Kommentar: Neue Kirchenfürsten sind unerwünscht

Die reformierte Kirchgemeindeversammlung fand in der altehrwürdigen Kirche in Kappel statt. (Bild Martin Platter)
Die reformierte Kirchgemeindeversammlung fand in der altehrwürdigen Kirche in Kappel statt. (Bild Martin Platter)

Das Anliegen der Kappeler Urheber der Einzelinitiative für den Austritt aus KG+ ist zutiefst protestantisch. Weshalb hat sich die religiöse «Splittergruppe» der Reformierten im Mittelalter von den Katholiken abgespalten, wurden im einem blutigen Bruderkrieg, dem sogar Anführer Huldrych Zwingli zum Opfer fiel, 1531 bei Kappel die religiösen Standpunkte mit Waffen ausgefochten? Weil die protestantischen Christen mehr Demokratie in der Kirche wollten.

Man wollte keine «allumfassenden» sprich katholischen Kirchenfürsten und Geistliche mehr, die sich ihr opulentes Leben in wohlhabenden Diözesen vom Ablasshandel mit der armen Landbevölkerung finanzierten. Man wollte eine Kirche, die von allen Gläubigen verstanden wurde und die alle Gläubigen trug – ­ungeachtet ihres Standes. Nicht elitäre Gelehrte, die von der Landbevölkerung unverstanden in Lateinisch predigten und sich die Bibelworte und religiösen Bräuche so zurechtbogen, wie es ihnen gerade beliebte.

Das bringt uns zur aktuellen Frage: Kann man Kirche organisieren, zentralisieren und rationalisieren wie ein Unternehmen in der freien Marktwirtschaft? Der Volksmund sagt dazu unmissverständlich: «Die Kirche bleibt im Dorf!» Die Kappeler haben diesen Spruch nun ergänzt: «Auch die Organisation des religiösen Lebens muss im Dorf bleiben.» Ein Anliegen, das nachvollziehbar ist, denn man kann die Seelsorge nicht nach marktwirtschaftlichen Kriterien zentralistisch aus der Ferne organisieren.

Seelsorge bedeutet Nähe zu den Menschen und Kenntnis von den Menschen und ihren Bedürfnissen. Es bedingt aber natürlich auch, dass dies die Menschen wünschen und sich dafür einsetzen; bereit sind, sich auch persönlich einzubringen. Dann funktioniert das Milizsystem, wie es bisher im Säuliamt Bestand hatte. Wenden sich jedoch immer mehr Menschen von der Kirche ab, dann fehlen Behördenmitglieder und Steuer­gelder und es kommt zu Ansinnen wie dem Säuliämtler Kirch­gemeindezusammenschluss KG+.

Ohne engagierte, persönliche Bezugspersonen in den Gemeinden ist jedoch abzusehen, dass sich die Dynamik der Kirchen­austritte noch verstärken wird, sich mit KG+ noch mehr ­Menschen von der reformierten Landes­kirche abwenden werden. Das ist bedauerlich, denn die Kirche leistet viel fürs soziale Zusammenleben in unseren Gemeinden, in unserer Gesellschaft und ist auch für Randständige ein wichtiger Zufluchtsort.

Ein Vorteil ist, dass die Initiative zur Eigenständigkeit von der lokalen Behörde in Kappel getragen wird. Das garantiert eine Umsetzung im Sinne der Initianten. Der reformierten Kirchgemeinde Kappel ist zu wünschen, dass das hehre Ansinnen reiche Früchte tragen wird.

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