will.» Die Zeit bis im März wolle man nutzen, um mit der Bevölkerung das Gespräch zu suchen und sie von den Argumenten für die 38-Stunden-Woche zu überzeugen. ­Gelinge dieser Dialog, sei man optimistisch, dass das Geschäft an der Urne mehrheitsfähig sei, so Fenner. Der Stadtrat sei nach wie vor der Ansicht, dass die 38-Stunden-Woche die passende Lösung sei, um dem Personalmangel entgegenzutreten. Bei einem Ja würde das ­Geschäft an der Urne legitimiert. «Wird es abgelehnt, muss der Stadtrat nach neuen Lösungen suchen.»

Bortoluzzi plant neue Einzelinitiative

«Spannend» findet Toni Bortoluzzi den jüngsten Entscheid des Stadtrats zur Urnenabstimmung. Aus seiner Sicht war das Vorgehen der Stadt Affoltern zur 38-Stunden-Woche gegenüber den anderen Gemeinden, dem Spital und der Wirtschaft unangebracht. Deshalb habe man in den vergangenen Tagen einen «bürgerlichen Schulterschluss» angestrebt. Mithilfe der Wirtschaft wolle man versuchen, «die Fehlentwicklung städtischer Personalpolitik in erträgliche Bahnen zu lenken» und die geänderte Personalverordnung bachab zu schicken, so der Präsident der SVP Affoltern.

Die Einladungen zur SVP-Mitgliederversammlung am 14. September waren bereits verschickt, die Geschäfte Personalverordnung und 38-Stunden-Woche auf der Traktandenliste vorgesehen. Und nun die Absage der Urnenabstimmung. «Das isch na dä Bescht», sagt ­Bortoluzzi, «aber es ändert natürlich nichts an der Aktualität des Themas für unsere Mitglieder».

Ruhig werden dürfte es um ­Bortoluzzi in den nächsten Wochen kaum: In seiner Schublade wartet eine Einzelinitiative an den Stadtrat Affoltern, für die bloss noch die Unterschriften der Mitunterzeichnenden fehlen. Die Forderung: Eine Anpassung der Personalverordnung, sodass die Kompetenz zur Festlegung der Wochenarbeitszeit beim Stimmvolk liegt. Allerdings ohne dass die neue Wochenarbeitszeit auf 38 Stunden gesetzt wird (wie dies die Vorlage im Frühling 2024 vorsähe). Affaire à suivre ...

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